In Tunesien wird das Wasser knapp
vom 24.03.2006
Recycling und Meerwasserentsalzung stehen künftig im Vordergrund

Tunis (bfai) - Nachdem die natürlichen Ressourcen für die Wasserversorgung in Tunesien weitgehend erschlossen sind und die Reserven knapp werden, orientiert sich die Wasserwirtschaft neu. Die Nutzung von geklärtem Brauchwasser in der Landwirtschaft wird vorangetrieben, die Entsalzung von Meerwasser in Großanlagen soll durch private Betreiber finanziert werden, Programme zur Verbesserung der Trinkwasserqualität laufen an, und das Netz von Kläranlagen wird zügig ausgebaut. Eine stärkere Beteiligung der Privatwirtschaft ist vorgesehen. (Kontaktanschriften)

Die natürlichen tunesischen Wasserreserven sind weitgehend erschlossen und werden voraussichtlich nur noch bis 2030 den Bedarf decken können. Die Wasserwirtschaft muss deshalb in Zukunft weniger in den Bau neuer Staudämme und Reservoire zur Nutzbarmachung der natürlichen Quellen investieren und sich stärker auf die Entwicklung sekundärer Versorgungsmöglichkeiten konzentrieren. Dazu gehören neben Klärung und Wiederverwendung von Abwasser auch die Entsalzung von Brack- und Meerwasser. Die Kooperation mit privaten Unternehmen wird intensiviert, über Betreibermodelle sollen in allen Bereichen der Wasserwirtschaft privates Kapital und Know-how aktiviert werden.

Tunesien verfügt über natürlich Wasserressourcen von 4.800 Mio. cbm, davon 2.700 Mio. cbm Oberflächenwasser und 2.100 Mio. cbm Grundwasser. Circa 40% der Grundwasserressourcen sind allerdings nicht regenerativ, sie lagern in fossilen Becken im Wüstengebiet des Südens - einige Experten vermuten, dass diese Reserven bereits stark zurückgegangen sind. Bei einer Bevölkerung von z.Z. ca. 10 Mio. stehen nach den Angaben des Ministers für Land- und Wasserwirtschaft, M. Habib Haddad, in Tunesien maximal ca. 450 cbm Wasser im Jahr pro Kopf zur Verfügung, während der Durchschnitt weltweit bei ca. 1.000 cbm liegt. Bei einer bis 2030 auf ca. 12 Mio. steigenden Bevölkerungszahl verringere sich diese Menge auf ca. 350 cbm. Das Phänomen der zunehmenden Versalzung der Grundwasserbestände wird bei diesen Berechnungen noch nicht berücksichtigt.

Bisher war die absolute Knappheit von Wasser nicht das große Problem der tunesischen Wasserwirtschaft. Schwierig ist vielmehr die regional sehr unterschiedlich verteilte Niederschlagsmenge. Wüste und halbtrockene Gebiete machen ca. vier Fünftel der Fläche Tunesiens aus. Im Nordosten werden Niederschläge von durchschnittlich 1.000 bis 1.200 mm pro Jahr gemessen, in Zentraltunesien sind es lediglich 250 bis 400 mm und im Süden weniger als 100 mm. Deshalb war die Strategie bisher vor allem darauf ausgerichtet, das natürliche Potenzial auszuschöpfen und durch den Aufbau eines Leitungsnetzes den Bedarf auch in den niederschlagsarmen Gebieten zu decken.

Die Bilanz dieser Bemühungen ist beachtlich. Bis 2005 sind ca. 87% der natürlichen Ressourcen nutzbar gemacht worden, 2010 werden es über 90% sein. Es wurden 27 große Staudämme fertiggestellt, die zusammen ein Reservoir von mehr als 2 Mrd. cbm Wasser bilden. 220 kleinere Wehranlagen, barrages collinaires, wurden gebaut, 800 künstliche Seen angelegt, 4.000 Tiefbohrungen niedergebracht und 130.000 Brunnen ausgehoben. Elf Staudämme sind noch im Bau und sollen bis 2006/07 fertiggestellt werden, bis 2009 ist die Ausschreibung von elf weiteren Stauanlagen geplant. Die Stauseen sind zu einem großen Teil bereits durch Kanäle und Pipelines untereinander und mit den wichtigsten Bedarfsregionen verbunden, bis 2010 sollen die noch bestehenden Lücken geschlossen werden.

