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amnesty international Deutschland Jahresbericht 2002 #145039
11/06/2002 08:43
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amnesty international Deutschland
Jahresbericht 2002

Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2001
TUNESIEN

Amtliche Bezeichnung: Republik Tunesien
Staatsoberhaupt: Zine El 'Abidine Ben 'Ali
Regierungschef: Mohamed Ghannouchi
Hauptstadt: Tunis
Einwohner: 9,6 Millionen
Amtssprache: Arabisch
Todesstrafe: nicht abgeschafftbr>


Bis zu 1000 politische Gefangene, die meisten von ihnen gewaltlose politische Gefangene, blieben während des Berichtsjahres inhaftiert. Viele der Häftlinge befanden sich seit über zehn Jahren in staatlichem Gewahrsam. Die Familien der Gefangenen wurden häufig schikaniert, und man verweigerte ihnen ihre Grundrechte. Die Behörden setzten verschiedene Methoden ein, um zu verhindern, dass ehemalige Gefangene nach ihrer Freilassung wieder ein normales Leben führen konnten. Im Verlauf des Jahres 2001 wurden mehrere Regierungsgegner festgenommen. Darunter befanden sich mehrere politische Gegner und vermeintliche Oppositionelle, die im Ausland lebten und bei der Einreise nach Tunesien festgenommen wurden. Ihnen allen drohten unfaire Verfahren vor Militärgerichten. Die Behörden verstärkten nochmals ihre Repressionsmaßnahmen gegenüber Menschenrechtsverteidigern. In einem allgemeinen Klima der Straflosigkeit wurden sowohl aus Polizeiwachen als auch Gefängnissen nach wie vor Folterungen und Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte gemeldet.

Hintergrundinformationen

Die Regierungspartei Rassemblement Constitutionnel Démocratique startete im Berichtsjahr eine Kampagne, in der sie dazu aufrief, Präsident Ben 'Ali 2004 für eine vierte Amtszeit wieder zu wählen. Präsident Ben 'Ali hatte am 7. November 1987 sein Amt angetreten und im Juli 1988 eine Verfassungsänderung eingeführt, die höchstens drei aufeinander folgende Amtszeiten des Staatschefs vorsah. Präsident Ben 'Ali wurde 1999 für die dritte Amtsperiode gewählt. Diejenigen, die es 2001 wagten, sich gegen eine mögliche Wiederwahl des amtierenden Präsidenten auszusprechen, sahen sich Repressalien ausgesetzt.

Im Juli wurde unter dem Vorsitz des Menschenrechtlers Moncef Marzouki eine neue politische Partei, der Republikanische Kongress (Congrès pour la République), gegründet. Die Partei, die Ende des Berichtsjahres noch nicht zugelassen war, forderte Bürgerrechte und politische Freiheiten sowie eine Reformierung des politischen Systems.

Nach den Anschlägen vom 11. September in den USA nutzten die Behörden den so genannten »Kampf gegen den Terrorismus«, um die systematischen Repressionen der vergangenen zehn Jahre zu rechtfertigen und ihre Maßnahmen gegen Menschenrechtler, politische Oppositionelle und politische Gefangene weiter zu verschärfen.

Menschenrechtsverteidiger

Die Behörden verstärkten repressive Maßnahmen gegen Menschenrechtler, um so deren friedliche Aktivitäten zu unterbinden. Die Maßnahmen umfassten Festnahmen und Inhaftierungen, rechtliche Schritte, Misshandlungen durch Sicherheitsbeamte, polizeiliche Überwachungen und Schikanen. Mehrere Menschenrechtsverteidiger durften das Land nicht verlassen oder sahen sich willkürlichen Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit ausgesetzt. Des Weiteren wurden Kommunikationswege wie Telefon-, Fax- und Internetverbindungen gekappt.

Die beiden größten tunesischen Menschenrechtsorganisationen sahen sich nach wie vor enormen Schwierigkeiten gegenüber.

