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Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151708
24/11/2005 09:14
24/11/2005 09:14
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Hobi82 Offline OP
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Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis

Die Zensur der Rede von Bundespräsident Samuel Schmid am Weltinformationsgipfel in Tunis hat ein diplomatisches Nachspiel. Die Schweiz hat bei der Regierung Tunesiens formell protestiert. [sda] - Der tunesische Botschafter sei am Nachmittag ins Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zitiert worden, sagte EDA-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat auf Anfrage. Dort habe ihm Paul Fivat, Chef der Politischen Abteilung II, den Protest der Schweiz mündlich mitgeteilt.

Schmid hatte vor einer Woche am Weltinformationsgipfel in Tunis den Ehrengast Schweiz vertreten. Bei der Rede zur Eröffnung des Gipfels hatte er die Menschenrechtssituation in Tunesien mit scharfen Worten kritisiert.

Die Rede war im tunesischen Fernsehen live übertragen, bei der kritischen Passage aber unterbrochen worden. Zudem fiel im Kongresszentrum selbst die Übersetzung der Rede aus.

(Quelle: Bluewin News)

Ich finds einfach nur der absolute Hammer und die verstricken sich da ganz schön!!!

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151709
25/11/2005 01:19
25/11/2005 01:19
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Laura Offline
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Ich traue mich hier zu diesem Thema meine Meinung nicht zu sagen, da sogar hier wahrscheinlich mitgelesen wird, BIG Brother sieht und hört alles, ich habe keine Lust auf Aerger, daher schweige ich, aber es sollte schon klar sein was ich damit meine.

LG Laura

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151710
24/11/2005 15:12
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Hobi82 Offline OP
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Ich verstehe dich voll und ganz, finde es aber auch sehr schade... ist schon schlimm, dass in der Rubrik Partnerschaften die Themen von Antworten nur so überfüllt sind und dieses hier die ganze Zeit keine Reaktionen erhält??? [nixweiss1] Ich bin heute Morgen mit dieser Meldung im Radiowecker aufgewacht und ich habe mich so aufgeregt, dass der ganze Tag für mich gelaufen ist! Ich schäme mich für diese Regierung und für die arme Bevölkerung!!! [Wütend]

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151711
25/11/2005 08:21
25/11/2005 08:21
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Der Gipfel tagt in einem Schwarzen Loch des Internet
Bernard Schmid 17.11.2005

Ausgerechnet in Tunesien, wo von Informations- und Meinungsfreiheit keine Rede sein kann, tagt der Weltgipfel der Informationsgesellschaft
Welche Idee auch, einen "Weltgipfel zur Informationsgesellschaft" ausgerechnet in einem Land stattfinden zu lassen, in dem die Informations- und Meinungsfreiheit nicht einmal in Spurenelementen existieren. Vom 16. bis 18. November findet dieser Gipfel unter der Ägide der Vereinten Nationen in der tunesischen Hauptstadt Tunis statt. Doch zum ersten Mal wurden seit dem vergangenen Wochenende nicht nur einheimische Menschenrechtsaktivisten oder Oppositionelle wie die Journalistin Sihem Bensedrine oder die Anwältin Radhia Nasraoui, sondern auch ausländische Journalisten durch Schlägerbanden im Solde der tunesischen Staatsmacht körperlich attackiert. Heute wurde schließlich auch der Leiter von Reporter ohne Grenzen, Robert Menard, auf dem Flughafen in Tunis daran gehindert, das Land zu betreten, um am Weltgipfel teilzunehmen. Reporter ohne Grenzen haben Tunesien wegen derf Verfolgung von Oppositionellen, der Unterdrückung von Meinungsfreiheit und der Zensur als eines der weltweit 15 "Schwarzen Löcher des Internet" gebrandmarkt (Besuch unerwünscht).


Deshalb haben nun erstmals auch die Hauptstützen des tunesischen Regimes, die US-Administration und die französische Regierung, in den letzten Tagen offene Kritik geübt, auch wenn die Reaktion von Frankreichs Außenminister Philippe Douste-Blazy drei Tage auf sich warten ließ. Er ermahnte das Regime in Tunis am Dienstagabend, es sei "sehr wichtig, dass in Tunesien die Menschenrechte eingehalten werden"; Frankreich werde in dieser Hinsicht "sehr aufmerksam" sein, auch wenn es "keine Vorwürfe gegen die tunesischen Behörden" erheben wolle. Wie Douste-Blazy gleichzeitig erklärte, wird Paris aber weiterhin durch einen offiziellen Repräsentanten – den Staatssekretär für Industriepolitik, François Loos – auf dem Gipfel vertreten sein, der offiziell zur Bekämpfung der "digitalen Kluft" zwischen ärmeren und reicheren Ländern beitragen soll und vom tunesischen Regime zu Prestigezwecken genutzt wird.

Am Samstagabend war der französische Journalist Christophe Boltanski in Tunis zusammenschlagen worden und durch einen Messerstich verletzt worden, der das Rückgrat des Opfers nur um einen Zentimeter verfehlte. In der französischen Presse beschreibt Boltanski den auf ihn gerichteten Überfall, der auf einer Straße unter starker polizeilicher Überwachung stattfand, so:

--------------------------------------------------------------------------------

Es war (am Samstag) gegen 21.30 Uhr. Ich ging zu meinem Hotel zurück. Ich war 40 Meter vorher an einem Polizeiposten vorbei gegangen, da stürzten sich zwei Personen auf mich. Zwei weitere Männer kamen zum gleichen Zeitpunkt von hinten herbei gerannt. Einer hat mir Tränengas ins Gesicht gespritzt, während die anderen auf mich einprügelten.

In den französischen Medien glaubt niemand an eine andere Hypothese als an die, wonach es sich um Repressalien handelte, die durch die tunesische Staatsmacht angeordnet wurden. Wenige Stunden vorher war in der Wochenendausgabe der linksliberalen Pariser Wochenzeitung Libération, für deren Redaktion Boltanski von dem Gipfel in Tunis berichten sollte, ein Artikel aus seiner Feder über die Lage der Informationsfreiheit in dem autoritär regierten Mittelmeerstaat erschienen. Boltanski hatte sich mit den sieben Prominenten aus der tunesischen Zivilgesellschaft – vorwiegend Rechtsanwälte und Ärzte – getroffen, die bereits seit dem 18. Oktober im Hungerstreik sind und die internationale Aufmerksamkeit für den Gipfel nutzen wollen, um auf die politischen Häftlinge im Land und die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen.

Mokhtar Trifi, der Vorsitzender der tunesischen Menschenrechtsliga (LTDH), die den Hungerstreik unterstützt, und die Hochschullehrerin Sana Ben Achour, die Vorsitzende des Unterstützerkomitees, waren ihrerseits beide am 8. November durch Zivilpolizisten angegriffen und zusammen geschlagen worden. Die Attacke gegen sie erfolgte unmittelbar nach dem Ende einer kleinen Kundgebung für die Hungerstreikenden, die durch uniformierte Polizeikräfte gewaltsam aufgelöst worden war.

Wie am Montag bekannt wurde, ist mittlerweile auch noch ein Kamerateam des belgischen Sender RTBF körperlich attackiert worden. Am folgenden Tag rief der französische Fernsehsender TV5 sein Drehteam aus Tunesien zurück, nachdem dieses einer lückenlosen Kontrolle durch Zivilbeamte, die ihm auf den Fersen folgten, unterworfen worden war. Im Hinblick auf den Angriff gegen den Libération-Journalisten Christophe Boltanski hat das tunesische Regime mittlerweile ein Untersuchungsverfahren eingeleitet, das von Oppositionellen sogleich als Operettenschauspiel bezeichnet wurde, etwa durch die Hochschullehrerin Khadija Cherif gegenüber der Pariser Abendzeitung Le Monde. Der Pariser Außenminister Douste-Blazy forderte die tunesischen Behörden in seiner Reaktion vom Dienstag dazu auf, man möge ihn über den Fortgang des Ermittlungsverfahrens genau unterrichtet halten.

Informationsfreiheit? Unbekannt

Ein paar Blicke in die tunesische Presse – jene, die im Land selbst und nicht nur im europäischen Exil erscheinen kann - überzeugen davon: Kritik und freie Diskussion sind hier nicht auch nur in Ansätzen vorhanden. Das Foto von Präsident Zine el-Abidine Ben Ali, der sich vom General und in den USA ausgebildeten Geheimdienstmann über den Posten als Innenminister in den 80er Jahren bis zum Staatschef hoch arbeitete, findet sich dutzendfach in den Zeitungen. Schlechtes über den Gorilla-Präsidenten zu schreiben, käme bei dieser Presse niemandem in den Sinn.

Selbst beim Internet gehört Tunesien zu den wenigen Ländern, deren Behörden das World Wide Web auf ihrem Staatsgebiet erfolgreich und auf effiziente Weise zensieren. Und das geht ganz einfach: Die Providergesellschaft gehört einer Tochter des Präsidenten. Ihre Untergebenen wachen sorgfältig darüber, auf welche Webseiten man sich von Tunesien aus einloggen kann. Zugang zu Webpages der tunesischen Opposition, die von Europa aus ins Netz geschaltet werden, würde man von Tunesien aus vergeblich suchen. Über spanische und niederländische Server konnten tunesische Emigranten in jüngster Zeit eine Kampagne "Yazi" (Es reicht) in Gang bringen, bei der sich tunesische Staatsbürger – mit unkenntlichen Gesichtern und einem Schild mit der Aufschrift "Es reicht" – fotografieren lassen und die Bilder ins Netz gestellt werden.

Die Staatsmacht schaffte es sogar, in den späten neunziger Jahren die Homepage der internationalen Menschenrechtsorganisation amnesty international zu zensieren: Auf sie konnte man von tunesischem Boden nicht gelangen, stattdessen geriet man auf eine eigens freigeschaltete Homepage von "amnesty Tunisia", auf der man sinngemäß lesen konnte, dass in Menschenrechtsfragen im Lande nun wirklich alles in bester Ordnung sei. Auf der tatsächlichen Homepage der Menschenrechtsorganisation und in ihren Jahresberichten klingt das freilich alles ganz anders: Dort ist von hundert politischen Häflingen, Folter und Misshandlungen die Rede.

Wehe dem aber, der versuchen sollte, in den Tiefen des Internet andere Dinge als die erlaubten zu suchen: Übel wird es ihm bekommen. Im Januar und März 2003 wurden mehrere Jugendliche und junge Erwachsene aus dem tunesischen Zarzis verhaftet. Ihnen wurde von der Staatsmacht vorgeworfen, sich im Internet Informationen über "terroristische Aktivitäten" beschafft und einen Anschlag mittels einer Bazooka auf einen Militärposten der tunesischen Küstenwache verabredet zu haben. Von der angeblich in ihrem Besitz befindlichen Bazooka fand sich jedoch keine Spur, ebenso wenig wie von den behaupteten Attentatsplänen.

Bei den jungen Leuten handelte es sich auch keineswegs um islamistische Aktivisten, sondern um ehemalige Teilnehmer an der Protestbewegung der Oberschüler im Jahr 2000, die aus diesem Grunde den Repräsentanten der Staatsmacht bereits ein Dorn im Auge gewesen waren. Durch unautorisiertes Surfen im Internet waren sie dann erneut "negativ aufgefallen". Sechs der unliebsamen Internetbenutzer wurden, trotz vielfacher auch internationaler Proteste, am 6. Juli 2004 in einem fingierten Prozess zu 13 Jahren verurteilt: Hamza Mahroug, Ridha Belhajj Ibrahim, Abdelghaffar Guiza, Omar Rached, Aymen Mcharek und Omar Chlendi. Ungehinderte Informationssuche im Internet kann teuer zu stehen kommen.

Eine Polizeistaatsdiktatur im arabischen "Musterländle"

Naziba Rija vom Internetmagazin Kalima (Das Wort) vergleicht die Situation der Gesellschaft unter der tunesischen Diktatur mit der Situation "einer Person, die unter inneren Blutungen leidet. Man lehnt ihre Notaufnahme im Krankenhaus ab, weil nicht offen Blut fließt", weil es nach außen hin nicht dramatisch genug aussieht.

Tatsächlich gilt Tunesien vielfach im Westen bzw. im Norden noch immer als eine Art "Musterländle" im arabischen Raum. Das liegt vor allem an den engen wirtschaftlichen Verknüpfungen und der Rolle von 5 Millionen – vorwiegend europäischer - Touristen, darunter besonders viele Franzosen, Deutsche, Schweden und Tschechen, die jährlich ins Land kommen. In aller Regel bekommen sie vom wirklichen Leben der Tunesierinnen und Tunesier nichts mit, oftmals interessieren sie sich auch gar nicht dafür, sondern genießen das Land als sonniges Billigurlaubsparadies, indem man für umgerechnet 300 Euro - außerhalb der Saison mitunter weniger – eine volle Woche verbringen kann.

Besonders aus Sicht der Europäischen Union könnte Tunesien gerade geradezu als "Musterstaat" gelten. Hat das Land doch als erster unter den südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeers bereits am 17. Juli 1995, also noch ein halbes Jahr vor der Konferenz zur "euro-mediterranen Partnerschaft" in Barcelona, ein Freihandelsabkommen mit der EU abgeschlossen. Bis zum Jahr 2010 sollen dessen Bestimmungen volle Wirksamkeit erlangen.

Wahlen in Tunesien...

Auch in politischer Hinsicht wurde (und wird) Tunesien nördlich des Mittelmeers lange Zeit als Modellfall gehandelt. Zwar ging es nicht eben demokratisch zu unter der autoritären Herrschaft der Staatspartei - früher Néo-Destour (Neue Verfassungspartei), jetzt RCD (Demokratische verfassungsmäßige Sammlung) – die übrigens noch immer Mitgliedspartei der Sozialistischen Internationalen ist, des transnationalen Zusammenschlusses sozialdemokratischer Parteien, auch wenn es insbesondere französischen Sozialisten allmählich peinlich darüber zumute wird. Aber immerhin schien es sich um ein "modernes" Regime zu handeln. Doch sehen wir genauer hin.

Am 24. Oktober 2004 fanden die letzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Tunesien statt. Dabei gewann, ohne jegliche Überraschung, der Amtsinhaber Ben Ali mit, laut offiziellen Zahlen, 94,48 Prozent der Stimmen. Man könnte dies freilich, sofern man will (wie im Pariser Elysée-Palast), als "demokratischen Fortschritt" betrachten. Denn die letzten Präsidentschaftswahlen von 1989, 1994 und 1999 gewann Ben Ali mit jeweils über 99 Prozent der Stimmen.

Andere demokratische Neuerung: Dieses Mal kandidierten noch drei andere Bewerber, die vom Verfassungsgericht zugelassen worden waren. Zwei von ihnen wurden durch Beobachter als "Blumentöpfe" bezeichnet, weil sie nur zur Dekoration da waren: Mohammed Bouchiha und Mounir Beji gehören zur erweiterten Verwandtschaft Ben Alis und verbrachten die meiste Zeit damit, die tolle Bilanz des Amtsinhabers zu loben; sie erhielten zusammen gut 4 Prozent.

Blieb der dritte. Es handelt sich um Mohammed Ali Halouani, den Vorsitzenden der Partei At-Tajdid (Die Erneuerung), einen gütig dreinblickenden Herrn mit weißem Schnurrbart, der nach offiziellen Zahlen 0,95 Prozent der Stimmen erhielt. Seine Partei ist der Überrest der früheren KP, der ein Jahrzehnt lang als offizielle Opposition von Ihro Präsidenten Gnaden überwinterte. Dafür gab es Subventionen vom Ben Ali-Regime; aber ihre "konstruktive Opposition" bedeutete, dass ihre Abgeordneten im Parlament gegen keine einzige Gesetzesvorlage der Staatspartei RCD stimmten. Kürzlich war die Partei ein wenig aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und hatte beschlossen, unter dem Namen "Initiative démocratique" zusammen mit Vertretern von Zivilgesellschaft und Menschenrechtsgruppen zur Präsidentschaftswahl anzutreten. Leider missfielen jedoch einige Äußerungen Halouanis dem Regime von Präsident Ben Ali. So wurde ihm die Viertelstunde Fernsehauftritt, auf die er Aussicht hatte, gestrichen. Auch wurden seine Plakate nie ausgeliefert und sein Wahlprogramm wurde, auf Anordnung des Innenministers, in der Druckerei blockiert. Ein Flugblatt wurde beschlagnahmt.

Dabei müssen die Zahlen nicht einmal unbedingt auf materielle Manipulationen zurückzuführen sein: Die meisten Opponenten in Tunesien sind derart eingeschüchtert, dass viele Bürger glauben, noch in der Wahlkabine von Kameras beobachtet zu werden, selbst wenn das - den Wahlbeobachtern zuliebe - nicht stimmt. Die Wahlbeteiligung betrug offiziellen Angaben zufolge 91,52 Prozent, was eher in Zweifel zu ziehen ist als die Stimmenverteilung selbst.

Praktischerweise hatte das Regime auch gleich noch die Parlamentswahlen auf denselben Sonntag angesetzt. Vorab bekannt dabei war, dass die Staatspartei RCD - der zwei von insgesamt zehn Millionen Tunesiern angehören, oft aus Gründen des Joberhalts - sich, wie immer, 80 Prozent der Sitze sichern würde. Sie strich alle 152 (von 189) Sitzen ein, die offiziell "in freier Wahl" vergeben wurden. Der Rest wird von Amts wegen auf handzahme Oppositionsparteien aufgeteilt.

Eine Opposition, die nicht mitspielt, findet sich freilich woanders wieder. Tunesien weist, mit 23.000 Gefängnisinsassen, die weltweit vierthöchste Häftlingsrate gemessen an der Bevölkerungszahl auf, hinter den USA, Russland und Südafrika. Menschenrechtsorganisationen sprechen von 600 gewaltlosen "Meinungsgefangenen", mehrere Dutzend von ihnen sitzen seit Jahren in totaler Isolation. Mit 130.000 Beamten des Innenministeriums beschäftigt Tunesien mehr Polizisten als Frankreich, das sechsmal so viel Einwohner hat.

Aus westlicher Sicht eine "Musterdemokratie"?

