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Blicke wilder Unschuld...
#108800
03/08/2001 19:19
03/08/2001 19:19
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Joined: Jun 2001
Beiträge: 147 Wien
piero
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Beiträge: 147
Wien
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Einerseits bin ich gelernter Europäer, andererseits aber doch auch Skeptiker genug um im gezähmten Kapitalismus das Heil des Lebens zu entdecken. Als Schwuler schaut man sich Jungs an und nicht Mädchen; selbst dann Jungs, wenn man fest vergeben ist (So wie ich) oder einfach nicht so auf dieses Alter steht (So wie ich). Ich komme da also aus dieser Livestylegesellschaft rüber nach Afrika und versuche mit den Augen des Gastes zu sehen. Ich habe die Inhalte mancher Beiträge dieses Forums noch im Hinterkopf, als ich über die Straßen von Madhia spaziere oder an der Strandpromenade Sprite trinke, als mir plötzlich bewusst wird, dass über eins noch nicht geschrieben wurde. Zumindest nicht in der Tiefe, wie es mir bewusst wurde: Ohne auch nur einen Hauch der Präpotenz mit sich zu führen, wirken die Jugendlichen dort wesentlich authentischer und in sich echter als alles, was ich bisher gesehen habe. Unterschwellig transportieren sie ein ungeheures Maß an Erotik mit sich, kokettieren damit, werden aber nie aufdringlich. In ihrem Blick ist eine seltene Mischung aus wilder Unschuld, Begierde und Prüderie. Keine Raver, Skater, Baggyboys, keine Buffalos etc... mit dem wenigen dass sie haben strahlen sie tausendmal heller als Großstadtjungs in Europa. Es wurde viel über die landschaftliche Schönheit Tunesiens geschrieben, über die Klimaanlagen der Hotels, dem Ausblick von Sidi Salem und dem professionellen Grinsen der Animateure; wenig über die Stricher, die an der Seite feister Freier in der Hoteldisco sitzen und Cola schlürfen, es wurde viel über die Ehe geschrieben und über Religionen. Aber keine Worte über das Feuer in den Augen der Jungs, das Zucken ihrer Lenden und die leiser als geflüsterten erotischen Versprechen, die wie Blätterrascheln in der Luft hängen. Lebenfreude unabhängig vom sozialen Status, wie auf die Hafenmauer gemalte Jungs, in ihrer unerschütterlichen Lässigkeit unberührbarer als die coolsten Raver; keine Standesdünkel. Ichwollte damit zum Ausdruck bringen, dass die wild-würzige Romantik dieser Jungs wohl für hetero- homo- oder Bisexuelle wohl ebenso den Gesamteindruck prägt, wie die Landschaft, die maurischen Gebäude, die Moscheen oder die Klippen, der Hafen und der Sandstrand... Beste Grüße, Peter
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Re: Blicke wilder Unschuld...
#108804
05/08/2001 00:26
05/08/2001 00:26
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Joined: May 2001
Beiträge: 1,203 Austria
Chiara
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Joined: May 2001
Beiträge: 1,203
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@Piero ich glaube ich weiss was Du meinst. Dieser unschuldiger Blick, die geheimmnissvollen Augen, ausstrahlende Erotik ( ob beabsichtigt oder nicht ), soetwas findet man(n) einfach nicht in Europa. Ich glaube das ist einfach auch ein Grund, wieso es so viele Menschen nach Tunesien bzw. einfach in arbaische Länder zieht. Dieses etwas .... Einfach ein Geheimniss, welches vielleicht keines ist. Die Frage, wenn man jemanden auf der Strasse sieht, was ist er, was macht er, was hat er erlebt ... Das stellt man sich in Wien z.b. nicht, wenn man einfach wildfremde Personen auf der Strasse sieht, in einem Lokal .... Es ist alles zu hektisch, jeder für sich, kein Soziales Interesse, man schaut nur auf den Menschen wenn überhaupt, nicht auf das was in einem ist ....... Traurig aber wahr. Vielleicht flüchten sich deshalb so viele Menschen in Ihre Gedanken, Träume, Urlaubserinnerungen ...........
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Re: Blicke wilder Unschuld...
