Tunesien - Wirtschaftsdaten kompakt
Wirtschaftsdaten aktuell November 2006



Kunststoffverarbeitende Industrie in Tunesien wächst
Bau einer Polyethylen-Anlage könnte neue Impulse geben

Tunis (bfai) - Tunesien als Standort für exportorientierte kunststoffverarbeitende Betriebe ist bereits heute aufgrund der geringen Lohnkosten, der Nähe zum europäischen Markt und der großzügigen steuerlichen Behandlung interessant. Ganz neue Impulse könnte der Bau einer Polyethylen-Anlage bieten, über den mit einem indischen Investor verhandelt wird. In jedem Fall wächst der Markt für Vor- und Endprodukte rasch und bietet dem derzeit noch geringen Pro-Kopf-Konsum von Kunststoffen noch erbliches Potenzial.

Die expandierende kunststoffverarbeitende Industrie in Tunesien könnte durch ein neues Großprojekt weiteren Auftrieb erhalten. Eine Gruppe indischer Investoren hat Interesse bekundet, in Südtunesien eine Polyethylen-Anlage zu bauen, die nicht nur den tunesischen Bedarf decken, sondern auch die Region Nordafrika beliefern würde. Der Pro-Kopf-Konsum von Polyethylenprodukten in Tunesien wird gegenwärtig auf etwa 15 kg jährlich geschätzt und hat angesichts eines europäischen Durchschnitts von rund 75 kg erhebliches Entwicklungspotential.

Die Polyethylen-Anlage soll nach Presseberichten auf eine Kapazität von 1 Mio. t ausgelegt werden und ein breites Spektrum von Vorprodukten für die kunststoffverarbeitende Industrie herstellen. Die Investitionen werden auf ca. 2 Mrd. tunesische Dinar (tD) geschätzt (1,2 Mrd. Euro; 1 tD = rund 0,60 Euro). Eine Durchführbarkeitsstudie ist in Auftrage gegeben worden. Als Standort der Anlage wird die Region um den Ölhafen Skhira, südlich der Industriestadt Sfax, genannt. In Skhira ist der Bau einer neuen Ölraffinerie mit einer Kapazität von mindestens 120.000 Barrel per day (bpd) (Kosten ebenfalls 1,2 Mrd. Euro) geplant, für die das Ausschreibungsverfahren Mitte 2006 angelaufen ist.

Die kunststoffverarbeitende Industrie wird von der tunesischen Regierung als Industriesektor mit besonders guten Chancen für die Ansiedlung von exportorientierten Betrieben eingestuft. Als Standortvorteile gelten insbesondere die relativ geringen Lohnkosten und die Nähe zum europäischen Markt, der bereits heute für Kunststoffprodukte aus Tunesien frei zugänglich ist. Allerdings ist die Branche bisher vollkommen auf den Import von Vorprodukten und Gießformen angewiesen und es mangelt an qualifizierten Fachkräften. Die Regierung fördert Ausbildung und Technologietransfer, auch über ein Ausbildungszentrum speziell für Kunststofftechnik in Sousse (Centre Sectoriel de Formation en Soudure, Outillage et Plasturgie).

Der Bruttoproduktionswert in der Kunststoffverarbeitung hat 2005 nach den offiziellen Statistiken 436 Mio. tD erreicht, das entspricht einer Steigerung von nahezu 50% gegenüber dem Jahr 2000. Etwas mehr als 400 Unternehmen sind in diesem Sektor tätig, davon haben aber nur 221 mehr als 10 Beschäftigte. Die Produktion verteilt sich zu je etwa einem Drittel auf Verpackungsmaterial (vor allem Tüten, Säcke, Flaschen), Produkte für die Bauwirtschaft (Rohre, Sanitäreinrichtung) und technische Kunststoffteile (vor allem Auftragsfertigung für die Kfz-Teileindustrie und die Elektronikindustrie, entweder direkt oder indirekt für den Export). Die Wertschöpfung wird von der zentralen Statistikbehörde mit 29% des Produktionswertes angegeben, die Investitionen lagen 2004 bei 30 Mio. tD - sie wurden zum überwiegenden Teil im Rahmen des staatlich geförderten Modernisierungsprogramms (mise à niveau) vorgenommen, das die Unternehmen im Rahmen der Assoziierung an die EU konkurrenzfähig machen soll.

Eingestuft als Exportunternehmen waren 2005 nach der Statistik des Industrieministeriums 65 Unternehmen, davon sind 59 mehrheitlich in ausländischer Hand. Es handelt sich entweder um Niederlassungen ausländischer Gesellschaften (vor allem aus Frankreich und Italien, aber auch aus Deutschland), die für ihre Stammfirmen meist technische Kunststoffteile herstellen oder um Betriebe, die Auftragsfertigung ins Ausland liefern. Die Gewinne von Exportunternehmen sind bisher steuerfrei und sollen erst ab 2008 einem Pauschalsteuersatz von 10% unterworfen werden. Zudem können diese Exporteure 30% ihrer Produktion auf dem lokalen Markt absetzen ohne ihren Vorzugsstatus zu verlieren, sie nutzen diese Möglichkeit in der Praxis bisher jedoch nur selten.

Im Jahr 2005 verteilen sich die Einfuhren nahezu gleichmäßig auf Vor- und Fertigprodukte, sie sind gegenüber dem Vorjahr insgesamt um 18% auf 820 Mio. tD (490 Mio. Euro) gestiegen. Während die Einfuhren von Fertigprodukte um 21% zugenommen haben, lag die Nachfrage nach Vorprodukten lediglich um 15% über dem Vorjahresimport. Die während der letzten Jahre positive Entwicklung der Ausfuhren von Kunststofferzeugnissen ist 2005 ins Stocken geraten, gegenüber dem Vorjahr wurde ein Rückgang von 10% auf 138 Mio. tD registriert.

Die Einfuhren von Maschinen, Formen und bis auf wenige Ausnahmen Vorprodukten aus der EU sind zollfrei. Auf Endprodukte wird noch ein Satz von 5,16% auf den Zollwert erhoben, der ab 2008 gemäß dem Assoziierungsabkommen mit der EU wegfällt. Allerdings wird bei der Einfuhr von Kunststoffen in Vorformen und Fertigprodukten die zu 100% aus Kunststoffen bestehen, eine Umweltsteuer in Höhe von 5% auf Zollwert plus Zoll und Mehrwertsteuer (der Mehrwertsteuersatz Satz liegt zwischen 10% und 18%) berechnet. Industrielle Enderzeugnisse unterliegen in Tunesien zudem einer Sondersteuer (taxe professionelle) von 1% auf den reinen Zollwert, die dem Fonds zur Förderung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit (Fodec) zugute kommt.
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