Dennoch scheint Tunesien aus offizieller "westlicher" Sicht der Dinge geradezu ein Musterbeispiel für "Fortschritte auf dem Weg zur Demokratisierung" darzustellen: Die von den USA zum Jahreswechsel 2003/04 lancierte "Greater Middle East"-Initiative, die mittlerweile in "Middle East Partnership Initiative" (MEPI) umbenannt worden ist und die offiziell dem Anstoßen von politischen und marktwirtschaflichen "Reformen" im Nahen und Mittleren Osten dient, hat ihr Büro in Tunis installiert.

Freilich erklärte der stellvertretende Sprecher des US-State Department, Adam Ereli, nach der jüngsten tunesischen Präsidentschaftswahl-Maskerade kryptisch seine "Besorgnis" darüber, dass "Tunesien nicht sein gesamtes Potenzial (in Sachen politischer Partizipation) genutzt" habe. Aus dem Pariser Elysée-Palast kam dagegen, erwartungsgemäß, ein Glückwunschtelegramm für den Amtsinhaber Ben Ali. Denn in der französischen politischen Klasse hat das tunesische Regime, trotz zahlreicher Menschenrechtsverletzungen gerade in jüngerer Zeit, prominente Fürsprecher. Neben Präsident Jacques Chirac etwa auch den sozialdemokratischen Pariser Oberbürgermeister, Betrand Delanoë, der selbst während der französischen Protektoratszeit in Tunis geboren wurde.

Der ehemalige Militär und in den USA ausgebildete Nachrichtendienstler Ben Ali, der später zum Innenminister aufgestiegen war, hatte am 7. November 1987 die Macht ergriffen: Er ließ seinen offiziell auf Lebenszeit amtierenden Vorgänger Habib Bourguiba kurzerhand durch die Palastärzte für amtsunfähig erklären, und erfand so den so genannten "medizinischen Staatsstreich". Unter Bourguiba hatte eine Modernisierungselite, die sich aus der einheimischen Bourgeoisie rekrutierte, das Land immerhin noch, freilich auf autoritärem Wege, "entwickelt". Diese Phase der Modernisierung von oben brachte etwa den Frauen in Tunesien schon 1956 – noch vor der Verabschiedung der Verfassung – die gesetzliche Gleichberechtigung. Seit 1965 hatten sie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, fast zehn Jahre vor ihren französischen Geschlechtsgenossinnen. Neben dem Modernisierungswillen der regierenden Elite waren diese einschneidenden Reformen damals freilich auch auf die Existenz einer kämpferischen Frauenbewegung zurückzuführen.

Heute dagegen stützt sich das Polizeistaats-Regime zu Legitimationszwecken zwar noch auf diese Errungenschaften, indem es sich darauf beruft, man müsse sie durch flächendeckende Repression gegen ihre potenzielle Bedrohung durch Islamisten verteidigen. Allerdings erstickt das Regime, während es in Lippenbekenntnissen regelmäßig "die Rechte der tunesischen Frau" zu seiner Rechtfertigung heranzieht, jede Lebensäußerung einer unabhängigen Frauenorganisation oder -bewegung im Keim - und auch sonst jeder Form von demokratischer Öffentlichkeit.

Von der einstigen Modernsierungsdiktatur unter Bourguiba ist nur noch eine halbmafiose Herrschaft zweier oder dreier großer Familienclans übrig geblieben, die sich auf die ungenierteste Weise um die materiellen Pfründe balgen.

Die Herrschaft der Familienclans

Da wäre die erweiterte Verwandtschaft von Ben Ali selbst, rund um seine zehn Brüder und Schwestern: Dieser Familienzweig ist vorwiegend im kriminellen Bereich tätig, etwa im Schmuggel- und illegalen Importgeschäft. Dagegen ist der Präsidentenbruder Moncef vor einigen Jahren in Frankreich mit seinem Drogenhändlerring, genannt "die Couscous-Connection", aufgeflogen; doch sein Sohn Sofiane ehelichte jüngst eine der Töchter des Chefs des tunesischen Unternehmerverbands Utica, Hedi Jilani.

Da wäre aber auch die für ihre besondere Gier bekannte Sippschaft seiner Frau in zweiter Ehe, Leila Trabelsi (eine ehemalige Friseuse, die Ben Ali in den 80er Jahren kennen lernte): Die Trabelsi hätten ursprünglich kein Geld, konnten sich aber seit der Vermählung des Präsidenten ein Vermögen auf Kredit aufbauen und kontrollieren etwa den einzigen privaten Radiosender im Land, die wichtigste Flug- und Hotelgesellschaft (Carthago), die Vermarktung von Computerprodukten und von Haushaltsgeräten... Und da wäre schließlich der Chiboub-Clan, angeführt von Slim Chiboub, dem Präsidenten des größten Fußballsclubs im Land und Ehemanns einer der Töchter Ben Alis aus erster Ehe. Die Chiboubs haben sich darauf spezialisiert, "Kommissionen" auf die durch die öffentliche Hand getätigten Geschäfte zu kassieren.

Und so bleiben "Politik" und Geschäft im offiziellen Tunesien heute vorwiegend eine Familienangelegenheit. Wer im Land beispielsweise im Internet surfen will, muss sich über die einzige Servergesellschaft einwählen - aber die gehört der Präsidententochter Cyrine, seinem jüngsten Spross aus erster Ehe. Jüngst ehelichte diese Präsidententochter den Sprössling einer alteingesessenen Familie der Großbourgeoisie, Marouane Mabrouk. Prompt konnten die Mabrouk sich vor kurzer Zeit die Konzession für den Vertrieb von Fiat- und von Mercedes-Fahrzeugen, der durch die Regierung soeben privatisiert wurde, unter den Nagel reißen. Eine andere, bisher öffentliche Vertriebsgesellschaft namens Ennakl, die in Tunesien die Autos von Audi und Volkswagen weiterverkauft, wurde ebenfalls privatisiert. Diese lukrative Konzession ging an den Sprössling einer Offiziersfamilie, Sofiane Matri, der vor kurzem eine 18jährige Tochter von Ben Ali und Leila Trabelsi heiratete.

Ein wirtschaftliches "Erfolgsmodell" am Mittelmeer?

Auch in Teilen der tunesischen Bourgeoisie und der Mittelschichten ballt man in kalter Wut die Faust in der Tasche über so viel hemmungslose Clanwirtschaft. Doch die anödende, repressive Stabilität des tunesischen Polizeistaats wurde bisher - neben der bleiernen Last der Repression - auch dadurch abgesichert, dass die ökonomische Situation der Tunesier im Durchschnitt gar nicht so schlecht erschien.

Zwar kennen vor allem die Randzonen Tunesiens im Süden und Westen eine deutliche Unterentwicklung. Doch gleichzeitig schien eine manifeste Massenarmut, wie viele Menschen in Algerien oder Ägypten sie durchleben, lange Zeit unbekannt. Nach offizieller (geschönter) Darstellung gehören 60 Prozent der Tunesier zu einer "breiten Mittelschicht", die als Träger politischer und sozialer Stabilität präsentiert wird. Die materielle Basis dafür lieferte vor allem das Wachstum der Textilindustrie, das insbesondere in den Jahren 1997 bis 2001 hohe Zuwachsraten kannte. Das jährliche Durchschnittseinkommen der Tunesier liegt derzeit bei 3.500 tunesischen Dinar oder 2.275 Euro und damit höher als in Marokko, Algerien (wo es seit 1990 um über ein Drittel gesunken ist und nunmehr hinter das tunesische Niveau zurückfällt) oder Ägypten.

Dennoch ist das tunesische "Modell", d.h. die Kombination aus autoritärer politischer Kontrolle plus anhaltendem Wirtschaftswachstum gleich "Stabilität", seit längerem an seine Grenzen gestoßen. Nach (höchstwahrscheinlich untertriebenen) offiziellen Zahlen sind derzeit gut 16 Prozent der tunesischen Bevölkerung arbeitslos; andere Quellen sprechen von über 20 Prozent. Dabei existieren in dem Land keine Arbeitslosengelder oder -hilfen, sondern nur punktuelle Hilfszahlungen in Gestalt von Abfindungen, die im Falle von Entlassungen durch die Sozialversicherung ausgeschüttet werden. Schlimmer: 68 Prozent der (offiziellen Angaben zufolge) Arbeitsuchenden sind jünger als 30 Jahre, und zwei Drittel von ihnen haben mindestens Abitur oder sogar Hochschulabschlüsse. Das widerspiegelt einen Arbeitsmarkt, der nicht länger aufnahmefähig ist und den jüngeren Generationen nicht mehr viel zu bieten hat.

Tunesien, das (anders als seine Nachbarn Algerien und Libyen) keine Rohölvorkommen besitzt, hat sich seit längerem auf ökonomische "Nischen" spezialisiert: Auf die aus Europa abwandernde Textilindustrie sowie auf manche Zubehör-Produktionen, wie etwa die Herstellung von Sitzbezügen für die europäische Automobil-Zuliefererindustrie. Hinzu kommen natürlich der Tourismus und die damit zusammenhängenden Dienstleistungsbranchen. Zeitweise wurde auch auf die Fertigung von elektronischen Komponenten abgestellt, doch wurde hier rasch der Konkurrenzdruck durch die "noch billigere" ostasiatische Industrie spürbar. Doch nunmehr drohen ähnliche Auswirkungen der Veränderungen in der internationalen Arbeitsteilung, die oft als "Globalisierung" bezeichnet werden, auch andere Sektoren der tunesischen Ökonomie hart zu treffen. Dabei ist das Land besonders verwundbar, weil es besonders stark von der Weltmarktbindung abhängig ist.

Tunesiens weitgehend "globalisierte" Ökonomie

Bichara Khader, der Herausgeber eines Sammelbands zur "euro-mediterranen Partnerschaft aus der Sicht des Südens" (Le partenariat euro-méditerranéen vu du Sud, Paris, Verlag L'Harmattan, 2001) hat für mehrere Länder einen "Öffnungsgrad" der jeweiligen Ökonomien dadurch errechnet, dass er die Summe der Importe und Exporte ins Verhältnis zum Bruttosozialprodukt des Landes stellt. Diese Berechnung mag vielleicht wissenschaftlichen Kategorien nicht völlig genügen, aber jedenfalls als Indiz einen gewissen Wert aufweisen.

Demnach beträgt dieser "Öffnungsgrad" für Mexiko heute 22 Prozent, hingegen für Marokko 39 Prozent und 43 Prozent für Algerien - für Tunesien aber bereits 82 Prozent. Tunesiens Binnenmarkt ist, bei zehn Millionen Einwohnern, relativ klein - vor allem aber blieb jede wirtschaftliche "Süd-Süd-Integration" aus, zugunsten einer Ausrichtung auf die Ökonomien des Nordens. 70 Prozent seines Außenhandels wickelte Tunesien zu Anfang des Jahrzehnts mit der EU ab. Sein mit Abstand größtes Nachbarland, Algerien, wiegt hingegen nach offiziellen Zahlen nur 2 Prozent der tunesischen Exporte.

Zum Jahreswechsel 2004/05 lief das "Multifaserabkommen" (Arrangement multifibres) aus, ein internationales Wirtschaftsabkommen, das den Textil-Exporteuren bis dahin bestimmte Importquoten in den "westlichen Industrieländern" garantierte. Nunmehr drohen kleinere Exportländer wie Tunesien unter die "Dampfwalze" der Massenproduktion in der VR China zu geraten. Tunesien wird nach Angaben der französischen Wirtschaftspresse zu den zehn Ländern gerechnet, die in diesem Kontext "am bedrohtesten" sind. Seit nunmehr sieben Jahre hat die Europäische Union ein Hilfsprogramm laufen, um die tunesische Textilindustrie zu modernisieren; aber fraglich ist, ob ihr das noch helfen kann, da ihr einziger Wettbewerbsvorteil bisher aus "nicht qualifizierten, aber billigen" Arbeitskräften bestand.

Nach Angaben der - tolerierten - Oppositionspartei "Front démocratique pour le travail et les libertés", die in der konservativen Pariser Tageszeitung Le Figaro vom 22.10.2004 zitiert werden, wird in Tunesien "allgemein damit gerechnet, dass ein Drittel der Textilbetriebe dicht machen müssen". Der Textilsektor entspricht bisher 50 Prozent der tunesischen Exporterlöse und 250.000 Arbeitsplätzen, das ist etwa die Hälfte der industriellen Arbeitsplätze im Land.

Und der nächste Schlag für die tunesische Ökonomie wird ab 2008 erfolgen: Dann ist das Land nämlich aufgefordert, im Rahmen des Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union, das Tunesien bereits am 17. Juli 1995 als erster südlicher Anrainerstaat des Mittelmeers abschloss, seine Zollschranken abzubauen. Bis zum Jahr 2010 soll so eine Freihandelszone zwischen der EU und ihren südlichen Nachbarn entstehen: Marokko (1996) und Algerien (2002) haben ebenfalls entsprechende Assoziierungsverträge mit der EU abgeschlossen.

Bisher hat die tunesische Ökonomie noch von den Folgewirkungen des Abkommens profitiert, da es bisher vor allem von Exporterleichterungen in Richtung EU profitierte, die die (vorübergehende?) Ansiedlung bestimmter Wirtschaftszweige im Lande erleichterten. Doch in den Jahren ab 2008 muss nun umgekehrt auch Tunesien seinen Markt öffnen und damit Schutzzölle abbauen, die bisher noch lokale Produktionen gegen die übermächtige wirtschaftliche Konkurrenz aus dem Norden abschirmten. Bisher sagt selbst die Weltbank in diesem Zusammenhang den Verlust von mindestens 100.000 Arbeitsplätzen voraus. Dann könnte es mit der viel beschworenen Stabilität in Tunesien vielleicht vorüber sein.

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151712
25/11/2005 14:27
25/11/2005 14:27
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- " Doch es gibt Augenblicke im Leben,
in denen Schweigen zur Schuld und Sprechen
zur Notwendigkeit wird. "

O.Fallaci

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151713
25/11/2005 22:10
25/11/2005 22:10
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ontheroad [daumen] So ist es gerade, ja.

Es ist einfach Notwendig geworden dass sich wenigstens die die es hier KÖNNEN auch mal AUFWACHEN und wenigstens Ihre Meinung dazu tragen. Alleine möchte man mit seiner Meinung natürlich nicht stehen, aber wenn alle FREI drüber diskutieren dann sieht es viel anders aus.

Ich habe mich dazu in einer anderen Öffentliche Seite geäußert. Hier möchte ich keine Kommentare mehr schreiben, aber wer Lust hat kann gerne Kontakt zu mir aufnehmen.

Das ist einer der Themen in der ich viel zu sagen habe. Wiederum zuviel für diesem Forum hier, leider.

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151714
26/11/2005 14:01
26/11/2005 14:01
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@Om Eya, Du traust Dich also auch nicht, HIER Deine Meinung darüber zu äußern. Lieber schreibst Du sie in einem anderen Forum, welches wahrscheinlich in TN gar nicht gelesen werden darf??? Und Du forderst die Mitglieder auf, hier ihre Meinung zu schreiben.....

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151715
29/11/2005 16:39
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Ja bitte Om Eya, mach doch den Anfang? Bzw. mach weiter, ich habs ja probiert, aber alleine zu diskutieren wird relativ schnell langweilig [Winken]

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151716
29/11/2005 20:34
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Hallo,

Zitat:
Ich habe mich dazu in einer anderen Öffentliche Seite geäußert. Hier möchte ich keine Kommentare mehr schreiben, aber wer Lust hat kann gerne Kontakt zu mir aufnehmen.
Ich denke an der ganzen Situation kann man nur dann etwas ändern, wenn man auch etwas dazu beiträgt.
Freie Meinungsäußerung und über diese Themen diskutieren wäre für uns der Anfang.
Ich stelle fast täglich aktuelle Infos dazu rein, man kann an den Protestaktionen teilnehmen und Petitionen senden.

Egal auf welcher Internetseite du deine Meinung darüber schreibst, wenn man diese lesen möchte, findet man dies auch und auch die Personen die so etwas nicht gern lesen möchten.

Es wäre nett wenn man auch hier darüber schreibt, wir sind keine Seite, welche zum Staat gehört, wenn dies so wäre, würden diese Infos und News gar nicht erst hier erscheinen.

Claudia

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151717
01/12/2005 03:17
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Vielleicht muesste man auch wieder mal erwaehnen dass die ganze Zensurtechnik aus Deutschland kommt!

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151718
01/12/2005 12:22
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fritzi Offline
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hm.. mich würde interessieren inwiefern "jemand" mitkriegt, was für seiten ich im internet anschauen will.. wäre schon interessant, von hier mal ne liste mit adressen mitzunehmen, und in tunesien dann auszuprobieren, was alles geht und was nicht. ich weiss, dass playboy.de nicht geht [Winken]
irgendwo gabs ne liste online, welche internetseiten zensiert sind...
z.B. http://www.rsf.org/article.php3?id_article=12734
noch mehr informationen über tunesien:
http://www.ifex.org/download/en/FreedomofExpressionunderSiege.doc
da gehts auch um bücher... thema bücher [Winken] die werden auch in deutschland zensiert.. ist das ok? oder nicht? (oder solls hier jetzt nur um tunesien gehen???)

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151719
01/12/2005 14:39
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@ Adrian
Das stimmt so nicht. Die Technik zur Zensur von Webinhalten stammt direkt aus Silicon Valley und wird von dort sehr erfolgreich u.a. nach Tunesien, Saudi Arabien, Lybien etc. vertrieben.

Gruß, Barra

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151720
02/12/2005 03:44
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Das System heisst "Webwasher" und wurde von Siemens entwickelt.

Spaeter der Bereich an Cyberguard verkauft, der Hauptsitz der Firma befindet sich aber immer noch in Paderborn:

http://www.webwasher.com/enterprise/company/locations/germany.html?lang=de_DE

Hier noch eine Liste der In Tunesien Zensierten Seiten:

http://www.apc.org/english/news/index.shtml?x=2492872

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151721
02/12/2005 03:54
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Wann war denn der Schmid in Tunesien?
Die Liste ist vom 17. November.

Ist http://www.swissinfo.org/ erst seit dem Besuch zensiert?