Die Gerichtsverfahren gegen die Tunesische Menschenrechtsliga (Ligue tunisienne des droits de l'homme – LTDH) wurden fortgesetzt. Im Februar annullierte das Gericht die Ergebnisse der Generalversammlung der LTDH vom Oktober 2000, einschließlich der Wahl des neuen Führungsgremiums. Ein Vertreter von amnesty international hatte den Prozess beobachtet. Im Juni ordnete das Berufungsgericht in Tunis Neuwahlen zum Vorstand der LTDH an. Die Behörden leiteten im Januar und März Gerichtsverfahren gegen den neu gewählten LTDH-Vorsitzenden Mokhtar Trifi und seinen Stellvertreter Slaheddine Jourchi ein, weil man ihnen die Unterzeichnung eines LTDH-Kommuniqués zur Last legte, in dem Menschenrechtsverletzungen verurteilt worden waren.

Es wurden Maßnahmen zur Einschränkung der Aktivitäten des Nationalen Rates für Freiheit in Tunesien (Conseil national pour les libertés en Tunisie – CNLT) eingeleitet. Der CNLT war im Dezember 1998 gegründet worden, hatte jedoch bis Ende 2001 immer noch keine Zulassung von den Behörden erhalten. Mehrmals wurden Mitglieder an der Teilnahme an Versammlungen gehindert und von den Sicherheitskräften misshandelt. Gegen führende Mitglieder des CNLT wurden außerdem rechtliche Schritte eingeleitet.

Am 26. Juni nahmen Sicherheitskräfte am Flughafen Tunis bei ihrer Ankunft die Journalistin und Sprecherin der CNLT, Sihem Ben Sedrine, fest. Eine Vertreterin von amnesty international beobachtete am 5. Juli die Anhörung vor dem Ermittlungsrichter. Sihem Ben Sedrine wurde auf Anordnung des Präsidenten am 11. August freigelassen, das gegen sie unter der Anklage der Diffamierung angestrengte Verfahren war jedoch weiterhin anhängig. Die Anklage bezog sich auf Stellungnahmen der Journalistin über die mangelnde Unabhängigkeit des Gerichtswesens, die sie im Juni in Al Mustakillah, einem privaten Fernsehkanal mit Sitz in der britischen Hauptstadt London, abgegeben hatte.

Zwischenstaatliche Organisationen

Im Januar gab die UN-Sonderberichterstatterin über Menschenrechtsverteidiger in ihrem Bericht an die UN-Menschenrechtskommission an, sie habe von den tunesischen Behörden keine Antwort auf dringende Appelle erhalten, die sie im November 2000 bezüglich Moncef Marzouki sowie der Amtsenthebung des neuen Vorstands der LTDH eingereicht hatte. Im Mai verabschiedete die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker eine Resolution über die Situation der Menschenrechtler in Tunesien und äußerte Besorgnis über die Entscheidung der Regierung vom November 2000, die Aktivitäten der LTDH auszusetzen.

Internationale Menschenrechtsorganisationen

In dem fortgesetzten Versuch, internationale Menschenrechtsorganisationen daran zu hindern, die Menschenrechte im Land zu überwachen, wurden deren Vertreter entweder ausgewiesen oder ihnen die Einreise ins Land verweigert. Einige Mitglieder internationaler Menschenrechtsorganisationen wurden von Angehörigen der Sicherheitskräfte tätlich angegriffen.

Obwohl der Minister für Menschenrechte, Slaheddine Maaoui, am 6. April 2001 in einem Interview in der französischen Tageszeitung Le Monde angegeben hatte, dass die beiden Vertreter des Internationalen Bundes der Menschenrechtsligen (Fédération internationale des ligues des droits de l'homme – FIDH) und von amnesty international, denen seit 1995 beziehungsweise 1994 die Einreise nach Tunesien verboten ist, im Land willkommen seien, erfuhren die wiederholten Anfragen hinsichtlich einer gemeinsamen Reise in das Land keine positive Antwort.

Im September wurden zwei Vertreter von amnesty international während eines offiziellen Besuchs in Tunesien nachts von zivil gekleideten Angehörigen der Sicherheitskräfte festgenommen und misshandelt. Ausrüstung und Dokumente über Menschenrechtsfragen wurden gestohlen. Bei einem Treffen der ai-Vertreter mit dem Minister für Menschenrechte, das vor ihrer Ankunft in Tunis vereinbart worden war, bestritten die Behörden die Schwere des Übergriffs und konnten die Besorgnis von amnesty international bezüglich der Sicherheit von Menschenrechtlern im Land nicht teilen. Mindestens ein Mann gab an, von Angehörigen der Sicherheitskräfte mit dem Tode bedroht worden zu sein, um ihn davon abzuhalten, mit den Vertretern von amnesty international zusammenzutreffen.

