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Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus

Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 03/06/2008 20:11

Laut Informationen direkt aus Tunesien, weiteten sich die Ausschreitungen aus. Nun betrifft es bereits auch die Städte METLAOUI; REDEYEF UND MOULARES.

In Metlaoui ist ein Mann gestorben wegen einem Hungerstreik.

In den anderen Städten gab es Ausschreitungen gegen die Polizei und es wurde eine Ausgangssperre ab 22:00 hr verhangen.

In Redeyef sind mehrere junge Menschen verschwunden, keiner weiß wo sie sind.

Wer dazu Medienberichte hat, kann dies gern hier rein stellen.

Dies sind Infos welche ich heute per Skype bekam.

Claudia
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 03/06/2008 20:13

Geht es hier nur och um die Lebensmittelkrise oder wehrt sich die junge Bevölkerung des Landes gegen die Regierung? Kaum Infos in der Presse, warum das alles?

Claudia
Posted By: Frogger

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 03/06/2008 23:55

Mag sowohl das eine, wie auch das andere sein - oder aber Interessen der Gewerkschaften oder politischer Kreise. Ein Protest gegendie Regierung wäre auch verfehlt, denn die Preiserhöhungen liegen noch niedriger, als die Importkosten, es finden also höhere Subventionen statt und die Kosten werden nur teilweise auf die Preise aufgeschlagen.

In jedem Falle rechnet aber derzeit niemand hier mit Unruhen in zentraleren Gebieten Tunesiens. Unzweifelhaft aber ist, daß die Bevölkerung zunehmend unter den Preiserhöhungen (oder genauer: unter dem gleichbleibenden Lohn) leidet.
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 04/06/2008 08:59

Also das man nicht mit Unruhen im Landesinneren rechnet, kann ich nicht bestätigen. Ich kann meine Infoquelle leider nicht veröffentlichen, das wäre einfach zu gefährlich für diese Quelle.

UN-Gipfel berät über Rezepte gegen Lebensmittelkrise

AFP
AFP - Dienstag, 3. Juni, 21:31 Uhr

Rom (AFP) - Mit einer Debatte über die Ursachen für die weltweite Lebensmittelkrise hat in Rom ein UN-Gipfel zur Nahrungsmittelsicherheit begonnen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mahnte zur Eröffnung des Treffens am Sitz der Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) internationale Handelsreformen an und forderte eine Einigung über die umstrittene Produktion von Biokraftstoffen. Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) nannte die hohe Zahl der Hungernden einen "Skandal der Menschheitsgeschichte". Der senegalesische Präsident Abdulaje Wade warf der FAO vor, die Entwicklungsländer wie "Bettler" zu behandeln.
Anzeige

Ban rief die Teilnehmer, darunter rund 50 Staats- und Regierungschefs, auf, die "historische Gelegenheit" für eine "Wiederbelebung der Landwirtschaft" zu nutzen. Angesichts der Zunahme der Weltbevölkerung sei es erforderlich, dass die Lebensmittelproduktion bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent gesteigert werde.

Um eine Verarmung infolge falscher Nahrungsmittelpolitik zu verhindern, bedürfe es wirtschaftlicher Reformen, betonte Ban. Exportbeschränkungen und Maßnahmen zur Preiskontrolle hätten Wettbewerbsverzerrungen ausgelöst und sollten daher fallengelassen werden. Ban forderte eine Einigung im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO).

Der Chef der Welthandelsorganisation (WHO), Pascal Lamy, forderte den Abbau von Subventionen in der Landwirtschaft als wichtige Maßnahme gegen die weltweite Lebensmittelkrise. Staatliche Zuschüsse für Landwirte führten zu einer Verzerrung des Wettbewerbs und verschafften einigen Ländern einen "ungerechten Vorteil", sagte er.

Im Bereich der Biokraftstoff-Produktion sei ein "größeres Maß an internationalem Konsens" erforderlich, betonte Ban. Die zunehmene Nutzung von Biosprit steht in der Kritik, weil sie zum Anstieg der Preise für Grundnahrungsmittel beiträgt.

Die USA und Brasilien verteidigten die Biokraftstoff-Produktion. Diese habe "keinen wesentlichen Einfluss auf die Preise", sagte US-Landwirtschaftsminister Edward Schafer. Die Nutzung von Biosprit erhöhe vielmehr die Energiesicherheit und kurbele die Wirtschaft an. Brasiliens Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva, dessen Land nach den USA zweitgrößter Exporteur von Bioethanol ist, sagte, Biokraftstoffe könnten die armen Länder sogar aus der Lebensmittelunsicherheit führen.

Wieczorek-Zeul betonte, es sei "ein Skandal der Menschheitsgeschichte, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts immer noch 850 Millionen Menschen unter Hunger und Unterernährung leiden". FAO-Chef Jacques Diouf sagte, es müssten "schnell mutige Entscheidungen" getroffen werden, um die Welt vor einer "gefährlichen Situation" zu bewahren.

hcyyb/eg

Hunger in der Welt
http://de.news.yahoo.com/afp/20080603/tts-d-uno-fao-lebensmittel-hunger-hilfen-c1b2fc3.html
Posted By: Frogger

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 04/06/2008 14:06

Ich beziehe mich natürlich lediglich auf meine eigene Anschauung und Informationsgewinnung im Lande.
Ich teile ausdrücklich nicht die Einschätzung einiger offiziellen Funktionäre, sowohl was die Sicherheitslage, als auch, was die politischen Präferenzen angeht (und das gilt, nebenbei gesagt, ebenso, wenn nicht noch mehr, für Deutschland) - manchmal habe ich den Eindruck, daß man nicht im selben Lande lebt.
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 04/06/2008 21:50

Wolf dies sind halt deine Ansichten.

Claudia
Posted By: ameiseN

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 04/06/2008 22:06

da wir gerade mit familie eine grosse hochzeit planen und auch preise durchgesagt bekommen haben, kann ich nur dazu sagen das einige preise sogar nach unten gegangen sind.

weil für 7 tage hochzeit mit ca 200 gästen, plus willkommenslamm je für meinen mann, meinen sohn und für mich hat meine familie knapp 600 dinar gezahlt, und mein mann meinte kurz vorher noch dass kommt sicherlich über 1000 dinar
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 04/06/2008 22:09

Das mag sein, deshalb stellte ich ja auch zur Diskussion, ob diese ganzen Ausschreitungen, Festnahmen wirklich etwas mit der Lebensmittelkrise zu tun haben.

Claudia
Posted By: Uwe Wassenberg

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 04/06/2008 22:57

 Original geschrieben von: Claudia Poser
Das mag sein, deshalb stellte ich ja auch zur Diskussion, ob diese ganzen Ausschreitungen, Festnahmen wirklich etwas mit der Lebensmittelkrise zu tun haben.
Claudia


Hallo, ich persönlich die Lage dort nicht beurteilen, glaube aber, dass sich in diesen Unruhen die allgemeine Unzufriedenheit widerspiegelt, dass nichts voran geht. Laut den Medien und Ben Ali geht es mit Tunesien täglich bergauf, aber beim Volk kommt nix an.
Hab mal meine Freundin vorgestern gefragt, ob sich die Preise geändert hätten, sie sagt, die Preise (Brot, Kaffee, Limonade, Eau de minérale) hätten sich nicht geändert und Danone Joghurt wäre sogar billiger geworden. Das gilt für Tunis. Sie kauft meistens bei Monoprix, manchmal bei Champion ein.
Posted By: LOE090126

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 04/06/2008 23:42

 Antwort auf:
Also das man nicht mit Unruhen im Landesinneren rechnet, kann ich nicht bestätigen.