#108806
05/08/2001 13:44
05/08/2001 13:44
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Joined: Jun 2001
Beiträge: 147 Wien
piero
OP
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Joined: Jun 2001
Beiträge: 147
Wien
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Ich bin in Wien. Zur Zeit (Genauer gesagt: Heute noch) habe ich Urlaub und ab Morgen muß ich wieder arbeiten gehen. Dass Dir meine Art die Dinge zu beschreiben gefällt, freut mich natürlich. Ich tue allerdings nichts anderes, als Momente zu fokussieren und so ehrlich wie möglich aufs Papier zu bringen. Theorien sind für mich zu müssig; es kann keinen präzisen Überblick über die Befindlichkeiten über eine Landeskultur geben. Und so nutze ich eben das Fenster, dass sich mir öffnet und beschreibe sehr subjektiv die persönlichen Eindrücke. Sie standen an der Promenadenmauer, dort, wo die Festbühnen aufgebaut waren, saßen auf der Mauer und gondelten mit ihren Mopeds herum, Jungs von geschlechtsloser Schönheit, aus der Ewigkeit gekippt. Eigentlich mehr als die Summe der Worte die sie beschreiben könnten, scheinen sie das Rufzeichen hinter dem Wort: "Jugendlich" zu sein. Jene lauernde, prätentiöse Haltung, Blicke die taxieren und den Wert eines Menschen bemessen wollen, habe ich an ihnen nicht entdeckt. Und ich denke nicht, dass ich ein Mensch bin, der sich zu subjektiv an engen Gedanken erfreut. Es mag sein, dass ihnen vieles fehlt, dass ein europäischer Junge zum Glück braucht; wenn es ihnen abgeht, so haben sie das Fehlen dieser Güter und Scheinfreiheiten in ihr Leben integriert; der Hunger hält sich in Grenzen, gibt aber ihren Blicken eine ganz eigene Qualität. Ich ging einfach hin, setzte mich auch auf die Mauer und sah mich um. Auf der Straße, wo das Leben pulsierte und lachte und suchte und wartete, und nach hinten, über das Ödland zum Strand, wo sich die Ewigkeit des Meeres mit der Landmasse verband. Obwohl ich durchaus weiß, dass ich hier fokussiere, muß ich doch auch schreiben, dass über allem ein Hauch unschuldiger, wilder Sexualität waberte wie eine Strahlung, eine unfühlbare Vibration, die durchaus auch nervös machen kann. Kickt man diesen Fokus beiseite, bleibt ungetrübte Lebensfreude. Tiefer zu blicken blieb mir verwehrt. Ich kenne ihre Sorgen nicht, den Hunger des täglichen Lebens, die Wirren religiöser Verpflichtungen. Ich kann nur beschreiben, wie sie auf mich wirkten. Also maße ich mir in keinster Weise an, das Leben er Jungs in Tunesien zu bewerten. Das sollen andere tun. Sehr wohl kann ich aber mein Empfinden bewerten. Jedenfalls fand ich dort ein Lebensgefühl, das eben sehr wohl doch von den Einheimischen bestimmt wird und nicht von den Touristen, die sich wie Metastasen an den uralten Kulturen mästen, und an den biegsamen Leibern der Jugendlichen. Es liegt nun an mir selbst, viel von der Atmsophäre, die ich in mich aufgenommen habe, zu konservieren und weiterzugeben. Beste Grüße, Peter
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Re: Blicke wilder Unschuld...
#108807
05/08/2001 14:41
05/08/2001 14:41
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Joined: Jul 2001
Beiträge: 313 Österreich
Oase
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Joined: Jul 2001
Beiträge: 313
Österreich
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Piero, Es bedarf nicht vieler Worte, um meiner Zustimmung Ausdruck zu verleihen... Die Jugendlichen, als hätte sich das Schicksal gegen sie verschworen und ihnen im wahrsten Sinne des Wortes Steine in den Weg gelegt, müssen sie immer öfter parallel zu ihrem eigentlichen Kurs oder sogar zurückschreiten, um jäh aufklaffenden Spalten oder bizarren Barrieren auszuweichen... Doch sie wehren sich noch immer, ihre Gedanken sind längst ein einziges Chaos aus Angst, Sexualität und dumpfer Verzweiflung, aber ihr Körper kämpft weiter, denn er ist eine ein Leben lang sexuell ausgehungerte Maschine, geschaffen für das Neue... Was sie sahen musste ihnen ungeheuerlich, unglaublich vorkommen, ihre Herzen schlagen wild und unregelmäßig... Danke für Deine Eindrücke...
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Re: Blicke wilder Unschuld...
#108820
13/08/2001 19:06
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Joined: Jun 2001
Beiträge: 147 Wien
piero
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Ne ne, bin noch immer da. Aber da mein Urlaub nun doch zu Ende ist und ich nach meiner Rückkehr ins Berufsleben so einige Überraschungen erlebte, war ich wirklich zu beschäftigt, hier anzutanzen. Eine Kollegin kündigte und so bin ich jetzt eine Art Buddy fürs Team, organisiere Schulungen, halte selbst welche, eskaliere größere Probleme und teste gerade für den Provider WinXP. Darüber hinaus verbringen mein Freund und ich jede sonnige Minute im Freien. Denn: Der nächste Winter kommt bestimmt. Erst gestern waren wir mit den Fahrrädern auf der Donauinsel und in einem besonders verträumten Moment erlebte ich sowas wie ein Flashback: Der Beton unter den Füßen verwandelte sich in Sand, das sanfte Glucksen des Wasser in das Rauschen eines Meeres; die Leute um mich sahen friedlicher aus, mit echterem Lächeln im Gesicht. Ein paar junge Leute schlenderten händchenhaltend vorbei und das war es auch schon. Der Moment hatte die Anmut von gut gefilmter Zeitlupe; dennoch war der Augenblick rissig und an den Rändern schon etwas abgegriffen. Aber ich weiß, wo ich meinen nächsten Urlaub verbringen werde... Beste Grüße, Peter
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Re: Blicke wilder Unschuld...
#108821
13/08/2001 19:12
13/08/2001 19:12
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Joined: Jun 2001
Beiträge: 147 Wien
piero
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Übrigens habe ich weitergesucht, nach dieser animalischen Schönheit, aber ich wußte, dass ich mir das hätte sparen können. Ich denke, ein Leben voller Entbehrungen, gepaart mit dem Leben an der freien Küste hält in Atem, fördert den Lebenswillen und die Lust... Im quasi feudalen Westen gibt es den Hunger nach innerer Befriedigung nicht mehr, weil hier Oberflächlichkeit zum Status Quo mediengercht in Szene gesetzt wurde. Wo die Luft des Südens die Menschen im Bewegung hält und wilder atmen lässt, dort gibt es auch dieseGestik, die Mimik, den Blick, der zwischen cool, scheu, aufmüpfig und geil schwankt wie ein irrisierendes Licht. Was soll hier schon vibrieren? Ein Volk, dass in sich selbst stagniert, weil es nur noch erstarrt in Selsbtzufriedenheit hat den Hunger in den Augen nicht mehr nötig. Die Schönheit mag dort sein, wo der Kampf des Lebens den Menschen formt und poliert. In einer erkalteten Asche braucht man nicht nach Perlen zu suchen. Peter
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