Folterungen und Misshandlungen

Politische Gefangene, darunter auch gewaltlose politische Gefangene, und Strafgefangene wurden nach wie vor Folterungen und Misshandlungen unterzogen. Obwohl in mindestens einem Fall Justizvollzugsbeamte wegen Folterungen unter Anklage gestellt und zu vierjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, blieb ein Gesetz aus dem Jahr 1999, welches Folter als Straftat definiert, nach wie vor weitgehend unbeachtet. Mindestens ein Mann starb Berichten zufolge 2001 an den Folgen von Folterungen in der Haft.

Am 9. März starb der 25-jährige Abderrahman Jhinnaoui im Gefängnis. Man hatte ihn am 12. Januar unter Diebstahlverdacht festgenommen. Anschließend war er Berichten zufolge von der Polizei gefoltert worden, um ihn zu einem Geständnis zu zwingen. Nach einem 54-tägigen Hungerstreik, mit dem er seine Unschuld beteuerte, soll Abderrahman Jhinnaoui von Beamten der Gefängnisverwaltung gefoltert worden sein. Einige Tage darauf starb er. Obwohl die Ermittlungen zu seinem Tod Ende des Berichtsjahres noch nicht abgeschlossen waren, bestritten die Behörden, dass sein Tod auf Folterungen zurückzuführen sei. Die Behörden übten auch starken Druck auf die Familie aus, rechtliche Schritte zu unternehmen, um die Forderungen tunesischer Menschenrechtler nach einer Untersuchung des Todes von Abderrahman Jhinnaoui zu stoppen.

Politische Gefangene, darunter auch gewaltlose politische Gefangene, wurden unter extrem harten Bedingungen in Haft gehalten und mehrere von ihnen misshandelt, wenn sie – gewöhnlich mit Hungerstreiks – gegen diese Bedingungen protestierten. Ein im Mai verabschiedetes neues Gefängnisverwaltungsgesetz blieb weitgehend unbeachtet.

Abdelatif Bouhajila, ein 31-jähriger politischer Gefangener, der nach einem unfairen Gerichtsverfahren im November 2000 zu einer 17-jährigen Haftstrafe verurteilt worden war, begann im Mai im Borj-Erroumi-Gefängnis in Bizerte einen Hungerstreik, um gegen die schlechten Haftbedingungen zu protestieren. Abdelatif Bouhajila, der unter Asthma, einer Nierenerkrankung und einer Blutgerinnungsstörung litt, wurde jegliche ärztliche Hilfe verweigert, stattdessen verlegte man ihn in eine überfüllte Zelle und zwang ihn, auf dem Boden zu schlafen. Im Juli wurde er nach Misshandlungen durch Angehörige des Wachpersonals in das Zivilgefängnis »9. April« in Tunis überführt.

Gewaltlose politische Gefangene

Tatsächliche oder vermeintliche Regierungsgegner des gesamten politischen Spektrums sahen sich nach wie vor wegen der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung Festnahmen und Inhaftierungen ausgesetzt.

Im Juni musste der 64-jährige Mohamed Mouadda, ein ehemaliges Führungsmitglied der oppositionellen Bewegung der Sozialdemokraten (Mouvement des Démocrates Socialistes – MDS), erneut ins Gefängnis, um seine Reststrafe zu verbüßen. Man hatte Mohamed Mouadda, einen gewaltlosen politischen Gefangenen, im Oktober 1995 festgenommen und nach einem unfairen Gerichtsverfahren zu elf Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Im Dezember 1996 hatte er unter Auflagen das Gefängnis verlassen können. Im März 2001 unterzeichnete Mohamed Mouadda gemeinsam mit Rached Ghannouchi, dem im Exil lebenden Führer der verbotenen islamistischen Bewegung al-Nahda, ein gemeinsames Manifest, in dem sie die mögliche Kandidatur von Präsident Ben 'Ali für die nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2004 ablehnten.

Schikanierungen von Familien von Gefangenen und ehemaligen Gefangenen

Weiterhin wurden verschiedene Methoden angewandt, um auf Familienangehörige von politischen Gefangenen Druck auszuüben. Einigen wurde der Zugang zu medizinischer Betreuung versagt, oder sie hatten Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden beziehungsweise ihre Arbeitsplätze zu erhalten. Ihre Häuser wurden überwacht und ihre Telefonleitungen gekappt.