Aber, das man mit Unruhen im Landesinneren rechnet, kannst du bestätigen?!


 Antwort auf:
Ich kann meine Infoquelle leider nicht veröffentlichen, das wäre einfach zu gefährlich für diese Quelle.

Wird dein Informant verfolgt? Oder ist er direkt aus dem "Weissen Haus" Tunis d.c.?

Falls es hier überhaupt ein interessiert, hier im Süden haben wir keine Nahrungsnot, Keine Revolution oder irgend welche unmenschlichen Übergriffe, wie z.Bsp. Ausschreitungen/Demonstrationen/Verschleppungen...

PS: Weiterhin zeig mir mal eine Ortschaft hier in Tunesien, in der ab 22:00Uhr noch der Bär steppt!

Also bitte den Ball flach halten, es reicht noch die leichte Unruhe im Bezug auf die Entführung, zum Glück entspannt sich die Lage langsam!

LG aus sudTN von Karsten
Posted By: sylviafee

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 05/06/2008 14:42

ja es werden versteckt über wieder und immer noch verhaftungen berichtet.
Wir alle wissen wie die Presse national "gehändelt" wird und international beobachtet.
Hier ein link von 10/2007 der Uni Kassel.
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Tunesien/wunder.html

Genauso wie hier werden zunehmend gerade jugendliche unzufrieden in dem land.
es handelt sich überwiegend um soziale unruhen.
wenig und schlecht bezahlte arbeit.
immer mehr reiche
immer mehr kontrolle.
Auch nicht vergessen die wahlen rücken heran.
Ja auch in unserem paradies ist so einiges im argen
Posted By: Lyle Nhary

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 05/06/2008 15:16

Stichwort-Auch bei uns ist einiges im argen..
-Letzten Samstag geschockt gesehen,-23Uhr hinter einem Reve-Markt-Leute die in Containern Lebensmittel gesucht haben..
Posted By: sarahk

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 05/06/2008 16:16

Das beobachte ich seit Jahren, mein Büro liegt gegenüber von einem PLUS-Markt. Dessen Müllcontainer werden ganz systematisch von immer denselben Leuten durchsucht. Ganz sicher: auch bei uns gibt es Armut - allerdings doch immer noch, bei allen Problemen, auf einem anderen Level. Immerhin haben wir Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Krankenversicherung. Da träumt ein Großteil der Menschheit von.
Posted By: sylviafee

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 05/06/2008 16:57

 Original geschrieben von: Lyle Nhary
Stichwort-Auch bei uns ist einiges im argen..
-Letzten Samstag geschockt gesehen,-23Uhr hinter einem Reve-Markt-Leute die in Containern Lebensmittel gesucht haben..



sicher hast du recht das auch bei uns in unserem land einiges im argen liegt,
ich meinte jedoch mit Paradies tunesien.
sorry etwas ungeschickt von mir aber bin blond ;-)
Posted By: Frogger

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 07/06/2008 00:22

(Aus dem TunisPro-Forum:)

.....
Bei neuerlichen Unruhen in der Stadt Redeyef, westlich von Gafsa, sind am Freitag eine Person getötet und mehrere Personen verletzt worden.

Nachdem Demonstranten trotz Warnungen Molotow-Cocktails geschleudert hatten, eröffnete die Polizei das Feuer.

Regierungskreise bestätigte einen Toten und 8 Verletzte, davon 5 Demonstranten und 3 Polizisten.
.....
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 07/06/2008 14:00

wolf da ja hier auch von manchen alles verschönert wird, als ich dies rein stellte, verzichtete ich auf Infos.

Es kam auch in den Nachrichten. Die Haltung der Regierung wird immer schlimmer, es gab ein Todesopfer und viele Verletzte und die egierung sagt: "Aber wir haben alles wieder im Griff".

Schaut euch die französischen Berichterstattungen an:

http://canadianpress.google.com/article/ALeqM5gtz2m3E7KPUCSyEAq97iR7KSuibw

Tunisie: un mort et plusieurs blessés lors d'accrochages à Redeyef

Il y a 17 heures

TUNIS — Des accrochages sanglants ont opposé vendredi manifestants et forces de l'ordre à Redeyef, ville du bassin minier de Gafsa dans le centre-ouest de la Tunisie, faisant un mort et plusieurs blessés, a-t-on appris de sources syndicale et officielle.

Des manifestations de protestations secouent cette région depuis plusieurs mois à cause du chômage et de la dégradation des conditions de vie.

Selon le président du comité de soutien du bassin minier de Gafsa, Messaoud Romdhani, les troubles qui ont débuté jeudi ont pris une tournure grave vendredi lorsque la police a ouvert le feu sur les manifestants. Il a fait état d'un mort, un manifestant de 25 ans et dix blessés.

La victime venait d'être recrutée dans un chantier sur l'environnement dépendant de la compagnie des phosphates de Gafsa (CPG), principal employeur dans la région, a-t-il précisé par téléphone à l'Associated Press. Selon ce syndicaliste, les troubles auraient été causés par "la lenteur" des négociations engagées entre les autorités et les syndicats.

De leur côté, les autorités font état d'un mort et cinq blessés parmi les manifestants et de trois blessés parmi les agents de l'ordre. Selon un communiqué du gouvernement, l'intervention des forces de l'ordre a été motivée par des informations faisant état de "la fabrication par certains éléments de bouteille incendiaires qui devaient utilisées dans des actes de vandalisme".

Selon le communiqué, plusieurs de ces objets ont été lancés en direction des agents de l'ordre, en "dépit des sommations" adressées aux manifestants. Une enquête a été ouverte pour "éclaircir les circonstances de ces incidents et en déterminer les responsabilités".

Claudia
Posted By: Hammametgirl

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 07/06/2008 18:47

Hi! sind denn auch unruhen im Nördlichen teil tunesiens? lg
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 07/06/2008 20:23

In Tunis gab es Ende letzten Jahres schon Ausschreitungen, dazu gab es auch ein Thema im Forum.

Ich werde mal schauen ob ich noch Medienmeldungen finde dazu.

Vielleicht hat ja auch ein anderes Mitglieder dazu noch mehr Infos.

Claudia
Posted By: nailoucha

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 08/06/2008 23:01

Meine Tochter erzaehhlte mir gerade, es gab auch Protest-Demononstrastionen in Errhiad. Sie studiert dort.
Posted By: Frogger

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 09/06/2008 03:17

...Protest-Demononstrastionen in Errhiad...

Er-Riadh: großer Stadtteil im Westen von Sousse, in dem einige Universitätsfakultäten und ein Großteil der Studentenwohnungen (Foyer) liegen, ansonsten vorwiegend traditionell ausgerichtete Einwohner

Obwohl ich mich da mehrmals pro Woche aufhalte und einige Bekannte dort habe, habe ich davon nichts mitbekommen oder gehört - diese Demonstrationen können daher nur eine kleine Teilnehmerzahl gehabt haben und müssen zeitlich begrenzt gewesen sein und müssen auch völlig friedlich verlaufen sein, denn es gab in den letzten Wochen z.B. keine erhöhte Polizeiaktivität auf den Straßen im Großraum.

