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****yse: Warum erst nach vier Monaten Proteste?
Dienstag 7. Februar 2006, 06:38 Uhr


Kopenhagen/Kairo (dpa) - Es hat vier Monate gedauert, ehe Muslime in aller Welt ihren Protest gegen die zwölf Mohammed-Karikaturen in der betont Islam-kritischen dänischen Zeitung «Jyllands-Posten» begannen.

Vier Monate, in denen islamische Prediger und Diplomaten die Botschaft, «dass der Prophet beleidigt wurde», von Kopenhagen bis in die Dörfer Oberägyptens und Afghanistans getragen haben.

Einige Beobachter in Dänemark sehen in der «Wühlarbeit» dänischer Imame bei Rundreisen durch Nahost den Funken, der den Flächenbrand ausgelöst hat. In der arabischen Welt vermuten andere hinter der zunehmenden Gewalt eher zynisches Machtkalkül arabischer Regime, die diese Krise für ihre eigenen Zwecke ausnutzen. Auch Islamisten-Gruppen spielt der Konflikt offensichtlich in die Hände. In einigen islamischen Staaten ist zwischen Regierung und Opposition fast schon so etwas wie ein Wettkampf darum ausgebrochen, wer denn nun mehr «für die Verteidigung des Propheten tut».

Dabei hatte es am 30. September bei der Erstveröffentlichung der Zeichnungen zunächst nur nach einem weiteren Scharmützel in dem in Dänemark sehr scharf geführten Streit um die Zuwanderung und das Verhältnis zum Islam ausgesehen. Es dauerte fast drei Wochen, ehe die Botschafter aus elf islamischen Ländern in Kopenhagen ein Eingreifen der dänischen Regierung verlangten und Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen um ein Gespräch baten.

Dass Rasmussen dies kühl mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit verweigerte, wird ihm von Kritikern heute als großer Fehler beim Krisenmanagement angekreidet. Zu diesen Kritikern gehören auch 22 frühere dänische Botschafter, die sich im Dezember zu Wort gemeldet und auch den extrem harschen dänischen Ton gegenüber islamischen Zuwanderern moniert hatten.

Gleichzeitig reisten in Dänemark lebende Imame mit den Zeichnungen durch arabische Länder und zeigten bei ihren Gesprächen auch andere, in Dänemark kursierende üble Darstellungen des Propheten Mohammed vor, die von der größten dänischen Zeitung gar nicht veröffentlicht worden waren. Dies wird in Dänemark nun von vielen als auslösender Faktor für die gewaltige Protestwelle gesehen und hat deshalb zu der Ankündigung aus dem Regierungslager geführt, man erwäge die Ausweisung der islamischen Vorbeter.

Die Imame selbst erklären, die Empörung habe sich während der Wallfahrt in Mekka im Januar ausgebreitet. Ende Januar rollte dann eine Woge der Entrüstung über Dänemark hinweg, als Saudi-Arabien seinen Botschafter aus Kopenhagen heim rief und fromme Saudis zum Boykott dänischer Produkte aufriefen.

Dem Boykottaufruf sind viele Muslime gefolgt. So findet man auch in Kairo, der größten arabischen Stadt, inzwischen Schilder mit der Aufschrift «Wir verkaufen keine dänischen Produkte» in den Supermärkten. In der saudiarabischen Zeitung «Arab News» findet sich an diesem Montag gar ein Aufruf zu einem langfristigen Totalboykott westlicher Waren, um die westlichen Staaten «zu einer Entschuldigung wegen der Beleidigung unseres geliebten Propheten» zu bewegen.

Doch nachdem Tausende junger Muslime am vergangenen Wochenende diplomatische Vertretungen Dänemarks und Norwegens in Beirut und Damaskus gestürmt und in Brand gesetzt haben, rufen in Nahost jetzt zumindest einige Stimmen zur Mäßigung auf.

In einem Kommentar der überregionalen arabischen Tageszeitung «Al- Sharq Al-Awsat» hieß es am Montag, die anfangs noch spontane Kampagne gegen die Karikaturen sei inzwischen von Extremisten instrumentalisiert worden. «Drauflos schlagen ohne konkretes Ziel, das macht keinen Sinn» und «Wir dürfen die westlichen Staaten nicht als Feindesland betrachten», warnte der Kommentator.

Die libanesische Zeitung «Daily Star» geht, einen Tag nachdem in Beirut nicht nur das dänische Konsulat, sondern auch Geschäfte und Autos in einem christlichen Viertel zerstört wurden, sogar noch einen Schritt weiter: «Die Randalierer haben sowohl libanesischen Besitz als auch das Bild des Islam beschädigt, und der von ihnen angerichtete Schaden ist noch viel größer als der Schaden, der durch die Karikaturen angerichtet wurde, die den Propheten Mohammed entweiht haben.»