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151722
02/12/2005 21:52
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Themen in dieser Ausgabe:

1. Die EU ist kein Demokratie-Professor
Von: Stéphane Carrara, Sarah Wolff & Vanessa Witkowski

2. Journalistin Ben Sedrine

3. Die Kehrseite des Paradises

4. Infos zu Tunesien 01.12.05

5. Nordafrikas Despoten zerstören die Demokratie-Träume

6. Portraet Sihem Ben Sedrine

7. Informationsgipfel in Tunis? Das ist absurd


Nachricht: 1
Datum: Tue, 29 Nov 2005 22:57:49 +0100
Von: Stéphane Carrara, Sarah Wolff & Vanessa Witkowski
Betreff: Die EU ist kein Demokratie-Professor

Stéphane Carrara, Sarah Wolff & Vanessa Witkowski - Bruxelles - 28.11.2005 Hélène Flautre « L'UE n'est pas le professeur en matière de démocratie » Menschenrechte "Die EU ist kein Demokratie-Professor"Werden die Menschenrechte in der Euromed-Zone eingehalten? Hélène Flautre, Präsidentin des Unterausschusses "Menschenrechte" im Europaparlament in Straßburg, zieht eine zwiespältige Bilanz. Hélène Flautre (Europa-Parlament) Die französische Europaparlamentarierin Hélène Flautre, 47, ist Mitglied der Fraktion der Grünen. Sie beschäftigt sich regelmäßig mit Menschenrechtsfragen. Sie bedauert, dass die europäische Politik im Demokratisierungsprozess mit zweierlei Maß misst und besteht darauf, dass wirkungsvolle Druckmittel eingerichtet werden müssten.

Die Euromed-Partnerschaft jährt sich zum zehnten Mal. In der Erklärung von Barcelona, die die Partnerschaft besiegelte, werden auch Ziele in der Menschenrechtspolitik formuliert. Wie fällt die Bilanz in diesem Gebiet aus?
Es nützt nichts, eine vorschnelle Analyse vorzunehmen. Man kann natürlich feststellen, dass die Bilanz in weiten Teilen, vor allem in Bezug auf die Umsetzung der Grundrechte, zwiespältig ausfällt. Die Pressefreiheit, die Unabhängigkeit der Justiz, die Demokratisierung des politischen Systems oder auch die Versammlungsfreiheit lassen zu wünschen übrig.

Gleichwohl hat der Prozess Gelder freigesetzt und mittels des politischen Dialogs Beziehungen mit NGOs und der Zivilgesellschaft aufgebaut. Im Kern des "Euromed"-Programms findet man zwei wichtige europäische Probleme: Die Lenkung der Flüchtlingsströme und der Kampf gegen den Terrorismus. Leider sind unsere Parlamentarier und die Zivilgesellschaft nicht ausreichend in die Bewertung des Prozesses eingebunden. Die Politiker und die zivilgesellschaftlichen Akteure der Region müssen stärker vernetzt werden. Nur so können alle mitwirken.

Ist da die neue "Europäische Nachbarschaftspolitik" (ENP) anspruchsvoller? Ermöglicht die Strategie des " Benchmarking" die gesteckten Ziele zu erreichen?
Die neue Europäische Nachbarschaftspolitik fasst nationale Aktionspläne und deren Ziele in Bezug auf Demokratie und Grundrechte präziser. Diese Aktionspläne sind in der Tat operationell. Aber ihre Ziele sind noch nicht vollständig im Kreis unserer Unterausschuss "Menschenrechte" bewertet worden, weil die EU die Bitte Israels akzeptiert hat, keine Unterausschuss zur Bewertung zu stellen.

Seitdem betreibt Europa eine Politik, die mit zweierlei Maß misst. Dadurch verliert sie ihre Glaubwürdigkeit gegenüber anderen Partnern, wie zum Beispiel Marokko, Jordanien oder Tunesien. Die Idee, die Menschenrechtssituation Fall für Fall zu studieren, muss noch diskutiert werden. Eine solche individuelle Bewertung bleibt essentiell, wenn in diesen Ländern die Verteidiger der Menschenrechte ihrer Arbeit nicht zufriedenstellend nachgehen können.

Warum nutzt die EU nicht ihre Sanktionsmacht, wenn die Menschenrechte in den Mittelmeerstaaten mit Füßen getreten werden?
Die EU ist unfähig, Druck aufzubauen. Tunesien ist ein Beispiel hierfür: Es war das erste in der Region, dass das Assoziierungsabkommen unterzeichent hat. Doch trotz einer bedeutenden Wachstumsrate in der Wirtschaft und dem Zugewinn an Freiheiten für Frauen in den letzten zehn Jahren: Tunesien fällt hinsichtlich wichtiger Grundrechte zurück.

Die Behauptung, die wirtschaftliche Entwicklung sei das "Baby" der Demokratie ist, erwies sich als unzutreffend. Seit 1987 wurde nicht ein neuer Verband in Tunesien gegründet; die Regierung blockiert die dafür notwendigen Gelder und bringt so die tunesische Zivilgesellschaft in Gefahr. Das bekannteste Beispiel ist die "Tunesische Liga der Menschenrechte" (LTDH), die überhaupt keine Subventionen erhält. Es ist darum wichtig, dass die EU ein Druckmittel findet, um zu verhindern, dass ihr Ruf in der internationalen Politik leidet.

Welche Lösungsvorschläge haben Sie?
Ich könnte mir eine Europäische Kommission vorstellen, die die Probleme klar anspricht und einen einen Europäischen Rat, der harte Forderungen stellt. Der tunesische Präsident Ben Ali, sehr auf sein Image bedacht, wäre gezwungen zu handeln. Man müsste zum Beispiel bestimmte Gelder verwehren, natürlich ohne die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu gefährden. Denn Tunesien stellt eine Herausforderung für die Glaubwürdigkeit des euro-mediterranen Prozesses dar.

Kann die EU ein guter Demokratie-Professor sein, wenn ihr selbst ein "demokratisches Defizit" angelastet wird und ihr « Plan D » zur Behebung dieses Defizits nur stotternd anläuft?
Man muss die Idee aufgeben, dass die EU ein "Professor" in Sachen Demokratie ist und keine neo-kolonialistische Haltung zu beschönigen. Es geht vielmehr darum, über einen internationalen Pakt die Basis für gemeinsames demokratisches Engagement zu schaffen. Die Zivilgesellschaft der Drittweltländer teilt unsere Werte, wie Vereinigungs- und Pressefreiheit oder die Unabhängigkeit der Justiz. Außerdem wäre die EU nicht glaubwürdig, würde sie für sich selbst nicht mehr Demokratie einfordern. Ich beobachte auch, dass Forderungen, die mit dem Kampf gegen den Terrorismus zusammenhängen, die Stärkung der Demokratie und die positive Entwicklung der Menschenrechte gefährden. Wenn die EU tatsächlich die Geldmittel für das Grenzgebiet Libyens, der Heimstätte des Terrorismus, in Frage stellt, wird ihre Glaubwürdigkeit auf die Probe gestellt.
Stéphane Carrara, Sarah Wolff & Vanessa Witkowski - Bruxelles - 28.11.2005 | Übersetzung: Julia Wehner

Nachricht: 2
Datum: Thu, 01 Dec 2005 11:52:55 +0100
Betreff: Journalistin Ben Sedrine

Bensedrine, Sihem
Die Journalistin Sihem Bensedrine ist seit 1980 in einer tunesischen Menschenrechtsorganisation aktiv. Als Galionsfigur des Widerstands gegen die Diktatur Ben Alis ist sie vielfältigen Repressionen ausgesetzt; 2001 wurde sie nach Publikationen über Korruption und Folter inhaftiert. 2002 erhielt sie den Johann Philipp Palm-Preis für Meinungs- und Pressefreiheit.

Besiegte BefreiteEine arabische Journalistin erlebt den besetzten Irak
Antje Kunstmann Verlag, München 2004
ISBN 3888973627,
Gebunden, 127 Seiten, 12,90 EUR

Klappentext
Aus dem Französischen von Ursel Schäfer. Zwei Monate nach dem - offiziellen - Ende des Kriegs reist die tunesische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Sihem Bensedrine in den Irak. Sie will ihre Freundin Nacera wiederfinden, eine irakische Ingenieurin, die ihr zwölf Jahre zuvor die Augen über das Regime Saddam Husseins geöffnet hatte. Aber im "befreiten" Irak bleibt Nacera verschwunden. Was westlichen Berichterstattern verschlossen bleibt, erfährt die arabische Journalistin im Gespräch mit den Irakern selbst. Erst durch die "Befreiung" wird für sie sichtbar, dass die irakische Gesellschaft durch eine 24-jährige Diktatur bis in ihre Tiefenschichten zerstört ist. Doch die Eindrücke einer Reise in eine von Krieg und Diktatur versehrte Gesellschaft führen Sihem Bensedrine auch zu einer Konfrontation mit sich selbst. Was ist aus dem Traum von einer "Renaissance der arabischen Welt" geworden, wie stellt sich die Zukunft anderer arabischer Staaten - wie Syrien oder Tunesien - im Griff einer brutalen Diktatur dar?
Rezensionen - Neue Zürcher Zeitung vom 13.07.2004
Als "nüchtern-kunstvoll komponierte Reportage" lobt Renate Wiggershaus diesen Bericht der tunesischen Journalistin Sihem Bensedrine über ihre Reise in den besetzten Irak kurz nach dem offiziellen Ende des zweiten Golfkriegs. Dort suchte die Autorin nach einer "verschwundenen" Freundin, die ihr bei ihrem Besuch 1993 die Augen über das wahre Gesicht des Baath-Regimes geöffnet hatte. Bensedrine schildere den alltäglichen Überlebenskampf der Menschen in Bagdad. Für die meisten Frauen und Männer, mit denen sie gesprochen habe, berichtet Wiggershaus, habe heute ein "Terror des Chaos" die "Ordnung des Staatsterrors" abgelöst. Die Kriege, die Diktatur und das Embargo hätten den ausgeprägten Bürgersinn ausgehöhlt, für den die Iraker einmal bekannt waren. Den "eigentlichen Schrecken" dieser Reise sieht die Rezensentin - symbolisiert durch die unauffindbare irakische Freundin - in der "Unauffindbarkeit demokratischer Perspektiven" im Irak.

Despoten vor Europas HaustürWarum der Sicherheitswahn den Extremismus schürt


Antje Kunstmann Verlag, München 2005
ISBN 388897397X,
Gebunden, 224 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext
Aus dem Französischen von Ursel Schäfer. Freiheit und Demokratie in den arabischen Ländern zu fördern, die Menschenrechte und die Wirtschaft dazu - das ist seit der Erklärung von Barcelona 1995 deklarierte Politik der EU. Doch inzwischen ist mehr von Auffanglagern für Asylsuchende in Nordafrika die Rede als von Demokratie und wirtschaftlicher Entwicklung. Aus Angst vor Einwanderung und islamistischem Terror unterstützt die EU südlich des Mittelmeers autoritäre Regimes: Stabilität um jeden Preis ist die neue Politik. Europa hält sich Despoten vor der Haustür und damit die Probleme vom Hals - ist das nicht eine bewährte Politik? In Wahrheit fördert sie Hass, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit bei den Unterdrückten und führt immer tiefer in den Teufelskreis extremistischer Gewalt, vor der sich Europa doch gerade schützen will. Es ist an der Zeit und in unserem ureigensten Interesse, die politische Heuchelei und eine hochgefährliche "Sicherheitspolitik" zu beenden.
Rezensionen - Die Tageszeitung vom 19.10.2005
Eine "längst fällige Rechnung" präsentieren die beiden tunesischen Autoren Sihem Bensedrine und Omar Mestiri mit diesem Buch der Europäischen Union, meint Rezensent Rudolf Walther. Sehr überzeugend legen die beiden Autoren seiner Ansicht nach dar, wie sich unter dem Deckmantel des Anti-Terror-Kampfes die autoritären Regime in Nordafrika mit europäischer Hilfe stabilisierten. Besonders deutlich werde dies am Beispiel Tunesiens, dessen Sicherheit auch dem deutschen Innenminister am Herzen liegt, schließlich ist es mittlerweile eines der beliebtesten deutschen Urlaubsziele. Nur zu bereitwillig haben die tunesischen Behörden Terrorismus-Paragrafen erlassen, die gleich jede oppositionelle Tätigkeit strafbar werden lassen. Gern haben sie auch der europäischen Forderung nachgegeben, die staatseigenen Betriebe zu verkaufen - meist an regierungsnahe Clans, wie Walther berichtet. Ein wenig besser, aber nicht wirklich gut sieht es in Marokko und Algerien aus, die sich für die Autoren zu "weichen" Diktaturen gemausert haben. Was das bedeutet, erklärt Walther so: Hier werden Zeitungen nicht verboten, sondern in den finanziellen Ruin getrieben. Für Walther ein wichtiges, überzeugendes Buch.
Rezensionen - Frankfurter Rundschau vom 12.10.2005
Ein "Geschenk des Himmels" sei der 11. September für die diktatorischen Regime in Nordafrika gewesen, referiert Rezensentin Renate Wiggershaus die erschreckende Bestandsaufnahme des Bandes. Zehn Jahre nach der "Erklärung von Barcelona" zu einer "gemeinsamen Friedens- und Stabilitätszone" habe die EU ihre Prioritäten mitsamt des Geldes verschoben von einer Demokratisierung der nordafrikanischen Länder zugunsten einer undemokratischen "Kontrolle des Migrantenstroms". Die aus Tunesien stammenden Autoren dokumentierten mit vielen Beispielen, wie die Quasi-Diktaturen in Tunesien, Algerien und Libyen den so genannten "internationalen Kampf gegen den Terrorismus" für ihren Terror gegen Oppositionelle benutzten. Von der Kontrolle des Internets bis zur Gründung von Schein-NGOs reiche das strukturelle Instrumentarium der Regierungen, die die Autoren als "Diktaturen mit demokratischen Fassaden" bezeichneten. Im Falle Libyens würde sich die "Zusammenarbeit" von EU und Staat geradezu auf ein Projekt "Bollwerk" beschränken, eine italienisch-libysche Polizeieinheit sei bereits aufgestellt. Als schlichtweg "eindrucksvoll" bezeichnet Wiggershaus die kritische Analyse der Autoren Sihem Bensedrine und Omar Mestiri.

Nachricht: 3
Datum: Thu, 01 Dec 2005 12:49:55 +0100
Betreff: Die Kehrseite des Paradises

Die Kehrseite des Paradises<!-- Text: [begin] -->
"Ihr habt keine Rechte hier, aber Willkommen in Tunesien." Mit diesen Worten hat ein tunesischer Polizist in Zivil eine Delegation von Reporter ohne Grenzen im Juni in Tunis davon abgehalten, an einer öffentlichen Anhörung im Gericht teilzunehmen. Dieser Satz zeigt, wie paradox die Situation in Tunesien ist: Mit dem Tourismus als inzwischen wichtigste Einnahmequelle ist das Mittelmeerland auf ein positives Image angewiesen. Zwar hat Tunesien alle intentionalen Vereinbarungen zur Wahrung der Menschenrechte unterzeichnet, doch bietet sich hinter der schönen Fassade aus Meer, Stränden und Märkten ein erschreckendes Bild: Grundlegende Menschenrechte wie Meinungs- und Informationsfreiheit sowie eine pluralistische Demokratie existieren nicht.

Präsident Ben Ali hat seit seiner Machtübernahme im November 1987 eine Propagandamaschine par exellence aufgebaut: Schlagzeilen sind immer die Tätigkeiten der Regierung. Kritische Journalisten werden mundtot gemacht; die "Schere im Kopf" hat sich bei vielen etabliert. Hunderte Webseiten sind gesperrt, Journalisten und Internetnutzer sind hinter Gittern. Aus Sicht von Reporter ohne Grenzen ist es daher völlig unverständlich, wie die Vereinten Nationen einen Gipfel, der der dem Austausch von freier Meinung und Information diesen soll, in einem Land stattfindet, das zu den weltweit repressivsten zählt und auf der aktuellen Rangliste von Reporter ohne Grenzen zur weltweiten Situation der Pressefreiheit Rang 147 von 167 einnimmt.

Die Medienlandschaft in Tunesien ist stark dezimiert: Neben den vorwiegend von der Regierung finanzierten Tageszeitungen La Presse (franz.) und Essahafa (arabisch) gibt ein Dutzend weiterer regierungsnaher Tages- und Wochenzeitungen. In den Schlagzeilen sind so gut wie immer Ben Ali und Regierungsmitglieder zu finden. Zwei landesweit erscheinende oppositionelle Publikationen - die monatliche Attariq aljadid sowie die Wochenzeitung Al-Maoukif - nehmen zwar einen überraschend unabhängigen Blickwinkel ein. Doch die Zeitungen, die von der Regierung anerkannten politischen Parteien gehören, haben mit ihrer geringen Auflage von 3.000 bzw. 5.000 Stück einen sehr geringen Einfluss, verglichen mit den 55.000 Exemplaren, die täglich von La Presse erscheinen.

"Die Regierung würde uns gerne schließen - aber auf der anderen Seite nutzt sie uns als Feigenblatt für eine freie Presselandschaft in Tunesien. Jegliches Vorgehen gegen uns würde den internationalen Ruf schädigen", sagt Rashid Kashana, Chefredakteur von Al-Maoukif.

Auch die audiovisuellen Medien sind so gut wie komplett unter staatlicher Kontrolle. Radio (mehrere landesweite Sender) und Fernsehen (Canal 7 und Canal 21) unterstehen der Regierung von Ben Ali und senden vor allem staatliche Propaganda.
Der einzige private TV-Sender ist Hanibal TV. Doch hier empfängt der Zuschauer keine Nachrichten sondern Unterhaltungsprogramme, Komödien und Koch-Programme. Mit Mosaique FM existiert ein offiziell unabhängiger Radiosender, der neben Musik auch Nachrichten bringt. Doch er ist - auch nach eigenen Angaben - sehr regierungsnah.