Die tunesische Regierung hat übrigens am Samstag in einer öffentlichen Stellungnahme den Tod des Demonstranten in Redeyef bedauert, das Vorgehen der Polizei jedoch explizit unterstützt.
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 09/06/2008 10:46

 Original geschrieben von: nailoucha
Meine Tochter erzaehhlte mir gerade, es gab auch Protest-Demononstrastionen in Errhiad. Sie studiert dort.


Auch diese Infos bekam ich bereits auch. Und auf irgend einem Nachrichtensender liefen gestern auch diese Meldungen. Schriftliches habe ich dazu noch nicht gefunden.


 Antwort auf:
Die tunesische Regierung hat übrigens am Samstag in einer öffentlichen Stellungnahme den Tod des Demonstranten in Redeyef bedauert, das Vorgehen der Polizei jedoch explizit unterstützt.


Ist ja nichts neues, wie immer, aber wie lange noch?

Claudia
Posted By: Frogger

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 09/06/2008 11:30

...aber wie lange noch...

ich denke, noch einige Zeit. Fragt man hier jemanden, so wird meist gesagt, daß die Unruhestifter nur in der Gegend von Gafsa und Kairouan zu finden sind. Ich habe bislang noch keinen getroffen, der von den Ereignissen sonderlich berührt wäre - das wird eher wie ein Geschehen angesehen, das entfernt und in einer anderen Welt/Schicht stattfindet (so etwa wie Maiproteste in Deutschland). Allenfalls jüngere Leute lassen zuweilen Sympathie anklingen. Natürlich ist Sousse die "Stadt des Präsidenten", da gibt es schon einen hohen Anteil von Leuten, die natürlich stolz auf ihn sind und die Neigung zu Protesten dürfte schon deshalb gering sein.
Zudem: Da in der Öffentlichkeit von terroristischen Aktivitäten gesprochen wird, wird es eher befürwortet, daß die Polizei hingeschickt wird und für Ruhe sorgt.
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 09/06/2008 11:54

 Original geschrieben von: Frogger
...aber wie lange noch...

ich denke, noch einige Zeit. Fragt man hier jemanden, so wird meist gesagt, daß die Unruhestifter nur in der Gegend von Gafsa und Kairouan zu finden sind. Ich habe bislang noch keinen getroffen, der von den Ereignissen sonderlich berührt wäre - das wird eher wie ein Geschehen angesehen, das entfernt und in einer anderen Welt/Schicht stattfindet (so etwa wie Maiproteste in Deutschland). Allenfalls jüngere Leute lassen zuweilen Sympathie anklingen. Natürlich ist Sousse die "Stadt des Präsidenten", da gibt es schon einen hohen Anteil von Leuten, die natürlich stolz auf ihn sind und die Neigung zu Protesten dürfte schon deshalb gering sein.
Zudem: Da in der Öffentlichkeit von terroristischen Aktivitäten gesprochen wird, wird es eher befürwortet, daß die Polizei hingeschickt wird und für Ruhe sorgt.


Also mit terroristischen Aktivitäten hat dies ganz sicher nichts zu tun, ich denke eher an den bevorstehenen Wahlen in diesem Jahr. Sogar Minister kommen nach Deutschland um mit den tunesischen Menschen welche hier in D leben zu sprechen, Jugendliche sollen mehr beachtet werden usw. so stand es in Einladungen drin.

Tunesier welche zurück in die Heimat kommen, sollen mehr unterstützt werden usw.

Ich denke genau an diesem wird esit liegen.

Claudia
Posted By: Uwe Wassenberg

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 09/06/2008 20:05

Ich habe gestern mit meiner Freundin telefoniert und war erstaunt, dass Sie davon wusste.
Ihrer Aussage nach handelt es sich um Proteste gegen die schleppenden Lohnverhandlungen in der Phosphatindustrie. Die Arbeitgebervertreter scheinen die Verhandlungen ziemlich zu sabotieren.
Die Buschtrommel funktioniert also gut in Tunisia.

Von irgendwelchen Protesten in Tunis ist ihr nichts bekannt, obwohl sie dort wohnt.
Posted By: Uwe Wassenberg

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 09/06/2008 22:15

Der folgende Artikel wurde gerade vom Schweizer Tagesanzeiger veröffentlicht:

Artikel Schweizer Tagesanzeiger vom 9. Juni 2008

Das ist der Aufmacher:
Terror und blutige Proteste in Nordafrika
Nach einer Serie von Attentaten in Algerien und Toten bei Unruhen in Marokko und Tunesien warnen lokale Medien vor dem Pulverfass Maghreb.


und hier der Teil des Artikels, in dem von Tunesien geschrieben wird:

Die Bevölkerung ist verzweifelt
Aus den Nachbarländern Tunesien und Marokko werden unterdessen soziale Unruhen gemeldet, die von frustrierten Stellenbewerbern ausgingen. In der marokkanischen Hafenstadt Sidi-Ifni südlich von Agadir waren vor einer Woche acht Arbeitsplätze unter einer unbekannten Zahl von Bewerbern verlost worden. Die Verlierer blockierten die Hafenausfahrt. Am Samstag griff die Polizei ein, es gab mindestens einen Toten.

In Tunesien erschüttern Arbeitslosenproteste schon seit Monaten die Region um die Phosphatminen von Gafsa. Letzte Woche ist dort ein junger Mann ums Leben gekommen. «Le Soir d’Algérie» kommentiert die Vorkomnisse unter dem Titel «Pulverfass Maghreb»: Algerien, Marokko und Tunesien hätten jetzt einen gemeinsamen Nenner – die Verzweiflung der Bevölkerung. Tunesier und Marokkaner scheuten sich nicht mehr vor Konfrontationen mit der Polizei.
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 10/06/2008 19:42

Uwe ich bin froh das es noch Leute gibt, die das gleiche hören und die Infos aus dem Medien finden. Man unterstellte mir ja bereits, ich würde übertreiben.

Leider ist dies ein Thema was nicht erst seit dem Wochenende hoch kocht, leider wird es aber zum Größten teil Todgeschwiegen.

Phosphatindustrie richtig deshalb auch die Ausschreitungen in Gasfa, da dort die größte Firma der Phosphatindustrie Ihren Sitz hat.


Claudia
Posted By: Frogger

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 11/06/2008 01:23

...Die Arbeitgebervertreter scheinen die Verhandlungen ziemlich zu sabotieren...

was meinen Anfangsverdacht (siehe einige Zeit zurück) weiter stützt, daß die Unruhen von der Gewerkschaft dort (wieder) geschürt oder erst ausgelöst wurden. Das macht sie natürlich nicht grundlos oder falsch, doch nach allem, was ich so sehe und höre, kann ich nicht an eine katalysationslose, direkt von der Bevölkerung ausgehende, Unruhe glauben.
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 11/06/2008 11:36

Heute sogar in vielen Tageszeitungen große Artikel:

In Nordafrika Sorge um Terrorgefahr

Serie schwerer Anschläge in Algerien
Von OTZ-Korrespondent Ralph Schulze, Madrid Europa beobachtet mit Besorgnis, dass die Terrorgefahr auf der anderen Seite des Mittelmeeres immer größer wird. Seit sich Ende 2006 in Nordafrika die "El Kaida im Maghreb" formierte, nimmt die Zahl der Terroraktivitäten im Maghreb spürbar zu. Dies gilt vor allem für das Krisenland Algerien, dessen wieder erstarkte Islamistenbewegung "Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf" (GSPC) das Rückgrat El Kaidas in Nordafrika bildet.