Die Behörden ergriffen außerdem Maßnahmen, um ehemalige Gefangene daran zu hindern, wieder ein normales Leben aufzunehmen. Hunderten von ehemaligen politischen Gefangenen wurde das Recht verweigert, sich an einer Universität einzuschreiben, man entließ sie von ihren Arbeitsstellen und verweigerte ihnen medizinische Versorgung. Einige wurden ohne Angabe von Anklagepunkten erneut in Haft genommen, andere von der Polizei beschattet. Auf der Grundlage administrativer Kontrollmaßnahmen (Contrôle Administratif) waren ehemalige politische Gefangene verpflichtet, eine Genehmigung zu beantragen, wenn sie Reisen im Land unternehmen wollten. Oftmals wurden auch willkürliche Auflagen verfügt, die sie zwangen, sich während der Arbeitszeiten täglich – manchmal sogar mehrmals am Tag – auf örtlichen Polizeiwachen zu melden.

Unfaire Gerichtsverfahren

Unfaire Gerichtsverfahren und Straflosigkeit stellten auch im Berichtsjahr landesweit ein großes Problem dar. Mehrere Zivilisten wurden vor Militärgerichte gestellt, deren Verfahren internationalen Standards der Fairness nicht genügten. Vorwürfe über Folterungen zogen für gewöhnlich weder Ermittlungen noch strafrechtliche Schritte nach sich. Beschwerden, die gegen die Sicherheitskräfte oder die Justizvollzugsbehörden wegen Misshandlungen eingelegt wurden, führten nur selten zur Aufnahme von Ermittlungen. In einigen Fällen weigerte sich die Polizei, die Anzeigen von Opfern oder ihren Familien aufzunehmen. Menschenrechtsanwälte waren Schikanen und Einschüchterungsmaßnahmen ausgesetzt, während ihre Mandanten ebenfalls schikaniert wurden, um die Arbeit der Anwälte zu behindern.

Am 6. Juli richtete Mokhtar Yahiaoui, der Vorsitzende Richter der 10. Kammer am erstinstanzlichen Gericht in Tunis, einen offenen Brief an Präsident Ben 'Ali, in dem er kritisierte, dass Richter gezwungen würden, sich Entscheidungen der Regierung über das Ergebnis von Ermittlungen und Prozessen zu fügen. Er forderte die Umsetzung und Garantie der verfassungsgemäßen Prinzipien der Unabhängigkeit der Justiz. Mokhtar Yahiaoui wurde daraufhin von seinem Amt suspendiert, vor ein Disziplinargericht geladen, aber nach einer nationalen und internationalen Solidaritätskampagne kurz vor dem Termin, der für die Anhörung angesetzt war, in das Amt des Vorsitzenden Richters der 5. Kammer eingesetzt. Der UN-Sonderberichterstatter über die Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten sandte im Juli ein Dringlichkeitsschreiben an die tunesischen Behörden und bat um Klärung der Angelegenheit. Eine Antwort der tunesischen Regierung erhielt er erst im November. Gegen Ende des Jahres wurde Richter Yahiaoui erneut vor einen Disziplinarausschuss geladen. Der Ausschuss trat am 29. Dezember zusammen und beschloss die Amtsenthebung des Richters. Begründet wurde die Maßnahme offenbar damit, dass Richter Yahiaoui mit seinen in dem Schreiben vom 6. Juli gemachten Aussagen gegen seine beruflichen Pflichten verstoßen habe. Die Entscheidung des Ausschusses fiel zeitlich mit der Gründung einer Vereinigung für die Unabhängigkeit der Justiz zusammen, deren Vorsitz erwartungsgemäß Richter Yahiaoui übernehmen sollte.

Schriftwechsel mit den Behörden

Die Behörden bestritten jedwede Repressionen gegen Menschenrechtler und erklärten die von amnesty international geäußerte Kritik am Justizwesen für »null und nichtig«. Auf die Anliegen von amnesty international bezüglich Einzelfällen reagierten sie durchgängig nicht.