Neugründung von Publikationen: Zensur mittels Quittung

Offiziell hat zwar jeder das Recht, eine Publikation in Tunesien herauszugeben. Es ist keine Zulassung notwendig; lediglich eine "einfache" Registrierung im Innenministerium, für die es dann eine Quittung gibt. In der Praxis sieht es jedoch ganz anders aus: Der Beleg wir oft nicht ausgehändigt, und ohne ihn darf etwa eine Druckerei nicht drucken. So hat die tunesische Menschenrechtlerin und Journalistin Sihem Bensedrine seit 1999 dreimal vergeblich versucht, ihre Zeitschrift Kalima zu registrieren. Mittlerweile veröffentlicht sie sie vom Ausland aus im Internet. Der frühere Universitäts-Professor und Regierungskritiker Mohammad Talbi wartet schon seit 1989. Ohne Beziehungen zu hochrangigen Politikern ist es offensichtlich nicht möglich, eine Publikation neu zugründen; auch nicht zu Architektur-, Kultur- oder Technologiethemen. Auch der international anerkannte Tunesische Journalistenverband mit 160 Mitgliedern darf in Tunesien nicht offiziell tätig sein.

Journalisten hinter Gittern
Das Pressegesetz erlaubt Haftstrafen von ein bis drei Jahren für die Verleumdung von u.a. Behörden- und Regierungsmitgliedern, von fünf Jahren, wenn der Präsident, und von sechs Monaten wenn eine Privatperson verleumdet wird.
Zwar heißt es offiziell, dass seit 1987 kein Journalist wegen seiner Arbeit verhaftet wurde, doch ergaben die Recherchen von Reporter ohne Grenzen: Mindestens sechs Journalisten sind in den vergangenen Jahren verhaftet und wegen "Diffamierung" und dem "Verbreiten falscher Nachrichten" verurteilt worden. Derzeit ist mit Hamadi Jebali, Herausgeber der Wochenzeitung Al-Fajr, noch ein Journalist hinter Gittern. Er ist 1991 wegen "Diffamierung" und "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" verurteilt worden und kommt voraussichtlich 2008 frei. Der Rechtsanwalt Mohammad Abou ist für mehrere Jahre im Gefängnis, u.a., weil er auf der Website Tunisnews die Folter von Gefangenen in Tunesien mit den Misshandlungen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib verglichen hat.

Zensur betrifft weniger die nationale Presse, denn die sind ohnehin unter staatlicher Kontrolle, sondern vielmehr die ausländische: Zahllose französische, europäische und arabische Publikationen dürfen nicht in Tunesien erscheinen. So werden Lieferungen von Le Monde und Libération immer wieder an der Grenze zurückgehalten oder mit Tagen Verspätung ausgeliefert. Offiziell jedoch heißt es: "Seit dem 7. November 1987 ist keine Zeitung und kein Magazin am Erscheinen gehindert worden."

Auch der das Bild Tunesien außerhalb der Landesgrenzen wird kontrolliert: Die Tunesische Agentur für Außenkommunikation überwacht und koordiniert alle Anfragen ausländischer Journalisten, auch zu Themen wie Wissenschaft, Kultur und Soziales.

Ebenso ist das Internet, von Ben Ali nicht erst anlässlich des Weltinformationsgipfels als wichtiges Medium anerkannt, ist in Tunesien nicht frei von Kontrolle. Zahlreiche Webseiten, etwa von Menschenrechtsgruppen und politischen Parteien, die nicht offiziell anerkannt sind, können in Tunesien nicht aufgerufen werden. Fünf junge Internetnutzer erhielten für den Besuch verbotener Webseiten bis zu 13 Jahren Haft. Und Sihem Bensedrine ist u.a. wegen ihrer journalistischen und Menschenrechtsarbeit im Internet mehrfach in Zeitungen diffamiert, auf offener Straße angegriffen, inhaftiert und misshandelt worden.

Reporter ohne Grenzen hat aus all diesen Gründen die Vereinten Nationen bereits im Juli aufgefordert, das Vorgehen Ben Alis zu verurteilen, um so einige positive Maßnahmen im Vorfeld des Gipfels zu erwirken. Bisher ist nichts dergleichen geschehen.

Nachricht: 4
Datum: Thu, 01 Dec 2005 16:15:50 +0100
Betreff: Infos zu Tunesien 01.12.05

01. Dezember 2005

Durch den UNO-Informationsgipfel in Tunesien wurde die Welt auf die Situation der Menschenrechte in Tunesien aufmerksam. Die Medien in Europa berichteten ungewohnt ausführlich. Der Regierung in Tunesien war es nur sehr unvollkommen gelungen, die Einschränkungen der Rechtsstaatlichkeit geheim zu halten - nicht zuletzt aufgrund des Hungerstreiks. Kaum ist der World Summit for Information Society (WISIS) zu Ende, ist die Situation die alte.

Seit mehreren Wochen sind einige politische Gefangene im Hungerstreik, darunter der Journalist Hamadi Jebali, der sich seit 16 Jahren in Haft befindet, ebenso der Studentenführer Abdelkarim Harouni. Der ehemalige politische Gefangene Hedi Triki wurde in dieser Woche auf offener Straße schwer verletzt; die Täter blieben - wie üblich - unbekannt.

Wir unterstützen die Forderungen aller tunesischen Kräfte und fordern:

- Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, das bedeutet natürlich auch: keine Folter, keine Gewalt;

- Freilassung aller politischen Gefangenen;

- Presse- und Versammlungsfreiheit.

Wir dürfen in Europa nicht die Augen vor den Menschenrechtsverletzungen in Tunesien verschließen. Auch wir sind verantwortlich.

SOS TUNESIEN
Der Vorstand

Nachricht: 5
Datum: Thu, 01 Dec 2005 11:38:59 +0100
Betreff: Nordafrikas Despoten zerstören die Demokratie-Träume

Nordafrikas Despoten zerstören die Demokratie-Träume
Von Claudia Hangen

Hamburg

Die tunesische Dissidentin und Herausgeberin der in Tunesien verbotenen Online-Zeitung "Kalima" (arabisch: Stimme), Sihem Bensedrine, hat ihr Buch "Despoten vor Europas Haustüre" vorgestellt. Bis Anfang nächsten Jahres hat die Schriftstellerin und Regimekritikerin, die in ihrer Heimat verfolgt wird, bei der Stiftung für politisch Verfolgte in Hamburg Obdach. Dann kehrt sie zurück in eine ungewisse Zukunft.

"Tunesien ist eines der größten Gefängnisse dieser Welt", erklärt Sihem Bensedrine. Das Land hält die Einwohner durch Unterdrückung, Folter und die vehemente Einschränkung ihrer Bürgerrechte in Knechtschaft, seitdem Staatspräsident Zine al-Abidine Ben Ali 1987 die Macht an sich gerissen hat. Seit über 15 Jahren könnten weder Bensedrine noch ihr Mann Omar Mestiri oder eines ihrer drei Kinder in Tunis auf die Straße gehen, ohne daß sie von Polizisten verfolgt würden, so Bensedrine.

Die Grundlage für die undemokratische Entwicklung Tunesiens erörtert sie in ihrem neuen Buch. Darin zeichnet sie zusammen mit ihrem Ehemann Mestiri nach ausgiebigen Recherchen in der Pariser Nationalbibliothek, dem Deutschen Orientinstitut in Hamburg und auf Grund zahlreicher Zeugenberichte von Dissidenten das Bild der Realpolitik in den Maghreb-Staaten nach.

Ihre Bilanz seit der Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages in Barcelona 1995 ist nüchtern. Weder Libyen, noch Marokko, Algerien oder Tunesien sind der Demokratie auch nur einen Schritt nähergerückt. Sinn des EU-Abkommens mit den Mittelmeeranrainern war ursprünglich die Schaffung einer Friedens- und Stabilitätsordnung nach dem Vorbild der Charta der Vereinten Nationen, um "das gegenseitige Verständnis der Kulturen und den Austausch zwischen den Zivilgesellschaften zu fördern".

Doch genau das Gegenteil ist eingetroffen. Vor allem nach den Anschlägen in Casablanca im Mai 2003 wurde nicht nur eine verschärfte Sicherheitspolitik in den Maghreb-Staaten eingeleitet, die dazu führte, daß auch Vertreter von Menschenrechtsorganisationen wie gemäßigte religiöse Vertreter starken politischen Repressalien ausgesetzt wurden. Die Politik der "Sicherheit wurde sogar über alles" gesetzt, kritisieren die Autoren, so daß am Ende innenpolitische Reformen in Richtung Demokratisierung völlig unnötig wurden. Die Sicherheitsdoktrin der Maghreb-Staaten ist nach Ansicht Sihem Bensedrines der Hauptvorwand der autokratischen Machthaber, um gegen Vertreter der Zivilgesellschaft vorzugehen und Grundfreiheiten der Bürger noch weiter einzuschränken.

Dabei haben es die autokratischen Machthaber geschafft, der EU die Fassade einer Demokratie vorzuspiegeln und wortreich über Liberalisierungsprozesse der Wirtschaft zu berichten. Doch gerade das Tunesien unter Ben Ali gilt als bestes Beispiel dafür, daß nie eine liberale Wirtschaftsordnung geschaffen wurde. Statt dessen beherrschen korrupte Familienclans die Wirtschaft. Das führt auch zu Migrationsströmen, da junge Tunesier kaum Hoffnung haben, in der Heimat ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

erschienen am 29. November 2005

Nachricht: 6
Datum: Thu, 01 Dec 2005 12:00:10 +0100
Betreff: Portraet Sihem Ben Sedrine

Porträt:
Sihem Bensedrine
Tunesien, das bedeutet für die meisten Menschen unbeschwertes Urlaubsvergnügen an endlosen Traumstränden und für die Interessierten vielleicht noch ein bisschen Kultur und Geschichte im Hinterland. Wenn die Journalistin und Autorin Sihem Bensedrine jedoch von ihrer nordafrikanischen Heimat spricht, dann bröckelt die Fassade des Touristenparadieses sehr schnell. Obwohl die Menschenrechte in Tunesien eigentlich verfassungsmäßig garantiert sind, regiert im Land Angst, Verfolgung und Unterdrückung. Das hat auch Sihem Bensedrine, Jahrgang 1950, erfahren müssen.
Mutig gegen das Unrecht
Bereits während sie in Frankreich Philosophie studierte hatte sie sich für die Menschenrechte in Tunesien engagiert, dies später als Journalistin für zahlreiche unabhängige Medien weitergeführt. Keine leichte Aufgabe, denn kritische Stimmen wurden von der Regierung durch Verbote mundtot gemacht. Einen Hoffnungsschimmer bot die Machtübernahme Präsident Ben Alis Mitte der 80er Jahre. Doch statt der versprochenen Freiheit folgte nur noch mehr Unterdrückung und Schikane. "Die Regierung führt das Land nicht gut", klagt Sihem Bensedrine und berichtet von Ungeheuerlichkeiten, die ihr widerfahren sind. Sechs Jahre lang hatte sie beispielsweise keinen Pass, durfte das Land nicht verlassen. Wie ihr erging es vielen Intellektuellen. Aus Angst vor derartigen Sanktionen halten viele lieber still als öffentlich ihre kritische Meinung zu äußern. Nicht so Sihem Bensedrine: Als sie das lang ersehnte Dokument dann endlich in den Händen hielt, reiste sich nach London, wo sie einem arabischen Fernseh-Sender ein Interview gab. Nicht in Hocharabisch, sondern in einem tunesischen Dialekt, den auch die einfachen Leute verstehen konnten. Das passte der Regierung natürlich nicht und bei ihrer Rückkehr wurde Sihem prompt verhaftet. Wie lange sie im Gefängnis war? "Dieses Mal nicht sehr lange", sagt sie. "Nur zwei Monate."
Das Wort als Waffe
Tunesien ist ein Polizeistaat, in dem es sechs Mal mehr offizielle Polizisten gibt als in Frankreich, ganz zu schweigen von der allgegenwärtigen Geheimpolizei. Sihem Bensedrine vergleicht Tunesien mit der ehemaligen DDR: "Die Menschen haben Angst, sie werden systematisch zerstört, indem sie unterdrückt und erpresst werden." Sihem weiß, wovon sie spricht. Sie wurde mehrfach inhaftiert, überfallen und bedroht. Weil sie sagt, wie es ist und sich nicht den Mund verbieten lassen will. Dafür kämpft sie mit bemerkenswertem Mut an allen Fronten. Sie ist Gründungsmitglied und Sprecherin des "Nationalen Rats für Freiheiten" in Tunesien, Generalsekretärin der "Beobachter zur Verteidigung der Pressefreiheit" und Chefredakteurin der in Tunesien verbotenen Online-Zeitung "Kalima", das Wort. Als sie die Zeitschrift 1999 gründet, die von den Menschenrechtsverletzungen in Tunesien, von der Zensur, der politischen Unterdrückung und den alltäglichen Schikanen durch die Polizei berichtet, verweigert ihr die Regierung die Druckgenehmigung. Sihem weicht auf das Internet aus, doch die Seite wurde binnen kurzer Zeit gesperrt.
Arbeiten im Exil
Der Druck auf die Menschenrechtsaktivistin wuchs und wuchs. Als sie zwei Monate nach Ende des zweiten Krieges in den Irak reiste und darüber ein Buch schrieb, folgte eine ungeheure von der tunesischen Regierung lancierte Verleumdungskampagne gegen sie. Deshalb hält sie sich zur Zeit auf Einladung der "Hamburger Stiftung für Politisch Verfolgte" in der Hansestadt auf und versucht, von hier aus etwas zu bewegen. Doch es ist schwer, überhaupt bis nach Tunesien vorzudringen: "Die elektronischen Medien laufen alle über einen Regierungsserver", erklärt Sihem Bensedrine. "Was unerwünscht ist, wird gesperrt. So ist das auch mit Printmedien. Wenn zB. "Le Monde" einen kritischen Artikel über Tunesien enthält, wird die komplette Auflage direkt am Flughafen abgefangen und zurück geschickt. Früher haben sie sogar aus Modezeitschriften einzelne Artikel rausgeschnitten, bis sie gemerkt haben, dass das zu lächerlich ist. Jetzt wird alles zurück geschickt."
Freiheit in der Fremde
Sihem Bensedrine fühlt sich wohl in Hamburg: "Ich bin hier sehr offen aufgenommen worden. Auch die Mentalität der Menschen mag ich sehr. Die Reserviertheit der Leute gefällt mir als mediterranem Menschen sehr." Dennoch ist es ihr größter Wunsch, nach Tunesien zurückzukehren und ohne Arbeitsverbot in einem freien Land arbeiten zu können. Vorerst jedoch wird das nicht möglich sein. Also macht sie das Beste aus ihrem Aufenthalt im fremden Hamburg. "Ich spreche noch nicht sehr viel Deutsch, aber ich verstehe die zwischenmenschliche Sprache sehr wohl", sagt sie und fügt hinzu, dass die Deutschem einem nichts Böses wollen. Für die Zukunft hat sie sich neben ihren vielen Reisen zu internationalen Kongressen und Tagungen, den Buchprojekten und all den anderen Aktivitäten auch vorgenommen, die Sprache zu lernen. Allem voran möchte sie die deutsche Poesie im Original lesen. Die Kraft, ihre Arbeit trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten weiterzuführen, zieht Sihem Bensedrine aus den vielen Menschen, die hinter ihr stehen. "Ich bin nicht nur Opfer der Regierung", sagt sie selbstbewusst. "Ich habe auch sehr viel. Und ich glaube an die Freiheit, das gibt mir einen Lebenssinn."

Text: Annette Riestenpatt

Nachricht: 7
Datum: Thu, 01 Dec 2005 12:31:50 +0100
Betreff: Informationsgipfel in Tunis? Das ist absurd

Tunesische Journalistin kritisiert UN-Entscheidung "Informationsgipfel in Tunis? Das ist absurd"
Ausgerechnet Tunesien wurde zum Austragungsort für einen Weltinformationsgipfel auserkoren: In kaum einem Land kann man sich so schwer informieren wie hier. Tunesien ist ein Polizeistaat mit allmächtiger Zensur, Folter und Korruption.

Von Rüdiger Maack, ARD-Hörfunkstudio Rabat, vorrübergend in Tunis

Wer aus einer afrikanischen Hauptstadt nach Tunis kommt, bekommt einen Kulturschock: So sauber, so geordnet, so wenige Schlaglöcher in den Straßen und eine Straßenbahn, die nicht nur regelmäßig verkehrt, sondern auch vertauenswürdig aussieht. Tunesien ist kein Entwicklungsland mehr - es gibt zumindest in den Städten eine Mittelklasse, die sich Kleinwagen, Kühlschränke und Urlaubsreisen leisten kann. Der Verkehr in Tunis legt davon Zeugnis ab. Doch dafür zahlen die Tunesier einen hohen Preis. Tunesien gehört zu den Ländern, in denen man mehr Angst vor der Polizei als vor Verbrechern haben muss.
Jagdszenen im Goethe-Institut
Sihem Bensedrine kann ein Lied davon singen. Sie ist Journalistin, hat in Deutschland Asyl gefunden, hat in Tunesien Arbeitsverbot und wird vom Regime des Präsidenten Ben Ali seit Jahren verfolgt. Zusammen mit mehreren internationalen Organisationen wollte sie ein alternatives Spitzentreffen vor dem Weltinformationsgipfel organisieren und ihn bei einem Treffen im deutschen Goethe-Institut in Tunis vorbereiten. Weit kamen sie nicht.

"Wir waren gerade im Institut angekommen, als die Polizei die Jagd auf uns begann", erzählt Bensedrine. "Sie haben uns Gewalt angetan, geschlagen. Nicht nur wir Tunesier wurden zu Boden gerissen und beleidigt. Danach haben sie uns fast drei Stunden durch die Stadt gejagt. Überall, wo wir hinkamen, hieß es, nein, hier bleibt ihr nicht, hier nicht."
Drei Geheimdienste bespitzeln die Bevölkerung
Es gibt keine Versammlungsfreiheit in Tunesien, von Pressefreiheit kann sowieso keine Rede sein. Das Internet wird zensiert: zusammen mit Nordkorea, dem Iran und China gehört Tunesien zu den Ländern, in denen es am wenigsten Freiheit gibt. Rechtstaatliche Prinzipien sind unbekannt, Anwälte werden von der Polizei verfolgt, drei Geheimdienste bespitzeln die Bevölkerung. "Der Weltgipfel soll sicherstellen, dass alle das Recht auf Information haben. Nur wir haben dieses Recht nicht", sagt die Journalistin.