Nach einer Serie von Bombenanschlägen in den letzten Tagen in Algerien war die Stimmung im Land so gespannt, dass sich auch ein Gerücht über ein angebliches neues Attentat in Bouira, 120 Kilometer von Algier entfernt, wie ein Lauffeuer verbreitete, dann aber dementiert wurde.
Die Bomben gingen vor dem Bahnhof in Beni Amrane in der Kabylei-Region hoch, wo die bewaffneten Islamisten eine ihrer Hochburgen haben. In den Tagen zuvor waren in der Nähe mindestens sechs Soldaten durch eine Bombe getötet worden. Drei weitere Militärs kamen nahe Algier durch einen Sprengsatz um. Im Dezember 2007 waren bei einem Anschlag auf ein UN-Gebäude in Algier 17 ausländische Mitarbeiter getötet worden. Vor kurzem wurde algerischen Medien zufolge ein Attentatsplan gegen die US-Botschaft in Algier aufgedeckt. Auch im Nachbarland Marokko flogen in letzter Zeit Bombenpläne gegen touristische Einrichtungen auf. Europäische Staaten und die USA bauen daher ihre Sicherheitspartnerschaft mit Nordafrika, sogar mit dem früheren "Schurkenstaat" Libyen, immer weiter aus. Dabei wird vor allem Rüstungs- und Ausbildungshilfe geleistet.

Im Februar wurden zwei österreichische Wüstentouristen von "El Kaida im Maghreb" in Tunesien gekidnappt und über die algerische Grenze in die Sahara verschleppt. Die Entführer, die die Geiseln noch immer in ihrer Gewalt haben, sollen sich in Algerien oder Mali versteckt halten. Ursprünglich forderten sie die Freilassung von Gesinnungsgenossen in Nordafrika. Nun geht es aber offenbar vor allem um Lösegeld. Österreichs Regierung steht über Mittelsmänner in Kontakt mit den Kidnappern.
10.06.2008
http://www.otz.de
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 11/06/2008 11:38

Zum Glück sind die Sicherheitshinweise seit 20.05.08 unverändert.

Stand 11.06.2008
(Unverändert gültig seit: 20.05.2008)

Zum Seitenanfang
Landesspezifische Sicherheitshinweise

Das Auswärtige Amt weist insbesondere auf die Gefahren bei Reisen in die Sahara im südlichen Grenzgebiet zwischen Tunesien und Algerien hin.

Terrorismus

Die tunesische Regierung unternimmt weiterhin umfangreiche Anstrengungen, um Touristen vor dem Risiko terroristischer Anschläge wie dem in Djerba (11.04.2002) zu schützen. Das Auswärtige Amt rät angesichts nicht auszuschließender Terrorakte – wie in allen Ländern der Region – vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse weiter zu erhöhter Aufmerksamkeit, insbesondere in der Nähe touristischer Anziehungspunkte und religiöser Kultstätten sowie an symbolträchtigen Daten, wie zum Beispiel hohen religiösen und anderen Feiertagen.

Reisen über Land/ Entführungsrisiko

Mehrere Gruppen von Saharatouristen wurden 2003 in Südalgerien entführt - die Gefahr von Entführungen besteht auch weiterhin. Die Terrororganisation Al-Qaida im islamischen Maghreb bekannte sich am 10. März 2008 in einer in den Medien veröffentlichten Erklärung zur Entführung von zwei österreichischen Touristen. Diese sollen zuletzt im Grenzbereich zwischen Tunesien und Algerien unterwegs gewesen und am 22. Februar 2008 an einem unbekannten Ort entführt worden sein, die Ermittlungen der zuständigen Behörden sind im Gange. Reisenden wird erhöhte Vorsicht empfohlen.

Besonders gefährdet sind Individualreisende, die auf dem Landweg unterwegs sind. Das Auswärtige Amt rät deshalb von solchen Individualreisen ab. Reisen in diese Gebiete sollten ausschließlich im Rahmen von Gruppenreisen erfolgen, die durch professionelle Veranstalter organisiert werden.

Das Auswärtige Amt weist Reisende, die eine Weiterreise nach Algerien beabsichtigen, nachdrücklich auf die Gefahren bei Reisen in die algerischen Gebiete südlich der Städte Béchar, Ghardaia und Touggourt hin (siehe Sicherheitshinweis Algerien).

http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Tunesien/Sicherheitshinweise.html

Claudia
Posted By: Nishba

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 13/06/2008 10:09

Hallo in die Runde !

Wir sind am 04.06. in Metlaoui gewesen und es waren auffallend viele Polizisten in großen Autos (eigentlich an jeder Ecke mehrere "Bullis") in der Stadt. Es war am frühen Vormittag, Demonstrationen und Ausschreitungen hat es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben, aber für die die massive Polizeipräsenz gab es sicherlich einen Grund....(in Gafsa viel uns im Übrigen nichts auf).

An jeder Ecke (in Sousse genauso wie in Douz oder Gabes oder Mahdia) hört man in Tunesien, dass die Preise (vor allem beim Benzin) drastisch gestiegen sind...

Ich finde es sehr bedauerlich, dass (in der Regel) friedlich demonstrierende Menschen, die ohnehin genug Druck seitens der Regierung zu erleiden haben als "Unruhestifter" bezeichnet werden (und dass es Menschen gibt, die bedauern, dass duch eine "simple Entführung"(eigene Anmerkung) eine "leichte Unruhe" hereingebracht wurde und man den "Ball flach halten soll" )
Von jemandem, der in Tunesien lebt, hätte ich etwas mehr Mitgefühl und vor allem Interesse an den dort lebenden Menschen und ihren Problemen erwartet. (und ja, Karsten ich meine dich)

Ich kann die steigende Wut der dort lebenden Menschen sehr gut verstehen und wünsche mir, dass es ein friedlicher Prozess bleibt und die Demonstranten ihr Ziel wenigstens zum Teil durchsetzen können.

Nishba
Posted By: Frogger

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 13/06/2008 11:15

...Ich kann die steigende Wut der dort lebenden Menschen sehr gut verstehen...

Ich eher nicht, denn die Regierung ist nicht für die steigenden Preise verantwortlich. Eigentlich müßten die Preise sogar noch sehr viel mehr ansteigen, doch die Regierung stützt die Preise für Lebensmittel und Energie in zunehmendem Maße.

Mir ist allerdings besonders im laufenden Jahr ein Mißverhältnis aufgefallen: Es wird gebaut, als ob es kein Morgen gäbe, und das betrifft sowohl kommerzielle Bauten, als auch private. Auf den Straßen sieht man eine Menge neuer Autos mit tunesischer Zulassung, die Läden sind voll mit allen Gütern, auch mit sehr hochpreisigen. Es ist also eine Menge Geld im Lande vorhanden, doch es ist ungleich verteilt und wird zum Teil falsch investiert, nämlich nach Mustern, die noch vor ein paar Jahren sinnvoll waren, heute aber nicht mehr.