Berichte und Missionen

von amnesty international

Berichte

Tunisia: Joint report on the continuing deterioration of the human rights situation in Tunisia (ai-Index: MDE 30/031/2001)

Missionen

Zwei Vertreter von amnesty international besuchten Tunesien im September (siehe oben).

amnesty international, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V., 53108 Bonn
Telefon: 0228/983 73-0 - Telefax: 0228/63 00 36 - E-mail: info@amnesty.de
Spendenkonto: 80 90 100 - BfS Köln - BLZ 370 205 00

Link zum Bericht:
http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/51a43250d61caccfc1256aa1003d7d38/9b4142bda8bd6468c1256bc60032461f?OpenDocument

Nach verschiedenen Mails von Mitgliedern sollte man auch diese Themen zum land Tunesien einbeziehen, hier ist der jahresbericht von ai, für euch.

Ich verstehe wenn Tunesier sich hier in diesem Thema nicht äußern.
Bitte habt auch ihr alle verständis dafür, und bitte schreibt keine Beleidigungen, oder auch böse Worte.

Claudia

Re: amnesty international Deutschland Jahresbericht 2002 #145040
15/09/2002 14:39
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Jahresbericht steht schon lange drin hier.

Claudia

Re: amnesty international Deutschland Jahresbericht 2002 #145041
15/09/2002 14:56
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Tunesischer Webmaster zu Gefängnis verurteilt

Nathalie Roller 21.06.2002
Gestern wurde der Webmaster eines systemkritischen Online-Magazins trotz internationaler Mobilisierung in Tunis zu einer Haftstrafe von 28 Monaten verurteilt

Mit 2 Jahren und 4 Monaten Gefängnis ist der 34-jährige Zouhair Yahyaoui, Webmaster und Gründer von tunezine.com, eigentlich noch "glimpflich" davon gekommen. Für die "Verbreitung falscher Nachrichten" und "betrügerischen Gebrauch von Kommunikationsmitteln" drohten dem unter dem Pseudonym "Ettounsi" (der Tunesier) am Web bekannt gewordenen Menschenrechtsaktivisten insgesamt 10 Jahre Haftstrafe.






Die tunesischen Autoritäten versuchten schon seit geraumer Zeit dem geheimnisvollen Ettounsi auf die Spur zu kommen und konnten ihn schließlich am 4. Juni an seinem Arbeitsplatz, einem Cybercafé in Tunis, ausfindig machen und verhaften. Die Mischung aus politischer Satire und gelebter Meinungsfreiheit in den beiden Foren von tunezine.com hatten gar nicht gefallen. Schon gar nicht Fragestellungen, wie "Ist Tunesien eine Republik, ein Königreich, ein Zoo oder ein Gefängnis?". Amnesty International, Human Rights Watch und Reporter ohne Grenzen setzen sich für die sofortige Befreiung des "Cyberdissidenten" ein und wiesen ausdrücklich auf die bedenkliche Handhabung der Presse- und Meinungsfreiheit in Tunesien hin. Staatschef Zine el-Abidine Ben Ali, seit 1987 im Amt, ist für Reporter ohne Grenzen ein exemplarischer Unterdrücker der Pressefreiheit.

"Man wollte mit der Verurteilung Yahyaouis ein Exempel statuieren. Auch wenn das Urteil weniger streng ausgefallen ist, als es sich die Autoritäten gewünscht hatten. Die Anwesenheit internationaler Beobachter beim Prozess und die Angst vor der öffentlichen Meinung außerhalb Tunesiens haben das Schlimmste verhindert," erklärt Sophie Elwarda, französische Verlobte des verurteilten Webmasters und Pressesprecherin des eilig gegründeten Befreiungskomitees, im Gespräch mit Telepolis. Von der Verhaftung an bis zur Verhandlung am Donnerstag in einem Tribunal erster Instanz in Tunis scheinen Unregelmäßigkeiten an der Tagesordnung gewesen zu sein:


"Die Polizisten, die ihn verhaftet haben, waren in Zivil und haben für die anschließende Durchsuchung seiner Privatwohnung, wo sie sein Informatikmaterial beschlagnahmt haben, keine richterliche Genehmigung vorgewiesen. Seine Anwälte hat er erst eine Woche nach seiner Verhaftung zu Gesicht bekommen. Bei den Verhören ist er geschlagen und stundenlang an den Armen aufgehängt worden. Das Urteil wurde ohne vorangehendes Plädoyer der Anwälte gefällt. Wir wissen noch nicht, ob wir Einspruch erheben werden, denn das nächste Urteil könnte schlimmer ausfallen".