Grafik: Der tunesische Präsident Ben Ali eröffnet den Weltinformationsgipfel in Tunis]
Wer mit Sihem Bensedrine sprechen will, muss durch eine ganze Horde finsterer Zivilpolizisten, denen man nachts nicht auf der Straße begegnen möchte. Tunesier dürfen nicht zu ihr. "Die ganzen Zivilpolizisten rund um dieses Haus. Was soll das? Wenn ich die frage: 'Auf welcher Grundlage hindern Sie meine Gäste am Zutritt? Haben Sie eine schriftliche Anordnung?' Dann sagen die: 'Nein, die kommen hier nicht rein und basta'" Auch den wirtschaftlichen Erfolg des Regimes Ben Ali, der sich vor 18 Jahren an die Macht geputscht hat, bestreitet Bensedrine. "Das war nicht er, der uns das gebracht hat! Was hat er uns gebracht? Er hat uns die Mafia gebracht, er hat die Ressourcen des Landes mobilisiert, um sie in die Taschen der Seinen zu stopfen."

Der lange Arm des tunesischen Regimes reicht auch ins Ausland, berichtet die Journalistin. "Unsere Seite wird im Prinzip seit ihrer Gründung in Tunesien zensiert, wie alle Seiten der Opposition und alle nicht-offiziellen Seiten. Sobald du Informationen publizierst, die nicht von der Regierung autorisiert wurden, wirst du zensiert." Reveil tunisien - Tunesier wacht auf - heißt die regimekritische Website. Hasni, der in Frankreich wohnt, ist einer ihrer Webmaster. Von hier aus kommt auch die Seite. Ihr Webmaster in Tunesien war verhaftet worden und starb kurz nach seiner Freilassung - mit 34 Jahren an einem Herzinfarkt. Jetzt kommt sie von hier. Die Seiten werden immer wieder mit Viren zugemüllt und attackiert. Hasnis Provider wurde von Tunesiern in Frankreich bedroht.
Informationsgipfel in Tunis? "Das ist eine Absurdität"
Die Entscheidung, den Weltinformationsgipfel nach Tunis zu vergeben, kann Bensedrine nicht nachvollziehen: "Das ist eine Absurdität. Ich weiß nicht, was sich die Uno und die Schweiz dabei gedacht haben, einem Diktator, der als einer der größten Zensoren weltweit angesehen wird, die Organisation eines Weltgipfels zur Information anzuvertrauen."

Weil Tunesien sich als stabiler Faktor und Kämpfer gegen den Terrorismus präsentiert, hat es vor allem in Frankreich einen mächtigen Freund - weder die Europäische Union noch die USA versuchen ernsthaft, Reformen im Polizeistaat zu erreichen. Ganz im Gegenteil: Hunderte politische Gefangene, Schauprozesse und allgemeine Folter haben auch Bundesinnenminister Schily nicht davon abgehalten, die demokratischen Fortschritte in Tunesien laut zu loben.

Sihem Bensedrine wird noch lange kämpfen.

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151723
02/12/2005 21:55
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1. Vertagter Streit um die Macht
Von: Thomas H. Wendel

3. Weltgipfel zur Informations-Gesellschaft endet mit gemischter Bilanz
Von: Klaus Boldt
4. Auch in Genf beenden tunesische Oppositionelle ihren Hungerstreik

5. Uno soll Übergriffe bei Weltgipfel untersuchen


Nachricht: 1
Datum: Sun, 27 Nov 2005 10:04:31 +0100
Von: Thomas H. Wendel
Betreff: Vertagter Streit um die Macht

WORLD WIDE WEB
Vertagter Streit um die Macht
Thomas H. Wendel

BERLIN. Es sollte ein Signal des Aufbruchs von dem Weltgipfel in Tunis ausgehen. Die rund 12 000 erwarteten Teilnehmer aus 120 Ländern sollten sich einigen in ihrem Bemühen, allen Menschen der Welt den Zugang zum Internet zu ermöglichen.

Statt dessen gibt es in der tunesischen Hauptstadt vor allem eins: Streit. Streit um die Macht der USA im Internet. Und um die Politik des Gastgeberlandes Tunesien. Dessen Präsident Zine el Abidine Ben Ali zeigte jedenfalls, dass er unabhängige Berichterstattung in seinem Land nicht goutiert: Journalisten verschwanden im Gefängnis; einzelne für den Gipfel angereiste Pressevertreter wurden verprügelt. Die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International brandmarkte die Gastgeber: In Tunesien sei "Pressefreiheit praktisch nicht vorhanden". Versammlungsfreiheit ebenso nicht: Einem Gegengipfel von Nichtregierungs-Organisationen wurde in Tunis der Veranstaltungsort gekündigt. Protest gab es zudem in Berlin: Tunesier demonstrierten am Mittwoch mit einem Hungerstreik vor dem Auswärtigen Amt gegen Zensur in ihrem Land.

Auch unter den Besuchern der UN-Konferenz ist kaum Feierlaune aufgekommen. Ursprünglich wollten die Teilnehmer vor allem darüber debattieren, wie den armen Ländern ein Anschluss ans Internets verschafft werden kann. Bis 2015 möchte UN-Generalsekretär Kofi Annan die Hälfte der Menschheit mit Internet-Zugängen versorgt sehen. Für dieses Ziel wurde beim ersten UN-Informations-Gipfel 2003 in Genf die Einrichtung eines digitalen Solidaritätsfonds beschlossen. Doch das einstige Hauptanliegen ist in den Hintergrund getreten. Verantwortlich dafür ist die Machtfrage, die den USA in Sachen Internet gestellt wird.

Bislang verfügt das US-Handelsministerium über die Oberaufsicht im Web. Es kontrolliert die private Organisation Icann, welche die so genannten Root-Server für das Internet verwaltet. Das sind Computer, die als Lotsen für alle Datenpakete im Netz fungieren. Wenn Internetsurfer die Adresse www.berliner-zeitung.de eingeben, sorgen Icann-Computer dafür, dass die Anfragen beim Rechner mit der Adresse 217.111.22.106 richtig ankommen. Die damit verbundene Möglichkeit, ganze Länder durch Ausschalten ihrer Internet-Adressen vom Welt-Datenstrom abzuhängen, sorgt für Argwohn. China und Iran fordern, die Adressverwaltung den USA und Icann ganz zu entziehen. Die EU wiederum setzt sich für eine gleichberechtigte Aufsicht aller Staaten über Icann ein. Beides Vorschläge, die von der US-Regierung abgelehnt werden.

Um einen diplomatischen Eklat zu vermeiden, hat man sich unter Mühen auf einen Kompromiss verständigt: Es bleibt vorerst alles beim Alten. Die Amerikaner wollen aber nun wenigstens über eine neue Struktur der Internet-Verwaltung mit sich reden lassen.

Donnerstag, 17. November 2005

Nachricht: 3
Datum: Sun, 27 Nov 2005 10:12:34 +0100
Von: Klaus Boldt
Betreff: Weltgipfel zur Informations-Gesellschaft endet mit gemischter Bilanz

Weltgipfel zur Informations-Gesellschaft endet mit gemischter Bilanz

Von Klaus Boldt 19.11.2005 Tunis (epo). - Mit der Verabschiedung der "Tunis Agenda für die Informationsgesellschaft" und einer Verpflichtungserklärung zur Förderung der Informationstechnologien in den Entwicklungsländern ist am Freitag der Weltinformationsgipfel in der tunesischen Hauptstadt zu Ende gegangen. Während die Vereinten Nationen und das Konferenz-Sekretariat eine positive Bilanz zogen, waren die Reaktionen unter den anwesenden Organisationen der Zivilgesellschaft gemischt. Vor allem die Einschränkung der Meinungsfreiheit in Tunesien, Übergriffe auf Journalisten und Menschenrechtler während des Weltinformationsgipfels und die weiter bestehende Dominanz der US-Regierung bei der Verwaltung des Internet stiessen auf Kritik.
Mehr als 19.000 Teilnehmer aus 174 Ländern hatten am dreitägigen World Summit on the Information Society (WSIS) teilgenommen, dessen erste Phase im Dezember 2003 in Genf stattgefunden hatte. Das eigentliche Gipfelthema - die ärmeren Länder des Südens bei der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationsmittel technisch und finanziell zu unterstützen - wurde jedoch vor allem in den Medien überschattet von Bestrebungen der US-Regierung, ihr Monopol bei der Internet-Aufsicht zu behalten. Repressive Maßnahmen der tunesischen Behörden gegenüber Kritikern in der Zivilgesellschaft und den Medien taten ein Übriges, um die Überwindung der "digitalen Kluft" zwischen Industrie- und Entwicklungsländern in den Hintergrund treten zu lassen.

Hinsichtlich der umstrittenen Frage, wer die Aufsicht über die Vergabe der IP-Adressen und Domain-Namen ausüben soll, wurde ein Kompromiss verabschiedet, der die Gründung eines Forums zur Netzpolitik vorsieht. Damit soll der Einfluss von Regierungen auf die Internet-Administration begrenzt werden. Die Kontrolle über die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) bleibt jedoch bei der National Telecommunications and Information Administration (NTIA) der USA angesiedelt. Die US-Regierung hat damit das letzte Wort, wenn es um strittige Fragen der Internet-Verwaltung geht.

Die Internet Society (ISOC) begrüsste den Ausgang des Gipfels und betonte dennoch, alle Versuche, die Verwaltung des weltweiten Netzes stärker von Regierungen abhängig zu machen, seien abgeschmettert worden.

Mit Blick auf die 122 Punkte umfassende "Tunis Agenda" sagte der Generalsekretär der Internationalen Telekommunikations-Union (ITU), Yoshio Utsumi, Tunis sei "ein Gipfel der Lösungen" gewesen. Man sei einen großen Schritt voran gekommen".

Die in Tunis verabschiedeten Dokumente wiederholen jedoch zum größten Teil Absichtserklärungen zur Unterstützung der ärmeren Länder bei der Nutzung moderner Informations- und Kommunikations-Technologien (IKT), die bereits in der ersten Phase des Weltinformationsgipfels im Dezember 2003 in Genf verabschiedet worden waren. Viele Redner auf dem Tunis-Gipfel beklagten die geringen Finanzmittel zur Unterstützung von Entwicklungsländern. Weitere Zusagen wurden jedoch nur in geringem Umfang gemacht.

Das internationale Forum zur Diskussion der Internet-Politik, das im Frühjahr von UN-Generalsekretär Kofi Annan "in einem offenen und alle einschließenden Verfahren" erstmals einberufen werden soll, wurde von den USA lediglich deshalb nicht abgelehnt, weil es keinerlei Aufsichtsrecht hat und sich weder in technische Fragen noch in das Tagesgeschäft der Internet-Administration einmischen darf.

Die Delegation Chinas und auch Malaysias Kommunikationsminister rechtfertigten staatliche Einmischung in die Internetverwaltung mit dem Argument, kriminelle Machenschaften wie Spam oder Phishing nähmen Überhand und Regierungen müssten die Sicherheit im Cyberspace gewährleisten dürfen.

Scharfe Proteste lösten die Übergriffe tunesischer Sicherheitskräfte auf Journalisten und Kritiker aus den Reihen der Zivilgesellschaft aus. Neben den USA verurteilten auch die EU, die deutsche und die schweizerischen Bundesregierung die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Gastgeberland Tunesien. Die tunesischen Regierung hatte Versammlungen kritischer Organisationen verhindert und noch während des Gipfels unerwünschte Internetseiten durch Filterung blockiert. Die US-amerikanische OpenNet Initiative fand heraus, dass von 2000 getesteten Websites zehn Prozent blockiert waren.

Der Präsident der Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen", Robert Ménard, war von den tunesischen Behördn an der Einreise gehindert worden, obwohl er eine gültige Akkreditierung zum Gipfel besass. Ein Meeting zur Vorbereitung des Civil Society Information Summit (CSIS) im deuschen Goethe-Institut in Tunis wurde durch Polizisten in Zivil teilweise mit Hilfe von Tätlichkeiten verhindert.

Sieben oppositionelle Tunesier, die vor dem Gipfel mit einem Hungerstreik auf mangelnde Pressefreiheit und Menschenrechte aufmerksam gemacht hatten, brachen ihre Aktion am letzten Gipfeltag ab und erklärten, sie hätten ihr Ziel erreicht. "Nie mehr sollten die Vereinten Nationen einen Weltgipfel in einem Land abhalten, das internationalen Verpflichtungen zur Einhaltung der Menschenrechte und der Pressefreiheit nicht einhält", kritisierte der Menschenrechsexperte und Leiter der Tunisian Monitoring Group, Steve Buckley die Organisatoren des Gipfels.

Offenbar unbeirrt von den Protesten dankte Tunesiens autokratisch regierender Präsident Tunisian President Ben Ali den Gipfelteilnehmern für ihre "konstruktiven Beiträge für eine Welt, die eine integriertere Informationsgesellschaft erlauben wird".

Nachricht: 4
Datum: Sun, 27 Nov 2005 09:57:27 +0100
Betreff: Auch in Genf beenden tunesische Oppositionelle ihren Hungerstreik

Weltinformationsgipfel in TunisAuch in Genf beenden tunesische Oppositionelle ihren HungerstreikGenf (sda21.11.2005) Der Hungerstreik von zehn tunesischen Oppositionelle in Genf ist beendet. Nachdem der Weltinformationsgipfel in Tunis seine Tore geschlossen habe, werde der Hungerstreik abgebrochen, teilte die Organisation Ezzeitouna am Freitagabend mit.

Die zehn Oppositionellen waren vor einer Woche in Genf in den Hungerstreik getreten. Sie hatten damit auf die Lage der Menschenrechte in ihrem Land aufmerksam machen wollen und sich zudem mit sieben Oppositionellen in Tunis solidarisiert, die bereits Mitte Oktober in den Hungersteik getreten waren.

Auch in Tunis wurde der Hungerstreik nach dem Ende des Gipfels abgebrochen. Gegenüber der Nachrichtenagentur sda erklärte der Präsident von Ezzeitouna (arabisch für "Olivenbaum"), Guesni Larbi, das Ziel der Aktion sei erreicht worden.

"Wir haben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das, was in Tunesien passiert, lenken können - vor allem auf die Probleme mit der Presse- und Meinungsfreiheit", sagte er in Genf.

Der Sprecher des Unterstützungskomitees für den Hungerstreik in Genf, Gharbi Anour, lobte die Kritik der Schweizer Regierung an der tunesischen. "Für die Tunesier ist Bundespräsident Samuel Schmid ein Held", sagte er.

Schmid hatte bei seiner Rede am Weltinformationsgipfel die Regierung scharf kritisiert: "Ich erachte es als selbstverständlich, dass hier in Tunis, in diesen Mauern und auch ausserhalb, jeder in völliger Freiheit diskutieren kann", hatte er am Mittwoch erklärt.

Am Freitag war der Weltinformationsgipfels in Tunis zu Ende gegangen. Vertreter von 176 Ländern nahmen daran teil. Die Schweiz war Ehrengast. Sie hatte 2003 den ersten Teil des Weltinformationsgipfels in Genf durchgeführt.

Nachricht: 5
Datum: Tue, 29 Nov 2005 00:32:25 +0100
Betreff: Uno soll Übergriffe bei Weltgipfel untersuchen

Uno soll Übergriffe bei Weltgipfel untersuchen
28. Nov 10:04

Auf dem UN-Weltgipfel wurden mehrfach Delegierte von der tunesischen Polizei behindert. Für Tunesien könnte dies nun ein diplomatisches Nachspiel haben. Mehrere Nichtregierungs- Organisationen haben die Vereinten Nationen aufgefordert, die Übergriffe und Zwischenfälle während des Weltinformationsgipfels in Tunesien zu untersuchen. Sie schrieben in einem Brief an Generalsekretär Kofi Annan, die Uno müsse zudem beobachten, wie sich die Situation nach dem Gipfel in Tunis entwickele.
Auf dem Gipfel hatte es mehrfach verbalen Attacken auf Journalisten, Bürgerrechtsaktivisten und Delegierte gegeben. Teilnehmer wurden daran gehindert, zu Veranstaltungen zu gelangen. Einem Journalisten wurde die Einreise in das Land verweigert.
Die Organisationen fürchten, dass die tunesische Regierung nun massiv gegen Regimekritiker vorgehen wird, die sich während des Gipfels kritisch geäußert hatten. Unter anderem fürchten sieben Anwälte und Richter, die zum Abschluss des Gipfels einen über einmonatigen Hungerstreik beendet hatten, weitere Repressionen. Sie hatten auf dem Gipfel erklärt, sie wollten sich nicht von der weiteren politischen Arbeit in einem neu gegründeten Komitee abhalten lassen.
Protest an der tunesischen Regierung kommt nicht nur von den Nichtregierungsorganisationen. Die EU und die Schweiz haben formellen Protest gegen die Behinderung ihrer Delegierten eingelegt. (nz)

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151724
06/12/2005 08:53
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Themen in dieser Ausgabe:

1. Menschenrechtsverletzungen vor dem Uno-Informationsgipfel

2. Internet-Zensur im Mittleren Osten und Nord-Afrika

3. Wichtig ist Zugang zu Informationen
Interview Markus Beckedahl

Nr. 1
Betreff: Menschenrechtsverletzungen vor dem Uno-Informationsgipfel

Tunesien

Menschenrechtsverletzungen vor dem Uno-Informationsgipfel

London / Bern, 14. November 2005. Am Vorabend des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft vom 16. bis 18. November 2005 in Tunis veröffentlicht Amnesty International einen Bericht über die zunehmende Unterdrückung, der MenschenrechtsverteidigerInnen in Tunesien ausgesetzt sind. Die Repression betrifft insbesondere auch die Rechte auf freie Meinungsäusserung und auf freie Information, die der Informationsgipfel eigentlich fördern will.