Verteilung ist eine Sache, die von der Regierung gesteuert werden kann und ein Ding, gegen das protestiert werden kann - und das tun die Leute in Wirklichkeit auch, die hohe Preise sind eher ein Vorwand, der man an der Oberfläche sieht (siehe die youtube-Videos über Redeyef).
Die falsche Investition ist dagegen eine Sache, die an den Leuten selbst liegt - ich kenne mittlerweile nicht wenige, die mit ihrem Geld oder einem Kredit z.B. Appartments gebaut haben, diese aber wegen des wahnsinnigen Überangebotes so gut wie immer leerstehen haben und sich deshalb in Geldproblemen befinden.
Posted By: LOE090126

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 13/06/2008 12:44

 Antwort auf:
Von jemandem, der in Tunesien lebt, hätte ich etwas mehr Mitgefühl und vor allem Interesse an den dort lebenden Menschen und ihren Problemen erwartet. (und ja, Karsten ich meine dich)

Ich glaube, wir kennen uns noch nicht, das möchte ich aber unbedingt nachholen!

Herzlich Willkommen und Glückwunsch zur Mitgliedschaft in meinem Fanclub! Meine Schwesternschaft-Gemeinde wird immer größer!

Leider habe ich keine Zeit, mich um die Sorgen der tunesischen Bevölkerung zu kümmern, sowie ich mich auch nicht um die selbigen der deutschen Bevölkerung interessiere.
Wenn du dich intensiv mit meiner Person/Leben/Arbeit beschäftigt hättest, dann wärst du sicherlich darauf gestoßen, das ich nicht im Auftrag einer Hilfsorganisation in Tunesien bin und auch nicht im Moment vorhabe eine solche zu Gründen!
Ich verrate dir ein kleines Geheimnis (aber nicht weitersagen!): hier in Zarzis haben wir eine Behindertenschule (mit einer kl. Werkstatt) zur Tagesbetreuung von körperlich und geistig behinderten Kindern und Jugendlichen! An diese Schule zahle ich regelmäßig einen freiwilligen Spendenbetrag aus erwirschafteten Tourismus-Einnahmen! Zusätzlich sammeln wir seit 4Jahren hier Plastikflaschen (1Kilo=0,300TnD) am Strand und Umgebung und spenden den Betrag an diese Schule, egoistisch wie ich bin, natürlich abzüglich entstandener Transportkosten! Ich erhalte und zahle keine Beraterhonorare aus den Spendengeldern!

PS: ich nehme gerne freiwillige Spenden entgegen, für diese es sogar eine offizielle Spendenquittung gibt!
Mein Vorschlag an alle Tunesienurlauber hier im Club, pro Aufenthaltstag hier im Lande = 1Dinar/0,55Euro zu zahlen oder 3Kilo Plastik sammeln!

Auch wenn ich hier vom eigentlichen Thema abgewichen bin, sende ich euch allen ganz

LG aus sudTN von Karsten
Posted By: Nishba

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 13/06/2008 13:27

@Karsten :


Leider widersprichst du dir in fast jedem Satz selbst. Zynismus und Sarkasmus sind erst dann richtig schön, wenn niemand es als solche erkennt.

Leider nur heiße Luft.

Nishba
Posted By: LOE090126

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 13/06/2008 13:54

Liebe Nishba,

Menno! Das ist jetzt aber ganz schön unfies von dir! Jetzt bin ich voll fertig, ich dachte immer der Held hier zu sein und da kommst du und machst mich so nieder! Jetzt weiss ich, was mir die ganze Zeit gefehlt hat, eine die mich kennt und in meine Schranken verweist! Danke und

LG aus sudTN von Karsten

PS: jetzt bekommt die Thema-Überschrift ihre ursprüngliche Bedeutung zurück!
Posted By: Nishba

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 13/06/2008 14:55

also eigentlich würde ich noch dazu aber irgendwie ist mir das auch zu und ich verabschiede mich
Posted By: Tunesienforum

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 15/06/2008 16:43

..Was passiert da gerade in Redeyef? Ist es wirklich so wie T7 berichtet und die Leute in Gafsa einfach nur irre und geil auf Krieg sind???

Nein man glaubt das nicht... Augenzeugen berichten, Live mit angeschaut hier die Infos was sich wirklich in den vergangenen 2 Wochen in Redeyef abspielte:

(ca.) 35 Menschen verloren ihr Leben, es waren auch junge Männer dabei, welche sich gegen die Polizei wehrten, 2 Freunde und Bekannte von diesen Augenzeugen .. jetzt sind sie tot...Erschossen, weil sie sich gegen die Polizei gewehrt haben...gegen die ungerechte Behandlung der Leute in Redeyef.

Gafsa ist eine schwierige "Stadt"...der Präsident war laut Infos nie dort...die Leute sind stolz aus Gafsa zu sein.
Wie konnte es soweit kommen???? Es gibt viele Spekulationen...Doch es gibt nur eine Wahrheit... Die Augenzeugen haben sich schlau gemacht und auch viel erfahren. Redeyef und Moulares leben seit Jahren gut von dem Phosphatabbau. Damals war es so, wenn der Vater dort gearbeitet hat und in Rente ging, folgte ihm einer seiner Söhne oder Töchter, somit war das Einkommen der Familie gesichert und die Menschen in der Region hatten nicht zu klagen. Doch das hat sich geändert. "Jemand" hat Leute aus Sousse und Sidi Bouzid geschickt, um dort in Redeyef am Phosphat zu arbeiten und somit Arbeitsplätze entzogen. Warum tut dieser jemand das? (Wir nennen mit Absicht keinen Namen, auch wenn wahrscheinlich jeder weiß, wen wir mit jemand meinen). Warum nimmt er den Menschen aus Redeyef die sichere Arbeit und das sichere Einkommen weg? Ist es die Antisympathie gegenüber Gafsa? Wir denken, dass spielt eine große Rolle.
Also...ist es da ein Wunder, dass sich die Menschen in Redeyef währen? Wir würden es genauso machen!
Wie haben wir es erlebt? Die Menschen sind Tag für Tag auf die Straße gegangen um zu protestieren, um dies zu unterbinden wurden Massen (und damit meinen wir wirklich Massen, wir haben es gesehen), an Polizisten aus ganz Tunesien geschickt. Ganz bewusst Polizisten aus Tunis, Sousse etc. klar oder? Was machen diese Polizisten? Nein, sie versuchen nicht wie der Freund und Helfer alles in Ruhe zu schlichten. Sie sind es, die alles in Redeyef zerstört haben. Hanouts , Internetcafes etc zerstört haben. Wir sind uns da ganz sicher auch wenn wir das nicht gesehen haben, denn warum sollten die Einwohner Redeyefs ihr eigenes Hab und Gut zerstören? Und das da was nicht ganz richtig ist haben wir am eigenen Leib erlebt und erfahren müssen. Uns (Touristen) wurde beinahe die Kamera entzogen, weil wir gefilmt haben, wie die Polizei einen armen, älteren Mann mit seinem Esel am Wagen festnehmen wollten. Sie haben auf ihn eingetreten! Und das haben wir gesehen.
Die Menschen dort wurden behandelt wie Schwerterroristen. Die ganze Stadt stank nach so einem Gas und weil die Polizei das alles nicht unter Kontrolle bekam wurde eben geschossen. Wie schon erwähnt, an die 35 Menschen kamen dabei ums Leben, nicht wie Tunis 7 berichtet hat 2 o.5 Menschen erschossen wurden, nein es waren bei weitem mehr. Klar will man einiges vertuschen, dies kennt keiner anders von Tunesien. Nicht umsonst hat der jemand schon einmal für einen Tag den Fernsehsender Al Jazeera sperren lassen.
Es werden Menschen bereits gesucht, die dies gefilmt haben, weil man so die Wahrheit ans Licht bringen möchte. Hauptsache man findet diese Menschen nicht. Wer auf http://www.youtube.com das Stichwort Redeyef oder Redeyef blessé eingibt wird einiges zu sehen bekommen und genau das ist leider die traurige Wahrheit. Da wäre noch die Sache mit den vermissten Personen, täglich verschwinden in Redeyef Leute und keiner weiß wo sie wirklich sind. Abends, wenn es dunkel wird, wird auch die Polizei aktiv, sie schleichen um die Häuser und wenn sie jemanden auf der Straße finden, wird dieser festgenommen mit der Begründung er habe Sachen in der Stadt demoliert, den Präsidenten beleidigt und die Polizei mit Sand beworfen. Auch das haben wir selbst miterlebt. Die Polizei klopfte wie wild an die Haustür, wo die Augenzeugen sich befanden. Alle die eine tunesische Staatsbürgerschaft hatten, schliefen 3 Nächte lang draußen, außerhalb der Stadt, falls die Polizei ins Haus kommt das keiner festgenommen wird. Wir haben Angst um diese Menschen dort und leider sehen es die eigenen Landleute aus anderen Städten, als ganz normal an, oder es wird als Harmlos bezeichnet. Genauso soll eine alte Frau entblößt worden sein, zum Glück blieb uns diese Erfahrung oder Anblick erspart, ob wir hier ruhig zu geschaut hätten, wir denken nicht.
Ein Krimifilm, so sieht es dort aus und so ist die Lage, an jeder Ecke findet man Polizei oder die Grande Nationale sogar das Militär ist angerückt mit Panzern und Autos, die man sonst nur im Krieg findet. Sie sind dazu da, um zu helfen. Den Streit zwischen der Polizei, dem Staat und den Einwohnern von Redeyef zu schlichten, sodass endlich wieder Ruhe einkehrt. Diese wird jedoch erst einkehren, wenn endlich wieder Gerechtigkeit herrscht. Wenn es für die Leute aus Redeyef nicht schon zu spät ist, einige haben ihre Stadt schon aufgegeben.