Mit den Verhören wollte man Yahyaoui dazu bringen, seine Informationsquellen und das Passwort zu seiner Site preiszugeben, um letztere blockieren zu können, berichten Reporter Ohne Grenzen (RSF).Yahyaoui selbst war bei der Verhandlung nicht anwesend - aus Protest gegen eine Justiz, "die sich den Machthabern unterordnet".

Beim Anklagepunkt "Verbreitung von falschen Nachrichten" handle es sich in Wirklichkeit keineswegs um "Nachrichten" im klassischen Sinne des Wortes, sondern vielmehr um reine Meinungsäußerungen zur politischen Situation in Tunesien, die im Tunezine-Forum gepostet wurden, wie in der Presseaussendung des Yahyaoui-Befreiungskomitees zu lesen steht. So wurden beispielsweise zum Referendum vom 26.Mai, das dem tunesischen Staatspräsidenten, Zine Ben Ali, durch eine Verfassungsänderung eine vierte Amtszeit genehmigt und nebenbei auch die Immunität in gerichtlichen Belangen garantiert hat, kritische Anmerkungen von anonymen Autoren getätigt, für die nun Yahyaoui zur Verantwortung gezogen wird.

Amnesty International erinnert daran, dass der Richter und Onkel Ettounsis, Mokhtar Yahyaoui, letzten Sommer seines Amtes enthoben wurde, nachdem er in einem offenen Brief an den Präsidenten die Unabhängigkeit der tunesischen Justiz angezweifelt hatte. Das von seinem Neffen gerade aus der Taufe gehobene tunezine.com war eines der ersten Medien gewesen, das diesen Brief veröffentlicht hatte.

"Wir befürchten, dass der Fall Zouhair Yahyaoui, nur ein weiteres Beispiel für die ungerechte Verhaftung eines Menschen ist, dessen einziges Vergehen darin besteht, sein Recht auf freie Meinungsäußerung friedlich ausgeübt zu haben.
Amnesty International

Allein im Laufe der letzten 6 Monate sind laut RSF in Tunesien ein Journalist zu einer Haftstrafe verurteilt, zwei Publikationen beschlagnahmt und zwei Tageszeitungen suspendiert worden. Wer auf das Internet ausweichen möchte, um an "unzensierte Informationen" heranzukommen, muss dies auf Umwegen tun. Tunezine.com wird von einem französischen Provider gehostet und ist derzeit von tunesischem Boden aus nur über Proxys oder Spiegel zugänglich. Die Tunesische Internetagentur ATI, zuständig für die Verwaltung und Kontrolle des Netzes und der Internetcafés, soll mit Filtermaßnahmen schnell zur Stelle sein. So wurde der Zugang zu ausländischen Medien, u.a. französischen, schon mehrmals gesperrt. Selbst das Abrufen von Mails auf Hotmail.com kann tagelang blockiert sein, berichtet Sophie Elwarda. Die Verbreitung von Tunezine.com war daher bislang auf nachbarschaftliche Solidarität angewiesen: Wer über einen Internetzugang verfügt - derzeit gibt es laut ATI 455.000 Internetnutzer - bringt die ausgedruckte Version unter die Leute.

"Wir Franzosen wissen wahrscheinlich besser über die politische Lage in Tunesien Bescheid, als die Tunesier selbst. Die offiziellen Medien schreiben, was die Regierung hören möchte. Aber ich denke, auch die meisten Touristen haben durchaus nicht den Eindruck, dass sie in einem Land urlauben, indem ein repressives Regime herrscht", beschreibt Sophie Elwarda ihre eigene Ernüchterung.

Mit der Verteilung von Tunesien-Postkarten am Pariser Flughafen Roissy Charles de Gaulle forderten RSF-Aktivisten letzten Mai die französischen Touristen dazu auf, "bei ihrem Rückflug nicht auf diejenigen zu vergessen, die bleiben und verfolgt werden", wie auf der Rückseite der Postkarte zu lesen stand. Doch nun gilt es die französischen Politiker wachzurütteln: Das Yahyaoui-Befreiungskomitee soll bereits Kontakte mit Jacques Chirac und dem Pariser Bürgermeister, Bertrand Delanoë, geknüpft haben, um deren Engagement zu erwirken.

http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/12772/1.html

Ich denke dieser Bericht steht auch schon im Forum drin.

Claudia