Die Wahl von Tunesien als Gastland des Uno-Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (World Summit on the Information Society WSIS) sollte die tunesische Regierung veranlassen, die restriktiven Kontrollen der Redefreiheit und von friedlichen Organisationen zu lockern. Aber die Hoffnung war vergeblich. In den letzten Monaten hat das tunesische Regime Kontrolle und Unterdrückung von MenschenrechtsverteidigerInnen noch verstärkt. Dies geht aus dem heute von Amnesty International (AI) veröffentlichten Bericht Tunisia: Human rights abuses in the run up to the WSIS hervor.

Innerhalb weniger Wochen, von August bis September 2005, wurden das Büro des tunesischen Beamtenverbandes geschlossen und der Gründungskongress der Journalistengewerkschaft Tunesiens (STJ) verboten. Ein Gericht hat zudem angeordnet, dass die tunesische Menschenrechtsliga (LTDH) ihren sechsten nationalen Kongress absagen musste. Im Oktober hat die Polizei die Häuser von mehreren Führungsmitgliedern der LTDH umstellt und diese misshandelt.

Seit mehr als einem Jahrzehnt herrscht in Tunesien ein Klima der politischen Repression: die Rechte der tunesischen Bevölkerung auf freie Meinungsäusserung und auf Zugang zu Information werden massiv eingeschränkt. Die Regierung, die sowohl die gedruckten wie die elektronischen Medien vollständig kontrolliert, hat ihre Kontrolle auf andere Kommunikationsformen ausgeweitet, insbesondere auf das Internet. Die tunesischen Behörden praktizieren eine systematische Zensur des Internets, seitdem dieses neue Kommunikationsmittel in Tunesien genutzt wird. Diese Zensur bewegt sich jenseits von jedem rechtlichen Rahmen, was juristische Rekurse verunmöglicht. Die tunesische Regierung behauptet, das Internet werde nicht zensuriert, ausser in Fällen von websites mit «terroristischem» Inhalt oder wenn die nationale Sicherheit gefährdet sei.

Amnesty International fordert die tunesischen Behörden auf, Massnahmen zu ergreifen, um die Situation der Menschenrechte im Land zu verbessern und sie mit tunesischem Recht und mit internationalen Abkommen in Einklang zu bringen, die Tunesien unterzeichnet hat. Die Menschenrechtsorganisation ruft alle Regierungen auf, die am WSIS teilnehmen, gegenüber der tunesischen Regierung die tiefe Besorgnis der internationalen Gemeinschaft über die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Land auszudrücken. Sie appelliert zudem an die Staatengemeinschaft, Druck auf das tunesische Regime auszuüben, um weitreichende Reformen in Übereinstimmung mit den Zielen des Weltgipfels in Angriff zu nehmen.


Nr.: 2
Datum: Sat, 03 Dec 2005 13:23:39 +0100
Betreff: Internet-Zensur im Mittleren Osten und Nord-Afrika

Mittwoch, 30. November 2005 Internet-Zensur im Mittleren Osten und Nord-Afrika
Human Rights Watch hat einen Bericht über Internet-Zensur im Mittleren Osten und Nordafrika veröffentlicht: "Online Censorship in the Middle East and North Africa". Enthalten sind Einzelberichte über Ägypten, Iran, Syrien und Tunesien.

This report examines Internet trends and policies in the Middle East and North Africa region as they affect freedom of expression, focusing particularly on Egypt, Iran, Syria, and Tunisia. Human Rights Watch selected these four countries for closer scrutiny as much for their differences as for their similarities, and their inclusion should not suggest that their policies are worse than those of other countries in the region. For each of the featured countries, Human Rights Watch examines government policies affecting Internet access, the role the Internet has played in fostering freedom of expression and civil society, laws restricting free expression, online censorship, and cases in which people have been detained for their online activities.

Nr.: 3
Datum: Sat, 03 Dec 2005 13:49:23 +0100
Interview Markus Beckedahl
Betreff: Wichtig ist Zugang zu Informationen

UN-Gipfel: «Wichtig ist Zugang zu Informationen»
18. Nov 2005 12:05


Markus Beckedahl Foto: nz

In Tunis geht am heutigen Freitag der UN-Informationsgipfel zu Ende. Der deutsche Blogger und Online-Aktivist Markus Beckedahl erlebte vor Ort, wie die tunesische Regierung mit Kritik an ihrer Politik umgeht. Markus Beckedahl setzt sich als Blogger und Vorsitzender des Netzwerks Neue Medien seit Jahren für freie Meinung im Internet und Open Source ein. Er reiste als Vertreter der Zivilgesellschaft mit der deutschen Delegation zum UN-Informationsgipfel nach Tunis. Netzeitung: Was hat Sie dazu bewogen, am Gipfel der UN teilzunehmen?
Markus Beckedahl: Wir engagieren uns schon seit mehr als vier Jahren im WSIS-Prozess und haben dazu ein Netzwerk in Deutschland aufgebaut, das viele weltweite Kontakte geknüpft hat. Der WSIS-Prozess hat erstmals eine globale Diskussion über die Vision einer Informations- und Wissensgesellschaft angestossen. Ich beschäftige mich schon seit bald zehn Jahren mit dieser Fragestellung. In meinem Weblog «netzpolitik.org» berichte ich quasi live vom Gipfel, mit Artikeln, Bildern und Audio-Interviews.
Netzeitung: Was sind Ihrer Ansicht nach die zentralen Fragen des WSIS?
Beckedahl: Die zentrale Frage war am Beginn des Prozesses, Lösungen zu finden, die digitale Spaltung weltweit zu bekämpfen. Dies halten wir immer noch für einen wesentlichen Punkt. Auch das Thema Menschenrechte in der digitalen Gesellschaft sollte eigentlich eine herausragende Rolle spielen. Eine Frage, die leider weitgehend ausgeblendet wurde, ist der Zugang zum Wissen der Menschheit, beziehungsweise wem das Wissen gehört.
Netzeitung: Wem gehört das Wissen denn? Und was ist nötig, um allen einen Zugang zu ermöglichen?
Beckedahl: Das ist eine gute Frage. Sie zu beantworten wäre die Aufgabe des Weltgipfels gewesen. Leider wurde diese Chance nicht genutzt.
Wir wünschen uns, dass das Wissen der Menschheit allen weltweit zur Verfügung steht, um darauf aufzubauen und Neues zu erschaffen. Vor allem Menschen in den Entwicklungsländern würden davon profieren.
Im Bereich des geistigen Eigentums brauchen wir mehr Rechte für die Allgemeinheit, um mehr Innovationen zu ermöglichen. Zuviel Schutz verhindert eine Weiterentwicklung im technischen und im kulturellen Bereich. Staaten können und sollten auch neue und innovative Modelle unterstützen, die auf Kollaboration und Teilhabe an Wissen setzen, wie Freie Software, Creative Commons oder Wikipedia. Sie können lokal, staatlich und international auf verschiedenste Art und Weise gefördert werden.
Netzeitung: Hat der Streit um Icann und den Domain Name Service andere wichtige Punkte in der öffentlichen Wahrnehmung überlagert?
Beckedahl: Auf jeden Fall. Das zentrale Thema, die Überwindung der Digitale Spaltung weltweit, wurde durch den Streit komplett verdrängt. Ausserdem wurde im ganzen WSIS-Prozess die wichtige Frage der Geistigen Eigentumsrechte, also eine Balance im System der Urheberrechte und Patente komplett ausgeblendet. Dabei bietet das Thema eine große Chance für mehr Entwicklung vor allem in Entwicklungsländern.
Ein weiterer zentraler Punkt, die Freiheit in der digitalen Gesellschaft, kam viel zu kurz. Viele Regierungen und die Industrie legen ihren Fokus leider viel zu sehr auf infrastukturelle Fragen. Das ist aber eher eine technokratische Diskussion. Wir sagen da ganz klar, die Frage der Teilhabe an einer globalen Wissensgesellschaft ist noch bedeutender als die dafür nötige Infrastruktur.
Netzeitung: Im Icann-Streit gibt es ja nun einen Kompromiss. Wie groß wird Ihrer Ansicht nach der Einfluss des neuen unabhängigen Gremiums, das nun geschaffen werden soll, wirklich sein können?
Beckedahl: Das werden wir in den kommenden Jahren sehen. Positiv ist zu vermerken, dass die Idee eines «Global Forums» aus der Zivilgesellschaft in den Prozess eingebracht wurde und die Regierungen diese Anregung aufgenommen haben. Leider wurde die Chance verpasst, ICANN weiter zu demokratisieren. Hin zu mehr Offenheit, Transparenz, Demokratie und vor allem Unabhängigkeit von Regierungen.

Übergriffe der Polizei


Netzeitung: Der Veranstaltungsort Tunis war ja sehr umstritten. Wie nimmt die tunesische Regierung den die Kritik an ihrer Netzpolitik wahr? Wie reagiert sie darauf?
Beckedahl: Der WSIS-Gipfel in Tunesien wird von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. In den letzten Tagen kam es zu Übergriffen auf zivilgesellschaftliche Vertreter und massiven Angriffen auf die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die Internet-Zensur in Tunesien ist massiv. Rückwirkend kann man es schon fast als Schande bezeichnen, dass die Vereinten Nationen Tunesien als Austragungsort des Gipfels gewählt haben, der eigentlich auch ein Gipfel der Informationsfreiheit sein sollte. Der tunesischen Regierung scheint ihr Verhalten egal zu sein.
Aber: Unsere Kritik wird mittlerweile von vielen Regierungen geteilt.
Netzeitung: Haben sie persönlich auch Restriktionen wahrgenommen oder am eigenen Leib gespürt?
Beckedahl: Unser Alternativgipfel, wo wir viele unserer Meinung nach im Gipfel-Prozess vernachlässigte Themen wie Datenschutz, Zugang zu Wissen, Menschenrechte wie Informations- und Meinungsfreiheit thematisieren wollten, wurde komplett blockiert. Gebuchte Veranstaltungsorte wurden mit fadenscheinigen Begründungen abgesagt.
Bei einem Vorbereitungstreffen im Goethe-Institut in Tunis am Montag wurde das Gelände weiträumig abgesperrt und es kam zu Übergriffen auf zivilgesellschaftliche Vertreter. Selbst dem deutschen Botschafter wurde das Betreten des Goethe-Instituts in Begleitung oppositioneller Tunesier verwehrt.
Bei einer Veranstaltung der Heinrich Böll Stiftung kurze Zeit später kam es zu ähnlichen Zwischenfällen. Die Veranstaltung wurde als «illegal» erklärt. Unser Hotel ist voller Sicherheitskräfte, was eher Unsicherheit schafft.

Presse berichtet nicht


Netzeitung: Berichtet denn die tunesische Presse über solche Vorfälle und die Kritik an Tunesien?
Beckedahl: Leider nicht. Im tunesischen Fernsehen wurde die Live-Berichterstattung von der Auftaktveranstaltung abgebrochen, als der schweizer Bundespräsident mit seiner Kritik an Menschenrechtsverletzungen in Tunesien begann und die Beachtung von Menschenrechten forderte. Eine freie Presse ist praktisch gar nicht vorhanden. Die tunesische Gesellschaft bekommt vermutlich gar nichts mit, eine starke Zensur im Internet verhindert, dass man sich in ausländischen Medien informieren kann.
Netzeitung: War es möglich, in Tunis auch mit Leuten zu sprechen, die der Regierung und deren Politik kritisch gegenüber stehen?
Beckedahl: Ja, aber sehr schwierig. Die Gipfel-Teilnehmer werden gut abgeschirmt. Oppositionelle Tunesier haben praktisch keine Chance, sich für den Gipfel zu akkreditieren und daran teilzunehmen. Wir besuchten am Montag tunesische Oppositionelle, die sich seit fast einem Monat in einem Hungerstreik befinden. Ihre Forderungen sind für uns Europäer selbstverständlich: Sie wollen einfach nur fundamentale Menschenrechte wie Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Diese Menschenrechte können sie aber in diesem repressiven Regime nicht wahrnehmen.

Export von Repressionstechnik


Netzeitung: Wie können die Industriestaaten effektiv helfen, die «digitale Kluft» zu überwinden?
Beckedahl: Eine unserer zentralen Forderungen ist, dass Menschenrechte weltweit respektiert und geschützt werden. Da die meiste Technik zur Verletzung von Menschenrechten aus den Industriestaaten in Diktaturen und anderen repressive Staaten exportiert wird, könnte hier ein Anknüpfungspunkt sein.
Auch verhindern restriktive geistige Eigentumsrechte die Entwicklung des Südens und den Zugang zu Wissen. Hier müssen sich die Industrieländer mehr bewegen, was nicht zu ihrem Nachteil sein würde.
Der Trend geht dahin, dass ein schwächerer Schutz von geistigem Eigentum mehr «offene Innovationen» bringt. Erste erfolgereiche Beispiele sind Freie Software und die Online-Enzykloädie Wikipedia. Gerade hier findet auch ein massiver Technologietransfer aus Industriestaaten in die dritte Welt statt. Denn beispielsweise die Programmierer von Open Source Software sitzen im Moment noch hauptsächlich in den Industriestaaten. Die Software aber kann überall genutzt werden. Dieser Paradigmenwandel wird noch zu wenig verstanden und genutzt.
Netzeitung: Das MIT hat zusammen mit Kofi Annan in Tunis einen 100-Dollar-Laptop präsentiert, von dem sechs Millionen Stück kostenlos an Schüler in Entwicklungsländern abgegeben werden sollen. Kann das Projekt wirklich effektiv bei der Entwicklung helfen?
Beckedahl: Das werden wir sehen, wenn es auf dem Markt ist. Die Idee ist auch jeden Fall sympathisch, jedem Kind auf der Welt Zugang zu Informationstechnologien zu verschaffen. Wichtig ist aber auch das Training, vor allem der Lehrer, welche den Schülern die Nutzung von IT-Technologien vermitteln müssen. Und vor allem ein freier und offener Zugang zu Wissen und Infrastrukturen, um an einer globalen Wissensgesellschaft teilhaben zu können.
Das Interview mit Markus Beckedahl führte Peter Schink.

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151725
08/12/2005 22:36
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1. Tunesien: Unterdrückung der Meinungs- und Informationsfreiheit während des UN-Gipfels zur Informationsgesellschaft - Rückblick und Aussichten

2. Happy Birthday

Nachricht: 1
Datum: Thu, 08 Dec 2005 00:27:01 +0100

Betreff: Tunesien: Unterdrückung der Meinungs- und Informationsfreiheit während des UN-Gipfels zur Informationsgesellschaft - Rückblick und Aussichten

Tunesien: Unterdrückung der Meinungs- und Informationsfreiheit während des UN-Gipfels zur Informationsgesellschaft - Rückblick und Aussichten
Quellen:
AI-Index: MDE 30/022/2005, UA 29005
AI-Index: MDE 30/023/2005, News Service No. 308
Université La Libre / Personal Communication
AI Index: MDE 30/026/2005, News Service No. 310
TUNeZINE, Bulletin No. 32
AI Index: MDE 30/027/2005, News Service No. 315
15.-19. November 2005

Angriffe im Vorfeld
Vom 16.-18. November 2005 fand in Tunis der UN-Gipfel zur Infomationsgesellschaft (World Summit on the Information Society, WSIS) statt, dem seit Monaten Angriffe der tunesischen Behörden auf MenschenrechtsverteidigerInnen vorausgingen (siehe auch die Aktion zum inhaftierten Rechtsanwalt Mohammed Abbou).
In den Tagen vor dem Gipfel fanden erneut mehrere Übergriffe auf MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen statt:

Am 8. November 2005 wurde Mokhtar Trifi, Rechtsanwalt und Präsident der Tunesischen Menschenrechtsliga (LTDH), vermutlich von Sicherheitskräften in Zivil, niedergeschlagen. Der Vorfall wurde von den Behörden nicht untersucht.


Am 11. November 2005 traf es den Franzosen Christophe Boltanski, Mitarbeiter der französischen Tageszeitung Libération, dessen Artikel über den Überfall auf Mokhtar Trifi am gleichen Tag in der "Libération" erschienen war. Christophe Boltanski wurde geschlagen, ihm wurde mit Pfefferspray in die Augen gesprüht. Seine Unterlagen wurden ihm bei dem Überfall gestohlen. Der Angriff ereignete sich mitten in Tunis, in einem Botschaftsviertel; keiner der Sicherheitsleute bei den Botschaften kam dem französischen Journalisten zur Hilfe.


Am 14. November 2005 wurde vor dem Goethe-Institut, wo ein Treffen von MenschenrechtsverteidigerInnen stattfinden sollte, das Auto der Rechtsanwältin Radhia Nasraoui gewaltsam gestoppt. Die Anwältin, die sich in Begleitung zweier belgischer Journalisten befand, wurde beschimpft und bedroht; die angreifenden Polizisten nahmen dem belgischen Journalisten die Kamera ab.