Bitte habt alle Verständnis das wir Augenzeugen als anonym hier auftreten, denn wir wissen das auch wir Probleme bekommen könnten, wir wissen das es für die tunesischen Menschen in diesen Städten sehr schwer ist und wir wissen aber auch, das dies die Realität und die Wahrheit ist, denn Augenzeuge heißt: mit eigenem Auge gesehen und leider miterlebt.

http://www.youtube.com/results?search_query=redeyef&search_type=&aq=f

http://www.dailymotion.com/videos/relevance/search/redeyef

http://www.youtube.com/watch?v=6D_S_HekFKw

Fotos / Videos Lügen nicht.

Von den Augenzeugen
Posted By: barfor

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 17/06/2008 02:22

Hi Karsten,
habe gerade Deinen Beitrag gelesen.
Ich denke von großen Aufständen der Bevölkerung kann man weniger ausgehen.
Fakt ist jedoch, daß man von höheren Grundlebensmittelpreisen langfristig ausgehen muß, da sich die Öl- und Weizenpreise weltweit eklatant erhöht haben.
Habe von einigen Leuten gehört, daß das Pferdefutter (Weizen u.a.) ebenso Brot im Süden knapp wird.
Kannst Du das bestätigen?
LG barfor
Posted By: barfor

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 17/06/2008 02:33

Deinem Beitrag kann ich voll zustimmen!!
Gruß barfor
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 28/06/2008 11:40

Heftige soziale Unruhen in Tunesien und Marokko: Tote im Phosphatrevier von Gafsa und in Sidi Ifni

„Beinahe zeitgleich kam es am vergangenen Freitag und am Wochenende in „peripheren“ Gebieten Tunesiens und Marokkos zu heftigen sozialen Unruhen. In beiden Fällen gab es (mutma ßlich) Tote. Und in beiden Fällen steht die Arbeitslosigkeit, darunter jene von Hochschul abgängern – der inzwischen in diesen Ländern zum eigenen Begriff gewordenen ‚chômeurs diplômés' (Erwerblosen mit Universitätsabschluss) -, und die Perspektivlosigkeit von weiten Teilen der Jugend im Hintergrund…“ Artikel von Bernard Schmid vom 10.6.08 mit Bildern von Attac Marokko

http://www.labournet.de/internationales/ma/unruhen0608.html
Posted By: Uwe Wassenberg

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 28/06/2008 16:03

 Original geschrieben von: Claudia Poser

.... Und in beiden Fällen steht die Arbeitslosigkeit, darunter jene von Hochschul abgängern – der inzwischen in diesen Ländern zum eigenen Begriff gewordenen ‚chômeurs diplômés' (Erwerblosen mit Universitätsabschluss) ...

Da kann ich, bzw. meine Freundin, ein Lied von singen.
Uni in Tunis war im Frühjahr 2005 beendet. Früheste Möglichkeit für Sie, einen Job zu bekommen im Jahre 2010, da zur Zeit der Abschlussjahrgang 2003 Stellen zugeteilt bekommt.

Ich kann mich entsinnen, dass wir auch mal so ein Problem in Deutschland hatten und unheimlich viel "studierte Diplom-Taxifahrer" in der Stadt rumfahren hatten.
Posted By: LOE090305

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 07/07/2008 21:28

Wir waren letzte Woche im Carrefour in Tunis. Dort sah ich bei einem Imbißstand einen Stellenaushang (übersetzt): Kassierer und Servicekraft gesucht, Schulabschluß: Abitur + 2 Jahre Studium!!!!

Für diese Stelle dürfte ich mich gar nicht bewerben, habe nur Mittlere Reife....
Posted By: Uwe Wassenberg

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 11/07/2008 23:40

Heute in der TAZ gefunden, ein interessanter und ausführlicher Artikel:

Aufstand in Gafsa
Im Phosphatrevier Tunesiens wird der autoritäre Staat herausgefordert von Karine Gantin und Omeyya Seddik
Die Frauen von Redeyef waren empört: "Sollen sie die Stadt doch haben, wenn sie unbedingt wollen!" Am 7. Mai 2008 packten zahlreiche Einwohner der Stadt im Bergbaugebiet von Gafsa das Nötigste zusammen und brachen auf.

Dieser kollektive Exodus war ein Protest gegen die Besetzung von Redeyef durch die Polizei. Die Behörden hatten allerdings schon eine Warnung ausgesprochen: Wer bis in die Berge - in Richtung Algerien - fahren sollte, werde wegen Hochverrats angeklagt. So war es bereits den Einwohnern eines Nachbarorts ergangen, die einige Wochen zuvor politisches Asyl im Nachbarland beantragt hatten. Der Treck aus Redeyef ließ sich dann doch noch von einer Verhandlungsdelegation zur Umkehr bewegen. Nach einigem Hin und Her hatten die Vertreter der lokalen Obrigkeit sich mit dem Argument durchgesetzt, dass der Kampf doch weitergehen müsse.

Das Bergbaugebiet von Gafsa, 400 Kilometer südwestlich von Tunis, ist ein Zentrum der Arbeiterbewegung. Immer wieder war es dort zu Rebellionen gekommen.(1) Die jüngsten Aktionen sind ein zorniges, solidarisches und stolzes Aufbegehren gegen die Strategie der Regierung, die Stadt durch Schikanen der Polizei und eine gesteuerte Pressekampagne in die Knie zu zwingen.

