forum.tunesien.com

Kontrolleure auf der Lauer

Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Kontrolleure auf der Lauer - 09/06/2005 05:11

Kontrolleure auf der Lauer

Tunesien:
Presse im Dienste des Staatspräsidenten. Keine Chance für unabhängige Medien

Sihem Bensedrine (IPS), Tunis 10.05.2005

In Tunesien läßt die von Staatspräsident Zine el-Abidine Ben Ali und der Regierungspartei Rassemblement Constitutionnel Démocratique (RDC) unermüdlich propagierte Medienvielfalt auf sich warten. In dem nordafrikanischen Land, dem Gastgeber der vom 16. bis 18. November in Tunis stattfindenden Gipfelkonferenz der Informationsgesellschaft (WSIS), unterliegen die Medien der staatlichen Kontrolle. Wer hier ein freies Wort riskiert, muß teuer dafür bezahlen.

Haft für Andersdenkende

Junge Internetsurfer aus Zarzis etwa, die eine Internetseite über Rüstung besucht hatten, wurden zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Eine Anklage wegen Terrorismus und eine Gefängnisstrafe von 30 Jahren handelten sich Jugendliche aus L'Ariana ein. Als einziger Beweis dienten der Anklage Aufzeichnungen über den Austausch von Informationen über Palästina. Ein weiteres Beispiel: Der Anwalt Mohamed Abbou kritisierte, daß Staatspräsident Ben Ali Israels Ministerpräsident Ariel Scharon zur Gipfelkonferenz der Informationsgesellschaft eingeladen hatte. Ende April wurde der 39jährige Jurist zu einer Gefängnisstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt. Er hatte seinen kritischen Kommentar auf der in Tunesien zensierten Internetseite Tunisnews veröffentlicht.

Der Prozeß gegen Abbou war demonstrativ schlampig vorbereitet. Gesetze blieben unbeachtet, und die Richter versuchten nicht einmal zu verbergen, daß es darum ging, »politische Rechnungen mit Regimegegnern zu begleichen«, wie Anwalt Raouf Ayadi kritisierte. Ayadi belegte seine Kritik mit dem Verweis auf zahlreiche Verfahrensfehler. So wurde die Vernehmung vordatiert, auf einem medizinischen Gutachten fehlte die Unterschrift, Beweisanträge der Verteidigung und die Vorladung von Entlastungszeugen wurden abgelehnt und Verteidigungsplädoyers kurzerhand mit dem Hinweis abgebrochen, es sei schon alles gesagt.

Die Medienlandschaft Tunesiens ist in einem beklagenswerten Zustand. Nie zuvor seit seiner Unabhängigkeit hat es im Land so wenig Pressefreiheit gegeben wie heute. Aber nicht die staatliche Presse hat sie auf dem Gewissen, sondern vor allem Produkte der sogenannten freien Presse, die vom Innenministerium finanziert und von Beamten des Ministeriums dirigiert werden. Diese medialen Sumpfblüten sind auf Desinformation spezialisiert. Sie verbreiten Falschmeldungen, diffamieren politische Gegner, verdrehen Tatsachen und loben in den höchsten Tönen das »Werk des Wandels, um das die Nachbarländer Tunesien beneiden«.

In der Tat ist es Ben Ali gelungen, Tunesiens Medienlandschaft ohne administrative oder gesetzliche Eingriffe zu beherrschen. Ihm genügen die aus staatlichen Mitteln gespeiste Propaganda sowie der heiße Draht zu dem gefürchteten Berater im Ministerrang und Oberzensor Abdelwahab Abdallah und den von ihm kontrollierten Redaktionen. Der politischen Opposition sind nur zwei der 300 in Tunesien erscheinenden Zeitungen zuzurechnen, Al Mawkif und Attariq Al Jadid. Sie erhalten weder öffentliche Mittel noch Werbeeinnahmen. Die amtliche Propagandabehörde ATCE entscheidet über die Vergabe von Subventionen. Wenn Firmen keine steuerlichen Nachteile oder andere Repressalien riskieren wollen, schalten sie ihre Anzeigen nur in Publikationen, die ATCE genehm sind.

Willfähriges Parlament

Ähnlich sieht es im elektronischen Bereich aus: Der Staat und der Propagandaapparat des Präsidenten monopolisieren Tunesiens Rundfunk. Mit zwei Ausnahmen: Der private Rundfunksender Radio Mosaïque besitzt seit vergangenem November eine Sendelizenz. Sie wurde an einen undurchsichtigen, dem Innenministerium nahestehenden Journalisten vergeben. Der zweite private Radiosender gehört Ben Alis Schwager. Die Lizenz zum Betreiben des privaten TV-Senders Hannibal wurde zu ähnlich undurchsichtigen Bedingungen an eine Person aus dem Umfeld von Tunesiens First Lady Leila Ben Ali vergeben. Das Parlament stimmte seiner Finanzierung durch die Staatskasse zu. Es hat seit Ben Alis Amtsübernahme 1987 noch jedes Gesetz und jede Verordnung der Regierung abgesegnet.



Source: http://www.jungewelt.de/2005/05-10/009.php
Posted By: Anonym

Re: Kontrolleure auf der Lauer - 09/06/2005 06:30

...da haben wir´s ja wieder... [Schüchtern] [hammer]

Danke Claudia für den interessanten Beitrag [daumen]
Posted By: Claudia Poser-Ben Kahla

Re: Kontrolleure auf der Lauer - 09/06/2005 20:19

Bitte mal schauen was noch als Infos dazu an mich geschickt wird, ich bekomme zur Zeit sehr viele interessante Infos zum Thema.

Claudia
© 2024 Tunesienforum