Verhinderung des Parallelgipfels
Parallel zum UN-Gipfel zur Informationsgesellschaft wollte die tunesische Zivilgesellschaft einen Parallelgipfel organisieren. Dieser wurde von den Behörden verhindert. Der Veranstaltungsort wurde - offenkundig auf Druck der Staatsmacht - im letzten Monat abgesagt. Während des UN-Gipfels verhinderten Sicherheitskräfte parallele Veranstaltungen von NGOs, indem sie BesucherInnen Zugang zu deren Räumlichkeiten verwehrten. Ehrendoktor für Radhia Nasraoui
Die erfreuliche Nachricht der Woche: Die Rechtsanwältin Radhia Nasraoui erhielt am Mittwoch, dem 16. November 2005, also zeitgleich zur Eröffnung des UN-Gipfels in Tunis, die Auszeichnung des Ehrendoktors der Freien Universität Brüssel (ULB). Die Anwältin wurde von dem Fernsehteam, das Zeuge des Angriffes auf sie zwei Tage zuvor geworden war, von Tunis nach Brüssel begleitet. ai-Delegierte behindert
Die Menschenrechtsorganisation amnesty international schickte anlässlich des UN-Gipfels eine vierköpfige Delegation nach Tunis, um die Ereignisse und Entwicklungen während der Veranstaltung zu beobachten und die tunesische Menschenrechtsbewegung zu unterstützen.
Die ai-Delegierten wurden gewaltsam an einem Treffen mit Mitgliedern der tunesischen NGO "Conseil National pour les Libertés en Tunisie" (CNLT) gehindert. Ungefähr 15 bis 20 Sicherheitskräfte verwehrten den ai-MitarbeiterInnen Zutritt zum Büro der CNLT. Trotzdem gelang es die ai-Delegierten später, mit Sihem Bensedrine, der Sprecherin der CNLT, Kontakt aufzunehmen. Beendigung eines einmonatigen Hungerstreiks
Am 18. Oktober 2005 traten acht prominente tunesische Dissidenten ("Mouvement du 18 octobre", darunter Radhia Nasraouis Ehemann Hamma Hammami sowie Richter Mokhtar Yahyaoui) einen Hungerstreik an, um auf die Menschenrechtssituation in Tunesien aufmerksam zu machen.
Am 32. Streiktag, dem 18. November 2005, gaben sie in einer öffentlichen Erklärung am Balkon von Richter Ayach Hammami das Ende des Hungerstreiks sowie die Gründung eines Komitees zur weiteren Verfolgung ihrer Forderungen bekannt. Die internationale Presse, darunter Fernsehteams von ARTE und Al-Jazeera, dokumentierte diese spektakuläre Pressekonferenz, die mit dem Ende des UN-Gipfels zusammenfiel. Und nun? Kritik und Forderungen von ai
Nach Abschluss des UN-Gipfels fand die Menschenrechtsorganisation amnesty international scharfe Worte für das Vorgehen der tunesischen Behörden: Die Legitimität des Gipfels und seine Ergebnisse wären durch die Einmischung der tunesischen Behörden in Frage gestellt; laut ai sollte unter solchen repressiven Bedingungen kein UN-Gipfel mehr stattfinden.
amnesty international entwickelte eine Reihe von Forderungen:

an die tunesische Regierung: sofortige, gründliche und unabhängige Untersuchung der Übergriffe auf die MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen sowie strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen; unverzügliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit; endlich die Einladungen die Menschenrecht***pertInnen der UNO auszusprechen, die ihren Besuch im Land angemeldet haben


an die UNO: eine Untersuchung der zahlreichen Beeinträchtigungen für die Mitglieder der Zivilgesellschaft vor und während des UN-Gipfels sowie Veröffentlichung dieser Ergebnisse


an ausländische Regierungen: Unterstützung der MenschenrechtsverteidigerInnen in Tunesien


an die EU: der tunesischen Regierung auf höchster Ebene zu vermitteln, dass sie die Verpflichtung hat, MenschenrechtsverteidigerInnen zu schützen und unabhängige Menschenrechtsorganisationen arbeiten zu lassen; Entwicklung einer transparenten und wirksamen Vorgangsweise im Rahmen des EU-Assoziationsabkommens mit Tunesien zum Monitoring und zur regelmäßigen Überwachung der Entwicklungen im Bereich Menschenrechte in Tunesien

Helfen Sie mit
Schreiben auch Sie an die tunesischen Behörden und fordern Sie eine unabhängige Untersuchung der Übergriffe sowie den Schutz für die MenschenrechtsverteidigerInnen:
Schreiben Sie E-Mails nach Tunesien:
M. Rafik Belhaj Kacem
Ministère de l'Intérieur
Avenue Habib Bourguiba
1000 Tunis
Tunisie

Fax: + 216 71 340 888

E-Mail: mint@ministeres.tn


M. Bechir Tekkari
Ministère de la Justice
31 Boulevard Bab Benat
1006 Tunis
Tunisie

Fax: + 216 71 568 106
E-Mail: mju@ministeres.tn




Mustertext:
Dear Minister,
I am writing to you to express my concern for the safety of human rights defenders attending civil society activities organized in conjunction with the World Summit on the Information Society (WSIS), and for foreign journalists reporting on these activities.
I urge you to conduct full, impartial and independent investigations into recent attacks on Tunisian human rights defenders and individual journalists, including French journalist Christophe Boltanski and LTDH president Mokhtar Trifi, to make the results public and to bring those found responsible to justice.
Furthermore, I call on you to take action to guarantee the safety of all human rights defenders, civil society activists, journalists and international observers attending the WSIS.
Finally, I urge to stop the intimidation of Tunisian human rights defenders and to recognize the legitimacy of their work and their right to carry out their activities without any restrictions or fear of reprisals, as laid out in international law.
Yours sincerely,

Nachricht: 2
Datum: Thu, 08 Dec 2005 00:34:09 +0100
Von: Aktion 18. Oktober
Betreff: Happy Birthday


Herzlich Glückwunsch zum 70. Frau Lindemaier

Teilnehmer/in schreibt ""Aktion 18. Oktober"

Herzlich Glückwunsch zum 70. Frau Lindemaier

Frau Helga Lindenmaier - Koordinatorin der ai-Sektion Tunesien - feiert am 7. Dezember ihren 70. Geburtstag. Wir gratulieren ihr dazu ganz herzlich und wünschen ihr weiterhin Wohlergehen und Schaffenskraft, Gesundheit und Erfolg.

Viele Menschen in der "Menschenrechtswüste" Tunesien haben ihr viel zu
verdanken: Seit vielen, vielen Jahren ist sie unermütlich in ihrem Einsatz für Aufklärung in Deutschland und die Verbesserung der Verhältnisse für die vielen politischen Gefangenen in Tunesien.

Sie hielt unzählige Vorträge in etlichen deutschen Städten über die katastrophale Lage im Urlaubsland der Deutschen. Und so manches Mal sah sie sich dabei Anfeindungen ausgesetzt und dem Vorwurf, sie sei ja noch nie dort gewesen. - Kunststück, denn Tunseien verwehrt ai - Mitarbeitern die Einreise.

Sie aber blieb unbeirrt in ihrem Engagement und wir wollen ihr aus Anlass ihres 70. Geburtstages dafür danken. Wir finden es großartig, dass sie, liebe Frau Lindenmaier, sich für Menschen einsetzen, die sie zwangsläufig fast nie persönlich kennen. Dieser Umstand ringt uns nur um so mehr Respekt ab und wir hoffen sehr, dass wir auch in Zukunft auf ihre Unterstützung bauen können.

Alles Gute wünscht "Aktion 18. Oktober

Liebe Helga,
auch von mir die besten Wünsche zum 70. Geburtstag viel Gesundheit und weiterhin viel Kraft für die aktive Arbeit bei ai.

Claudia

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151726
11/12/2005 11:24
11/12/2005 11:24
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Tunesien: Unterdrückung der Meinungs- und Informationsfreiheit während des UN-Gipfels zur Informationsgesellschaft - Rückblick und Aussichten
Quellen:
AI-Index: MDE 30/022/2005, UA 29005
AI-Index: MDE 30/023/2005, News Service No. 308
Université La Libre / Personal Communication
AI Index: MDE 30/026/2005, News Service No. 310
TUNeZINE, Bulletin No. 32
AI Index: MDE 30/027/2005, News Service No. 315
15.-19. November 2005


--------------------------------------------------------------------------------

Angriffe im Vorfeld
Vom 16.-18. November 2005 fand in Tunis der UN-Gipfel zur Infomationsgesellschaft (World Summit on the Information Society, WSIS) statt, dem seit Monaten Angriffe der tunesischen Behörden auf MenschenrechtsverteidigerInnen vorausgingen (siehe auch die Aktion zum inhaftierten Rechtsanwalt Mohammed Abbou).

In den Tagen vor dem Gipfel fanden erneut mehrere Übergriffe auf MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen statt:

Am 8. November 2005 wurde Mokhtar Trifi, Rechtsanwalt und Präsident der Tunesischen Menschenrechtsliga (LTDH), vermutlich von Sicherheitskräften in Zivil, niedergeschlagen. Der Vorfall wurde von den Behörden nicht untersucht.

Am 11. November 2005 traf es den Franzosen Christophe Boltanski, Mitarbeiter der französischen Tageszeitung Libération, dessen Artikel über den Überfall auf Mokhtar Trifi am gleichen Tag in der "Libération" erschienen war. Christophe Boltanski wurde geschlagen, ihm wurde mit Pfefferspray in die Augen gesprüht. Seine Unterlagen wurden ihm bei dem Überfall gestohlen. Der Angriff ereignete sich mitten in Tunis, in einem Botschaftsviertel; keiner der Sicherheitsleute bei den Botschaften kam dem französischen Journalisten zur Hilfe.

Am 14. November 2005 wurde vor dem Goethe-Institut, wo ein Treffen von MenschenrechtsverteidigerInnen stattfinden sollte, das Auto der Rechtsanwältin Radhia Nasraoui gewaltsam gestoppt. Die Anwältin, die sich in Begleitung zweier belgischer Journalisten befand, wurde beschimpft und bedroht; die angreifenden Polizisten nahmen dem belgischen Journalisten die Kamera ab.

Verhinderung des Parallelgipfels
Parallel zum UN-Gipfel zur Informationsgesellschaft wollte die tunesische Zivilgesellschaft einen Parallelgipfel organisieren. Dieser wurde von den Behörden verhindert. Der Veranstaltungsort wurde - offenkundig auf Druck der Staatsmacht - im letzten Monat abgesagt. Während des UN-Gipfels verhinderten Sicherheitskräfte parallele Veranstaltungen von NGOs, indem sie BesucherInnen Zugang zu deren Räumlichkeiten verwehrten.

Ehrendoktor für Radhia Nasraoui
Die erfreuliche Nachricht der Woche: Die Rechtsanwältin Radhia Nasraoui erhielt am Mittwoch, dem 16. November 2005, also zeitgleich zur Eröffnung des UN-Gipfels in Tunis, die Auszeichnung des Ehrendoktors der Freien Universität Brüssel (ULB). Die Anwältin wurde von dem Fernsehteam, das Zeuge des Angriffes auf sie zwei Tage zuvor geworden war, von Tunis nach Brüssel begleitet.

ai-Delegierte behindert
Die Menschenrechtsorganisation amnesty international schickte anlässlich des UN-Gipfels eine vierköpfige Delegation nach Tunis, um die Ereignisse und Entwicklungen während der Veranstaltung zu beobachten und die tunesische Menschenrechtsbewegung zu unterstützen.

Die ai-Delegierten wurden gewaltsam an einem Treffen mit Mitgliedern der tunesischen NGO "Conseil National pour les Libertés en Tunisie" (CNLT) gehindert. Ungefähr 15 bis 20 Sicherheitskräfte verwehrten den ai-MitarbeiterInnen Zutritt zum Büro der CNLT. Trotzdem gelang es die ai-Delegierten später, mit Sihem Bensedrine, der Sprecherin der CNLT, Kontakt aufzunehmen.

Beendigung eines einmonatigen Hungerstreiks
Am 18. Oktober 2005 traten acht prominente tunesische Dissidenten ("Mouvement du 18 octobre", darunter Radhia Nasraouis Ehemann Hamma Hammami sowie Richter Mokhtar Yahyaoui) einen Hungerstreik an, um auf die Menschenrechtssituation in Tunesien aufmerksam zu machen.

Am 32. Streiktag, dem 18. November 2005, gaben sie in einer öffentlichen Erklärung am Balkon von Richter Ayach Hammami das Ende des Hungerstreiks sowie die Gründung eines Komitees zur weiteren Verfolgung ihrer Forderungen bekannt. Die internationale Presse, darunter Fernsehteams von ARTE und Al-Jazeera, dokumentierte diese spektakuläre Pressekonferenz, die mit dem Ende des UN-Gipfels zusammenfiel.

Und nun? Kritik und Forderungen von ai
Nach Abschluss des UN-Gipfels fand die Menschenrechtsorganisation amnesty international scharfe Worte für das Vorgehen der tunesischen Behörden: Die Legitimität des Gipfels und seine Ergebnisse wären durch die Einmischung der tunesischen Behörden in Frage gestellt; laut ai sollte unter solchen repressiven Bedingungen kein UN-Gipfel mehr stattfinden.

amnesty international entwickelte eine Reihe von Forderungen:

an die tunesische Regierung: sofortige, gründliche und unabhängige Untersuchung der Übergriffe auf die MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen sowie strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen; unverzügliche Maßnahmen zur Gewährleistung der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit; endlich die Einladungen die Menschenrecht***pertInnen der UNO auszusprechen, die ihren Besuch im Land angemeldet haben

an die UNO: eine Untersuchung der zahlreichen Beeinträchtigungen für die Mitglieder der Zivilgesellschaft vor und während des UN-Gipfels sowie Veröffentlichung dieser Ergebnisse

an ausländische Regierungen: Unterstützung der MenschenrechtsverteidigerInnen in Tunesien

an die EU: der tunesischen Regierung auf höchster Ebene zu vermitteln, dass sie die Verpflichtung hat, MenschenrechtsverteidigerInnen zu schützen und unabhängige Menschenrechtsorganisationen arbeiten zu lassen; Entwicklung einer transparenten und wirksamen Vorgangsweise im Rahmen des EU-Assoziationsabkommens mit Tunesien zum Monitoring und zur regelmäßigen Überwachung der Entwicklungen im Bereich Menschenrechte in Tunesien

Helfen Sie mit
Schreiben auch Sie an die tunesischen Behörden und fordern Sie eine unabhängige Untersuchung der Übergriffe sowie den Schutz für die MenschenrechtsverteidigerInnen:

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Mustertext:

Dear Minister,
I am writing to you to express my concern for the safety of human rights defenders attending civil society activities organized in conjunction with the World Summit on the Information Society (WSIS), and for foreign journalists reporting on these activities.
I urge you to conduct full, impartial and independent investigations into recent attacks on Tunisian human rights defenders and individual journalists, including French journalist Christophe Boltanski and LTDH president Mokhtar Trifi, to make the results public and to bring those found responsible to justice.
Furthermore, I call on you to take action to guarantee the safety of all human rights defenders, civil society activists, journalists and international observers attending the WSIS.
Finally, I urge to stop the intimidation of Tunisian human rights defenders and to recognize the legitimacy of their work and their right to carry out their activities without any restrictions or fear of reprisals, as laid out in international law.
Yours sincerely,

Source: http://www.amnesty.at/gewerkschafterInnen/tunesien/tun20051125.htm

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151727
11/12/2005 14:03
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1. Saida Akremi - AISPPT
Von: AISPP Tunesien


Nachricht: 1
Datum: Thu, 08 Dec 2005 23:36:26 +0100
Von: AISPP Tunesien
Betreff: Saida Akremi - AISPPT

AISPP Tunesien

Frau Saida Akrami ist Generalsekretärin der "Association International de Soutien aux Prisonniers Politiques" (AISPP)und nahm in dieser Eigenschaft an einer Klausurtagung der "Internationalen Frauenbewegung für die Verteidigung der Menschenrechte" teil, die vom 29.11. bis 02.12.05 in Sri Lanka stattfand.
Bei ihrer Rückkehr wurde sie auf dem Flughafen Tunis von Polizeikräften der Staatssicherheit festgesetzt und durchsucht. Bei ihr befindliche Papiere wurden beschlagnahmt. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Dokumente über verschiedene Fälle von Menschenrechtsverletzungen,

die zum Teil von amnesty international, aber auch von anderen internationalen Menschenrechtsorganisationen erstellt wurden. Frau Akrami ist Rechtsanwältin und überdies seit Jahren als Aktivistin für Menschenrechte aktiv. Sie arbeitet dabei unter widrigsten Umständen.
Ihre Kanzlei und auch ihre Mandanten stehen unter ständiger Beobachtung durch Zivilspitzel der Staatspolizei. Sie selbst wird von ihnen auf Schritt und Tritt verfolgt. Einmal kam es sogar zu einem Übergriff auf offener Strasse, bei dem Frau Akrami im Beisein ihres Kindes von diesen Zivilspionen verprügelt wurde. Ihre Kanzlei wurde nachts aufgebrochen und durchsucht. Dabei wurden Mandatsunterlagen, aber auch wichtige persönliche Dokumente entwendet. Eine Erstürmung ihrer Privatwohnung wurde dermaßen rabiat durchgeführt, dass ihre Kinder vollkommen verschreckt waren.
Alle von ihr diesbezüglich gestellten Strafanzeigen verliefen im Sande. Die AISPP protestiert hiermit aufs Schärfste gegen die ständigen Schikanen und Belästigungen, denen Frau Akrami wegen ihres Engagements ausgesetzt ist. Wir fordern die tunesische Regierung zur Einhaltung der internationalen Abkommen auf, die den Menschenrechtlern wie Frau Akrami Handlungs- und Bewegungsfreiheit bei ihrer Arbeit garantieren.
Mohamed Nouri
Präsident der AISPP


Vielen Dank für diese Infos.

Claudia

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151728
11/12/2005 14:06
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1. Tunesische Menschenrechtler bei Calmy-Rey
Von: swissinfo 8. Dezember 2005

2. Der Gastgeber und sein Gipfel
Von: Mario Gongolsky

3. Die Kehrseite des Paradises


Nachricht: 1
Datum: Fri, 09 Dec 2005 23:55:52 +0100

Betreff: Tunesische Menschenrechtler bei Calmy-Rey

Tunesische Menschenrechtler bei Calmy-Rey
swissinfo 8. Dezember 2005 19:21


Teilnehmer des Hungerstreiks in Tunis.

Die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey hat am Donnerstag in Bern vier tunesische Menschenrechts-Aktivisten empfangen. Zwei von ihnen hatten während des Weltinformations-Gipfels vom November in Tunis mit einem Hungerstreik auf ihre Anliegen aufmerksam gemacht.


Das Treffen der tunesischen Aktivisten mit der Schweizer Aussenministerin kam auf Anfrage einer Freiburger Nichtregierungs-Organisation zu Stande. Zwei der vier Tunesier waren während des kürzlichen Weltinformationsgipfels (WSIS) aus Protest gegen die mangelnde Meinungsfreiheit in Tunesien im Hungerstreik. Die beiden anderen Aktivisten sind in der Schweiz ansässig.

Die oppositionellen Anwälte Abderraouf Ayadi und Samir Dilou, die sich am Hingerstreik beteiligt hatten, bedankten sich bei der Aussenministerin für die Haltung der Schweiz am Weltinformationsgipfel, wie Carine Carey, Sprecherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Donnerstag sagte. Unter Beobachtung Calmy-Rey versicherte den Anwälten, die Schweiz werde die Menschenrechtslage in ihrem Land weiter beobachten. Die Anwälte besuchten die Schweiz erstmals seit dem Ende ihres einmonatigen Hungerstreiks am 18. November.