Der Konflikt hatte am 5. Januar 2008 begonnen, als die Bergbaugesellschaft Compagnie des Phosphates de Gafsa (CPG), der einzige große Arbeitgeber der Region, ihre Neueinstellungen bekannt gab. Die Bevölkerung unterstellte Manipulationen bei der Auswahl der Beschäftigten. Als jugendliche Arbeitslose aus Protest das Regionalbüro der Einheitsgewerkschaft UGTT in Redeyef besetzten, erhielten sie Unterstützung durch die Witwen von Bergleuten und deren Familien, die vor dem Gebäude ein Zeltlager aufschlugen. Rasch griff die Bewegung weiter um sich. Immer neue Gruppen von Arbeitern, Arbeitslosen, Schülern und normalen Einwohnern riefen zu Streiks auf und organisierten weitere Kundgebungen und Protestaktionen gegen die allgegenwärtige Korruption und Günstlingswirtschaft in der lokalen Verwaltung wie gegen die Ungerechtigkeiten in der Arbeitsmarktpolitik. Und das alles vor dem Hintergrund der großen Armut, die in der Region herrscht, und der jüngsten drastischen Preissteigerungen.

Das nahe der algerischen Grenze gelegene Redeyef lebt wie die anderen Städte der Bergbauregion um Gafsa (Oum Laarayes, Metlaoui, El Mdhilla) seit jeher unter der Fuchtel der Compagnie des Phosphates de Gafsa (CPG). Das Unternehmen war 1897 gegründet worden, nachdem Philippe Thomas (Veterinärmediziner, Amateurgeologe und Leiter einer landwirtschaftlichen Strafkolonie) die Phosphatvorkommen in der Umgebung von Gafsa entdeckt hatte.

Die Ausbeutung der Bodenschätze erfolgte von Anfang an mit den klassischen Kolonialmethoden.(2 )Dazu gehören die rücksichtslose Landnahme durch Enteignung der ansässigen Bevölkerung, die Ausbeutung der Vorkommen ohne Rücksicht auf Menschenleben und unter enormer Belastung der Umwelt; die Einführung eines Systems von Günstlingswirtschaft, das auf pseudotraditionellen Familien- und Clanstrukturen basiert.(3)

Fast alle diese kolonialen Methoden werden auch heute noch in leicht veränderter Form weitergeführt. Die CPG, die 1996 mit dem Unternehmen CGT (Groupement chimique tunisien) fusionierte, ist bis heute der wichtigste Arbeitgeber in der Region. In den letzten 25 Jahren wurde die Produktion modernisiert und der Untertagebergbau schrittweise zugunsten des Tagebaus aufgegeben, was zu besseren Arbeitsbedingungen und weniger tödlichen Arbeitsunfällen führte.

Aber diese Modernisierung führte zugleich zur Entlassung von drei Vierteln der Belegschaft. Heute sind nur noch 5 000 Menschen direkt bei CPG angestellt. Um ihre Arbeitsverträge und Arbeitsbedingungen beneidet man sie in einer Region, in der die Arbeitslosigkeit bei fast 30 Prozent der Erwerbsbevölkerung und damit doppelt so hoch liegt wie im Landesdurchschnitt (wobei die offiziellen Zahlen auch hier umstritten sind). Allerdings gruppieren sich um das Großunternehmen zahlreiche Subunternehmen, deren Mitarbeiter keine arbeitsrechtliche und soziale Absicherung haben und deutlich unterbezahlt sind. Weitere Arbeitsplätze bieten lediglich kleine Handelsfirmen, die vor allem Geschäfte mit Algerien machen. Viele wollen deshalb auf der anderen Seite des Mittelmeers Arbeit suchen und setzen dafür ihr Leben aufs Spiel. Andere ziehen in die Armenviertel am Rande der Städte, die an der Küste, dem florierenden Teil Tunesiens liegen.

Eine sterbende Industrie und eine korrupte Gewerkschaft

Wer die 5 000 Arbeitsplätze bei CPG und die Gelder für Umschulungsprogramme erhält, regelt das Unternehmen in enger Zusammenarbeit mit den regionalen Vertretern der Gewerkschaft UGTT. Bis vor einigen Jahren profitierte die Region von ihrem bescheidenen Anteil an dem gewaltigen Reichtum, den die Phosphatindustrie hervorbrachte. Dabei sorgten die Vertreter der Einheitsgewerkschaft und der Regierungspartei RCD (Rassemblement constitutionnel démocratique) für die heikle Balance zwischen den Ansprüchen der diversen Familien und Sippen, wobei sie zugleich als Repräsentanten oder Vermittler für die großen Stämme in der Region, also die Ouled Abid und die Ouled Bouyahia, agierten. Doch obwohl der Phosphatpreis auf den internationalen Märkten immer neue Rekordhöhen erreichte, gab es in der Region immer weniger zu verteilen. Auch weil die Korruption zur Regel wurde, wuchs die Unzufriedenheit. Inzwischen ist die regionale UGTT nur noch die Zentralverwaltung einer parasitären Oligarchie, die sich darauf beschränkt, die letzten Brosamen vom Tisch der Phosphatindustrie an ihre engsten Verwandten und Freunde zu verteilen. In den Augen der Bevölkerung sind diese Funktionäre die Vertreter einer ungerechten, fremden Macht.

"Wir Bergleute begehen niemals Unrecht, aber wenn man uns Unrecht tut, dann " - und es folgt ein drastischer Fluch. Das Ganze steht auf dem Transparent in Redeyef. Seit Januar folgten auf die Demonstrationen von Arbeitslosen und Hochschulabsolventen ohne Berufsaussichten Streiks und Besetzungsaktionen, an denen sich alle Schichten der Bevölkerung beteiligten. Es gab Sitzblockaden von Familien, deren Angehörige im Bergwerk zu Tode kamen oder zu Invaliden wurden, und Proteste entlassener Arbeiter. Die Kundgebungen von Müttern, deren Söhne (oder Ehemänner) nach den ersten Demonstrationen verhaftet worden waren, mündeten in einen Generalstreik, an dem sogar die Einzelhändler teilnahmen.

Nachts bewegen sich die Jugendlichen in kleinen Gruppen durch die Straßen, um die Bewohner zu beschützen. Wenn sie losziehen, schleudern sie Steine gegen die Stahlträger einer Brücke. Das nennen sie ihre "Kriegstrommeln" - in Anspielung auf die wehrhaften Stammestraditionen. Sie sind bereit, es mit der Polizei aufzunehmen - oder auch nur, ihr die Verpflegung zu stehlen, um die belegten Brote im eigenen Lager zu verteilen. Überall spürt man unter den Einwohnern einen beeindruckenden Zusammenhalt, den die Ordnungskräfte nicht aufbrechen können. Trotz des Schweigens der staatlich kontrollierten Medien hat sich der Aufstand in dieser entlegenen Region mittlerweile zur machtvollsten und hartnäckigsten sozialen Bewegung in der jüngeren Geschichte Tunesiens entwickelt.

Das Regime setzte zunächst auf immer brutalere Repression durch die Polizei, die zwei Menschenleben kostete, während dutzende Demonstranten verletzt und festgenommen wurden. Im Juni wurde der Belagerungsring um die Bergbauregion dann sogar durch Panzereinheiten der Armee verstärkt. Diese Eskalation der staatlichen Gewalt führt dazu, dass statt mit Tränengasgranaten mit scharfer Munition geschossen wird, dass immer mehr Jugendliche in Verhörzellen und in Untersuchungshaft landen und dass das Militär die umliegenden Berge durchkämmt, um Flüchtige aufzugreifen, die der Folter entkommen wollen.

Einige Gruppen von Jugendlichen wurden bereits abgeurteilt, wobei die Gerichtsverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Die verhängten Strafen fielen höchst unterschiedlich aus. Die Opposition in Tunis, aber auch Unterstützergruppen im Ausland (in Nantes, wo viele Emigranten aus Redeyef leben, in Paris oder auch in Mailand) sind sehr bemüht, die Nachrichtensperre zu durchbrechen.(3) Aber es fällt schwer, den Widerstand zu organisieren. Die Zivilgesellschaft Tunesiens ist politisch geschwächt, sie stand über viele Jahre unter dem Druck eines extrem repressiven Regimes und konnte so keine großen Solidaritätsbekundungen zustande bringen. Die Machthaber ignorieren die Ereignisse oder bezeichnen sie als das Werk "aufrührerischer Elemente". Vielleicht konnte deshalb der Aufstand nicht auf andere Regionen übergreifen, ausgenommen die Stadt Fériana in der benachbarten Provinz Kasserine.

In Redeyef hat die Protestbewegung inzwischen das Alltagsleben auf den Kopf gestellt. Nachdem die aufständischen Bürger die UGTT-Zentrale in der Stadtmitte, direkt neben der Provinzverwaltung, besetzt hatten, machten sie das Gewerkschaftsgebäude zu ihrem Hauptquartier. Die UGTT wollte das verhindern und ließ neue Vorhängeschlösser anbringen, aber die Bürger eroberten das Gebäude ein zweites Mal. Im Erdgeschoss, wo auch die Versammlungen stattfinden, gibt es ein Café, das heute als eine Art permanente Agora fungiert. Auf dessen großer Terrasse versammelt sich das Publikum, wenn einer der Streikführer vom Balkon im ersten Stock herab eine Rede hält. Zu den Versammlungen erscheinen auffällig viele Frauen.

Gleich gegenüber gibt es einen Stand, an dem die Flugschriften und Zeitungen der Opposition ausliegen. Bis Juni hatte dort Boubaker Ben Boubaker seinen Gemüsestand. Der arbeitslose Akademiker mit dem Spitznamen "der Chauffeur" war durch einen ironischen Brief an den Bildungsminister populär geworden, in dem er Vorschläge zur Lösung des Arbeitslosenproblems machte. Daraufhin zerlegte die Polizei seine Marktbude und verwüstete auch seine Wohnung. Wie andere Oppositionelle ist auch er in die Berge geflohen.

Hoffnung auf einen Flächenbrand

Adnane Hajji sagt beschwörend: "Wir brauchen einen Erfolg. Die Leute müssen sehen, dass der friedliche Widerstand nicht vergeblich ist, sonst gibt es eine Katastrophe " Hajji ist Generalsekretär der Lehrergewerkschaft in Redeyef und eine charismatische Führungsfigur der Bewegung. Ihm und einigen Mitstreitern ist es zu verdanken, dass die Bewegung trotz der Rivalitäten zwischen unterschiedlichen Clans noch geeint auftritt. Der Gewerkschafter genießt großes Ansehen, sogar bei den Hausfrauen und den Jugendlichen. Er weiß wohl, dass alle große Träume haben, dass aber jeder Versuch, diese Entwicklung zu stoppen, unkontrollierbare Folgen haben könnte. In der Nacht auf den 21. Juni wurde auch Adnane Hajji in seiner Wohnung verhaftet. Nach den anderen Mitglieder der Führungsgruppe läuft eine große Fahndung.

Adnane Hajji glaubt immer noch, dass sich die Probleme auf regionaler Ebene lösen lassen. Natürlich ist nicht zu übersehen, dass seit dem Beginn der Bewegung die Wahlplakate mit dem Aufdruck "Ben Ali 2009" (die für die Wiederwahl des Staatspräsidenten werben) häufig von Einwohnern abgerissen oder mit ironischen Kommentaren ("Ben Ali 2080" oder "Ben Ali 2500") versehen wurden. Aber vor Versammlungen und Kundgebungen werden die politischen Aktivisten gebeten, ihre Beteiligung nicht per Plakat anzukündigen.

Die Menschen im Bergbaugebiet von Gafsa sehen derzeit keine Chancen für eine baldige Veränderung an der Spitze des Staatsapparats.(4) Nur eine mächtige nationale und internationale Solidaritätskampagne oder die Ausweitung ihres Aufstands auf andere Regionen Tunesiens könnte ihre Probleme einer Lösung näher bringen.

Darum fordert die Bewegung vorerst ein Ende der Repression und ehrliche Verhandlungen über die Beendigung der Krise. Sie verlangt die Rücknahme der Einstellungslisten der CPG, die sie für manipuliert hält, sowie ein Programm für die Beschäftigung arbeitsloser Akademiker, eine staatliche Initiative für die Ansiedlung neuer großer Industriebetriebe, die Beachtung internationaler Standards in Umweltfragen, bessere staatliche Leistungen auch für die Armen in den Bereichen Wasser- und Stromversorgung, Bildung, Gesundheitswesen. Als Motto für dieses Programm hat sie ausgegeben: "Entschlossenheit und Würde".

Fußnoten:
(1) Über den Bergarbeiterstreik vom März 1937 und dessen brutale Niederschlagung, die 17 Bergleute das Leben kostete, hat Simone Weil einen sehr lesenswerten Text geschrieben; in: Simone Weil, "Écrits historiques et politiques", Paris (Gallimard) 1960. Sie greift darin auch die damalige Volksfront an, der sie vorwirft, bei ihrem Eintreten für die Arbeiterklasse die Augen vor den Verbrechen gegen Arbeiter in den Kolonien zu verschließen. Zwei Jahre nach den großen Streiks von 1978 kam es zu den "Vorfällen von Gafsa" - die Region war damals Ausgangspunkt einer Bewegung zum Sturz des Staatspräsidenten. Siehe Khemmaïs Chammari, "L'alerte tunisienne", Le Monde diplomatique, März 1980.
(2) Siehe Paul Vigné d'Octon, "La sueur du Burnous", Paris (Éditions La Guerre Sociale) 1911, Neuausgabe Paris (Les Nuits Rouges) 2001. Der Autor, Parlamentsabgeordneter aus dem Département L'Hérault, wurde in der 3. Republik zum Berichterstatter des Parlaments über die Lage in den Kolonien.
(3) Informationen in deutscher Sprache zu den Arbeitskämpfen in Tunesien unter: http://www.labournet.de/internationales/tn .
(4) Über das Regime von Präsident El-Abidine Ben Ali siehe Kamel Labidi, "La longue descente aux enfers de la Tunisie", Le Monde diplomatique, März 2006.

Aus dem Französischen von Edgar Peinelt
Karine Gantin ist Journalist und Mitglied der Fédération des Tunisiens pour une citoyenneté des deux rives (FTCR); Omeyya Seddik hat die Auseinandersetzungen im Mai vor Ort verfolgt.

Link zum Originalartikel in der TAZ
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Ausschreitungen in Tunesien weiten sich aus - 12/07/2008 09:56

Uwe es ist Wahnsinn was dort läuft und ich bin gespant wie dieses Problem gelöste wird. Ich hoffe friedlich.

Claudia
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