Bundespräsident Samuel Schmid hatte am Weltinformationsgipfel die tunesische Regierung aufgerufen, die freie Meinungsäusserung zu respektieren. Die Übertragung seiner Rede war vom staatlichen Fernsehen unterbrochen worden. Die Schweiz hatte darauf bei der tunesischen Regierung protestiert.

Die tunesischen Oppositionellen, darunter auch Lotfi Hajji, Präsident der staatlich nicht zugelassenen Journalistengewerkschaft, sowie der Anwalt Ayachi Hammami, die sich ebenfalls am Hungerstreik beteiligt hatten, werden am Freitag in Genf mehrere UNO-Menschenrecht***perten treffen.

swissinfo und Agenturen

Nachricht: 2
Datum: Sat, 10 Dec 2005 19:44:19 +0100
Von: Mario Gongolsky
Betreff: Der Gastgeber und sein Gipfel

Der Gastgeber und sein Gipfel

Mario Gongolsky

Der schöne Schein kann die Spannung im Inneren des Landes nicht kaschieren.
Tunesien muss sich als Gastgeberland des UN-Gipfels zur Informationsgesellschaft vom 15. bis 18. November 2005 einen kritischen Blick der Weltöffentlichkeit gefallen lassen. Sprecher der Vereinten Nationen reagierten schon im Vorfeld gereizt:"Das ist ein Gipfel in Tunesien und nicht über Tunesien." Die Wahl des Tagungsortes wirft ein Licht auf die Beziehungen zwischen Europa und dem Maghreb.

Nach außen erstrahlt das Touristenparadies als tolerant und farbenprächtig. Die Fassade wird politisch gepflegt, durch die Stärkung der Frauenrechte und Unterdrückung islamistischer Strömungen. Ein verlässlicher Partner Europas, geeint im Kampf gegen den Terror. Doch das Bild der flimmernden Zitadelle von Bir Hakeim, an der sich im Krieg die Geschichte Europas und des Nahen Ostens berührten, ist ein Trugbild.

Tunesiens Präsident Zine el Abidine Ben Ali ist ein geschickter Diplomat in eigener Sache. Als er 1987 Präsident wurde, versprach er Freiheit und Fortschritt. Gehalten hat er seine Versprechen nicht. Er entschied die letzte Präsidentschaftswahl im November 2004 mit angeblichen 94 % Wählerzustimmung dennoch für sich. Zwar gehört Tunesien heute zu den wirtschaftlich stärksten Ländern Afrikas, doch leidet das Land unter einer sehr hohen Jugendarbeitslosigkeit. In den letzten Jahren war die Politik von Ben Ali durch eine erhöhte internationale Beteiligung einerseits und durch eine scharfe Unterdrückung oppositioneller Kräfte andererseits geprägt.

Von Pressefreiheit keine Spur
Die Organisation Reporter ohne Grenzen führt eine Hitliste der Pressefreiheit [1]. Sie umfasst 167 Plätze, bei der Tunesien den Platz 152 einnimmt. Somit ist Tunesien wirklich kein idealer Ort für eine Veranstaltung, in der es um den Zugang zu Informationen geht. Die Diskussion um Pressefreiheit und politische Verfolgung in Tunesien gibt immerhin der im Exil lebenden Opposition derzeit ein geeignetes Forum.

So zum Beispiel der regimekritischen tunesischen Journalistin Sihem Bensedrine, die seit Juni 2003 Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte ist. Seit sie 1999 versuchte eine Zeitung zu gründen, was ihr verwehrt wurde, und sie anschließend begann, im Internet eine regierungskritische Webseite aufzubauen, schwebt Sihem Bensedrine in höchster Gefahr: Mordanschläge, gesellschaftliche Diskreditierung, Haft; das Exil in Deutschland war der einzige Ausweg. Die Webseite Kalimatunisie [2] existiert weiterhin und die Geschichte von Sihem Bensedrine lässt sich auf Zentith-Online [3] nachlesen. Dass die Beziehungen zwischen Europa und Tunesien dennoch so ungetrübt und reibungslos funktionieren, erklärte Sihem Bensedrine in einem sehr lesenwerten Interview mit der TAZ: "Europa unterstützt ständig die Despoten südlich des Mittelmeers, von Marokko über Algerien, Tunesien, Ägypten, Jordanien und den Libanon bis Syrien und neuerdings sogar Libyen, statt die Demokratiebewegungen bei uns zu unterstützen. Europa hält diese Despoten für Garanten der Stabilität, für ein Bollwerk gegen den Terrorismus. Das ist ein Irrtum. Denn diese Regierungen fördern den Terrorismus, den sie angeblich bekämpfen."[4]

Internauten leben gefährlich

Bisweilen reicht der Besuch der falschen Webseite, um als krimineller hinter Schloss und Riegel zu gelangen. Neun junge Männer hatten versucht, sich per Internet über die Al-Quaida zu informieren. Eine folgenschwere Websuche. Angeblich hätten sie aus dem Internet Dateien heruntergeladen. Es bleibt unklar, ob es sich dabei nur um temporäre Internetdateien gehandelt hatte, die jeder Browser automatisch im lokalen Cache ablegt, oder ob aktive Dateidownloads ausgeführt wurden. Fest steht jedenfalls, dass die vermeintlichen Straftäter im April 2005 zu 19 Jahren Haft verurteilt wurden. Ein Mann wurde freigesprochen, sechs sitzen derzeit noch ein und auch das Berufungsgericht im nordtunesischen Zarzis blieb bei der Einschätzung, es handele sich bei den jungen Männern um Terroristen in Spee. Das Haftmaß wurde von 19 auf 13 Jahre gesenkt. Die Eltern und Anwälte der Inhaftierten beteuern, die Geständnisse seinen unter Folter zu Stande gekommen. In ihrer Verzweiflung bedienen sich nun auch Eltern und Freunde der verurteilten Jugendlichen des Internets. Der Appell zur Freilassung ihrer Söhne ist online zu verfolgen [5] und natürlich keimt bei den Angehörigen die Hoffnung, dass die Präsenz der Vereinten Nationen in Tunesien ein kleines Wunder für die Websurfer herbeiführen möge.

Keine Wende in Sicht
Tunesien versucht alles, um auf potenzielle Investoren attraktiv zu wirken. Die Aussicht, der Gipfel könne eine Öffnung für andere Meinungen und Ansichten schaffen und sei es nur im Internet, wird bislang eher ins Gegenteil verkehrt. Zur Strategie der tunesischen Regierung gehört es unter anderem, die Beteiligung der regierungsunabhängigen tunesischen Zivilgesellschaft zu unterbinden und gegen regierungstreue Organisationen zu ersetzen. Jedenfalls stellte Wolf Ludwig, Sprecher der Schweizer NGOs in einem Gespräch mit Swissinfo fest, dass beim dritten Tunis-Vorbereitungstreffen in Genf "Organisationen allgegenwärtig waren, die sich offiziell als NGO bezeichneten, gleichzeitig aber eine grenzenlose Bewunderung für das Regime von Präsident Ben Ali zeigten" und dass die Arbeit der wirklich regierungsunabhängigen Organisationen in Tunesien praktisch unmöglich geworden sei.[6]

Die Gefahren für den Erfolg des Gipfels zur Informationsgesellschaft lauern nicht primär in der tunesischen Innenpolitik, aber der beklagenswerte Mangel an Rede- und Informationsfreiheit in vielen Länder der Erde stellt die Ziele des Gipfels in Tunis vor eines seiner eigentlichen Problemstellungen.


17.11.2005

Nachricht: 3
Datum: Sat, 10 Dec 2005 23:38:15 +0100
Von: RSF
Betreff: Die Kehrseite des Paradises

Die Kehrseite des Paradises<!-- Text: [begin] -->
"Ihr habt keine Rechte hier, aber Willkommen in Tunesien." Mit diesen Worten hat ein tunesischer Polizist in Zivil eine Delegation von Reporter ohne Grenzen im Juni in Tunis davon abgehalten, an einer öffentlichen Anhörung im Gericht teilzunehmen. Dieser Satz zeigt, wie paradox die Situation in Tunesien ist: Mit dem Tourismus als inzwischen wichtigste Einnahmequelle ist das Mittelmeerland auf ein positives Image angewiesen. Zwar hat Tunesien alle intentionalen Vereinbarungen zur Wahrung der Menschenrechte unterzeichnet, doch bietet sich hinter der schönen Fassade aus Meer, Stränden und Märkten ein erschreckendes Bild: Grundlegende Menschenrechte wie Meinungs- und Informationsfreiheit sowie eine pluralistische Demokratie existieren nicht.

Präsident Ben Ali hat seit seiner Machtübernahme im November 1987 eine Propagandamaschine par exellence aufgebaut: Schlagzeilen sind immer die Tätigkeiten der Regierung. Kritische Journalisten werden mundtot gemacht; die "Schere im Kopf" hat sich bei vielen etabliert. Hunderte Webseiten sind gesperrt, Journalisten und Internetnutzer sind hinter Gittern. Aus Sicht von Reporter ohne Grenzen ist es daher völlig unverständlich, wie die Vereinten Nationen einen Gipfel, der der dem Austausch von freier Meinung und Information diesen soll, in einem Land stattfindet, das zu den weltweit repressivsten zählt und auf der aktuellen Rangliste von Reporter ohne Grenzen zur weltweiten Situation der Pressefreiheit Rang 147 von 167 einnimmt.

Die Medienlandschaft in Tunesien ist stark dezimiert: Neben den vorwiegend von der Regierung finanzierten Tageszeitungen La Presse (franz.) und Essahafa (arabisch) gibt ein Dutzend weiterer regierungsnaher Tages- und Wochenzeitungen. In den Schlagzeilen sind so gut wie immer Ben Ali und Regierungsmitglieder zu finden. Zwei landesweit erscheinende oppositionelle Publikationen - die monatliche Attariq aljadid sowie die Wochenzeitung Al-Maoukif - nehmen zwar einen überraschend unabhängigen Blickwinkel ein. Doch die Zeitungen, die von der Regierung anerkannten politischen Parteien gehören, haben mit ihrer geringen Auflage von 3.000 bzw. 5.000 Stück einen sehr geringen Einfluss, verglichen mit den 55.000 Exemplaren, die täglich von La Presse erscheinen.

"Die Regierung würde uns gerne schließen - aber auf der anderen Seite nutzt sie uns als Feigenblatt für eine freie Presselandschaft in Tunesien. Jegliches Vorgehen gegen uns würde den internationalen Ruf schädigen", sagt Rashid Kashana, Chefredakteur von Al-Maoukif.

Auch die audiovisuellen Medien sind so gut wie komplett unter staatlicher Kontrolle. Radio (mehrere landesweite Sender) und Fernsehen (C**** 7 und C**** 21) unterstehen der Regierung von Ben Ali und senden vor allem staatliche Propaganda.
Der einzige private TV-Sender ist Hanibal TV. Doch hier empfängt der Zuschauer keine Nachrichten sondern Unterhaltungsprogramme, Komödien und Koch-Programme. Mit Mosaique FM existiert ein offiziell unabhängiger Radiosender, der neben Musik auch Nachrichten bringt. Doch er ist - auch nach eigenen Angaben - sehr regierungsnah.


Neugründung von Publikationen: Zensur mittels Quittung

Offiziell hat zwar jeder das Recht, eine Publikation in Tunesien herauszugeben. Es ist keine Zulassung notwendig; lediglich eine "einfache" Registrierung im Innenministerium, für die es dann eine Quittung gibt. In der Praxis sieht es jedoch ganz anders aus: Der Beleg wir oft nicht ausgehändigt, und ohne ihn darf etwa eine Druckerei nicht drucken. So hat die tunesische Menschenrechtlerin und Journalistin Sihem Bensedrine seit 1999 dreimal vergeblich versucht, ihre Zeitschrift Kalima zu registrieren. Mittlerweile veröffentlicht sie sie vom Ausland aus im Internet. Der frühere Universitäts-Professor und Regierungskritiker Mohammad Talbi wartet schon seit 1989. Ohne Beziehungen zu hochrangigen Politikern ist es offensichtlich nicht möglich, eine Publikation neu zugründen; auch nicht zu Architektur-, Kultur- oder Technologiethemen. Auch der international anerkannte Tunesische Journalistenverband mit 160 Mitgliedern darf in Tunesien nicht offiziell tätig sein.


Journalisten hinter Gittern
Das Pressegesetz erlaubt Haftstrafen von ein bis drei Jahren für die Verleumdung von u.a. Behörden- und Regierungsmitgliedern, von fünf Jahren, wenn der Präsident, und von sechs Monaten wenn eine Privatperson verleumdet wird.
Zwar heißt es offiziell, dass seit 1987 kein Journalist wegen seiner Arbeit verhaftet wurde, doch ergaben die Recherchen von Reporter ohne Grenzen: Mindestens sechs Journalisten sind in den vergangenen Jahren verhaftet und wegen "Diffamierung" und dem "Verbreiten falscher Nachrichten" verurteilt worden. Derzeit ist mit Hamadi Jebali, Herausgeber der Wochenzeitung Al-Fajr, noch ein Journalist hinter Gittern. Er ist 1991 wegen "Diffamierung" und "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" verurteilt worden und kommt voraussichtlich 2008 frei. Der Rechtsanwalt Mohammad Abou ist für mehrere Jahre im Gefängnis, u.a., weil er auf der Website Tunisnews die Folter von Gefangenen in Tunesien mit den Misshandlungen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib verglichen hat.

Zensur betrifft weniger die nationale Presse, denn die sind ohnehin unter staatlicher Kontrolle, sondern vielmehr die ausländische: Zahllose französische, europäische und arabische Publikationen dürfen nicht in Tunesien erscheinen. So werden Lieferungen von Le Monde und Libération immer wieder an der Grenze zurückgehalten oder mit Tagen Verspätung ausgeliefert. Offiziell jedoch heißt es: "Seit dem 7. November 1987 ist keine Zeitung und kein Magazin am Erscheinen gehindert worden."

Auch der das Bild Tunesien außerhalb der Landesgrenzen wird kontrolliert: Die Tunesische Agentur für Außenkommunikation überwacht und koordiniert alle Anfragen ausländischer Journalisten, auch zu Themen wie Wissenschaft, Kultur und Soziales.

Ebenso ist das Internet, von Ben Ali nicht erst anlässlich des Weltinformationsgipfels als wichtiges Medium anerkannt, ist in Tunesien nicht frei von Kontrolle. Zahlreiche Webseiten, etwa von Menschenrechtsgruppen und politischen Parteien, die nicht offiziell anerkannt sind, können in Tunesien nicht aufgerufen werden. Fünf junge Internetnutzer erhielten für den Besuch verbotener Webseiten bis zu 13 Jahren Haft. Und Sihem Bensedrine ist u.a. wegen ihrer journalistischen und Menschenrechtsarbeit im Internet mehrfach in Zeitungen diffamiert, auf offener Straße angegriffen, inhaftiert und misshandelt worden.

Reporter ohne Grenzen hat aus all diesen Gründen die Vereinten Nationen bereits im Juli aufgefordert, das Vorgehen Ben Alis zu verurteilen, um so einige positive Maßnahmen im Vorfeld des Gipfels zu erwirken. Bisher ist nichts dergleichen geschehen.

Quelle:
reporter-ohne-grenzen


WSIS in Tunis: ROG an Einreise gehindert

Bürger-Gipfel/Liste: 15 Feinde des Internets

Der Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen durfte gestern nicht nach Tunesien einreisen. Beamte in Zivil haben ihn daran gehindert, das Flugzeug zu verlassen und Ménard musste nach Paris zurückkehren. Obwohl er für den bis heute dauernden Weltinformationsgipfel akkreditiert ist, wurde ihm die Einreise nach Tunesien wegen angeblich fehlender Akkreditierung verweigert.

Die Aktion gegen Ménard, die tätlichen Angriffe auf französische und belgische Journalisten sowie die ständige Überwachung eines französischen Fernsehteams in den vergangenen Tagen zeigen, was in Tunesien auch für einheimische Journalisten Alltag ist: Eine freie und kritische Berichterstattung wird mit allem Mitteln unterdrückt. ROG kritisiert dieses Vorgehen auf das Schärfste.

Eine Delegation von Reporter ohne Grenzen, die bereits am Dienstag ungehindert einreisen konnte, nimmt an einem "Bürger-Gipfel" teil, den 20 Nichtregierungs-Organisationen initiiert haben. Dieser alternative Gipfel findet in den Räumen der lokalen Liga für Menschenrechte statt. "Da die Behörden es verhindern, einen Gegengipfel in gebührender Form abzuhalten, hatten wir keine andere Möglichkeit als ein Treffen bei der Liga für Menschenrechte zu improvisieren. Dies hat uns trotz allem ermöglicht, die wiederholten Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Tunis und Zensur im Internet öffentlich zu machen", erklärt Reporter ohne Grenzen.

Auf diesem Gipfel hat ROG eine Liste der "15 größten Feinde des Internets" veröffentlicht. Die Menschenrechtsorganisation kritisiert die Zensur in China, Kuba, Iran, Weißrussland, Tunesien und zehn weiteren Ländern mit autoritären Regimen. "Diese Länder sind die repressivsten Staaten der Welt, was den freien Meinungsaustausch im Internet angeht. In diesen Ländern werden unabhängige Internetseiten zensiert, Blogger und regierungskritische Cyberdissidenten belästigt oder sogar inhaftiert. Oft ist der Zugang zu Information im Internet auch nur einer kleinen Elite vorbehalten", erklärt Reporter ohne Grenzen.

"Wir stellen außerdem ein weiteres Dutzend Länder vor, die Maßnahmen zur Überwachung des Internets verabschiedet haben. Die Situationen sind zwar nicht vergleichbar, aber in den USA oder der EU beunruhigen Tendenzen, den freien Meinungsaustausch im Internet zu kontrollieren", fügt die Organisation hinzu.

Re: Protest gegen Zensur von Bundespräsident Schmid in Tunis #151729
13/12/2005 23:37
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