Die öffentliche Trinkwasserversorgung erreicht nach Angaben des jüngsten Infrastrukturberichtes der Regierung 96,5% der Bevölkerung (vorläufige Zahlen für 2005), 84% der Haushalte verfügen über einen eigenen Wasseranschluss. An die Abwasserentsorgung sind 79,7% der Haushalte angebunden. Die Trinkwasserversorgung in den städtischen Ballungsgebieten liegt bei nahe 100%, die Investitionen konzentrieren sich auf ländlichen Gebiete, insbesondere im Süden des Landes. Zur Verbesserung der Abwasserentsorgung in städtischen Armenvierteln läuft dagegen z.Z. noch ein umfangreiches Programm.

Während der nächsten Jahre wird es im Wesentlichen darum gehen, sekundäre Ressourcen zu nutzen, den Verbrauch zu optimieren, die Trinkwasserqualität zu verbessern und die Verschmutzung zu reduzieren. Die Hälfte der Trinkwasserreserven hat einen Salzgehalt von über 1,5 g/l und muss aufbereitet werden. Die nationale Versorgungsgesellschaft, Société Nationale d'Exploitation et de Distribution des Eaux (Sonede), unterhält Anlagen zur Entsalzung und Reinigung von Trinkwasser mit einer Kapazität von ca. 100.000 cbm pro Tag. In zwei Programmschritten soll nun die gesamte Trinkwasserversorgung auf einen Salzgehalt von unter 1,5g/l gebracht werden. In der ersten Phase ist der Bau von zehn Anlagen vorgesehen, die Wasser mit über 2 g/l Salz aufbereiten sollen, insgesamt 36.000 cbm pro Tag. Der zweite Schritt bezieht sich auf Wasser mit einem Salzgehalt von 1,5 bis 2 g/l, geplant ist hier die Installation von Aufbereitungskapazitäten für insgesamt 40.000 cbm/Tag.

Der eigentliche Einstieg in die Meerwasserentsalzung soll über den Bau einer ersten Großanlage auf der Insel Djerba erfolgen. Kleinere Anlagen existieren bereits. Die Sonede plant für Mitte 2006 die Ausschreibung einer Konzession für Bau und Betrieb einer Meerwasserentsalzungsanlage, die nach dem Prinzip der inversen Osmose arbeitet und eine Kapazität von ca. 50.000 cbm/Tag haben soll. Auf längere Sicht sind vier weitere Meerwasserentsalzungsanlagen mit etwa der gleicher Auslegung für die Gouvernorate Mèdine, Gabès und Sfax geplant.

Für die Bewässerung in der Landwirtschaft werden ca. 80% der Wasserressourcen eingesetzt, ca. 380.000 ha wurden 2005 bewässert, 80% davon über wassersparende Systeme, davon wiederum 80.000 ha über moderne Tropfanlagen. Bis 2009 soll die bewässerte Fläche auf 400.000 ha ausgedehnt werden und alle eingesetzten Bewässerungssysteme den Anforderungen einer rationalen Wasserwirtschaft entsprechen.

Die Abwasseraufbereitung in den Kommunen obliegt der staatlichen Gesellschaft Office Nacional de l'Assainissement (ONAS), die im Jahr 2006 elf neue Kläranlagen in Betrieb nehmen wird. Ende des Jahres wird Tunesien damit über insgesamt 97 Klärwerke verfügen. Mit dem Bau von weiteren zehn Anlagen soll 2006 begonnen werden. Die ONAS beteiligt private Unternehmen an der Abwasserwirtschaft einerseits über Dienstleistungsverträge zum Betrieb und Unterhalt des Abwassernetzes und der Kläranlagen, andererseits über PPP-Modelle, die Finanzierung, Bau und Betrieb von Kläranlagen umfassen. Bis 2004 wurden ca. 10% der Anlagen der Abwasserwirtschaft von privaten Unternehmen betrieben, aber ONAS will die private Beteiligung deutlich aufstocken. Ende 2006 sollen bereits 22% der Anlagen privat geführt werden und bis Ende des 12. Wasserentwicklungsplans im Jahr 2016 wird, so jedenfalls die Planung von ONAS, die private Quote auf 75% steigen.

Kontaktanschriften:
Société Nationale d'Exploitation et de Distribution des Eaux (SONEDE)
Avenue Slimen Ben Slimen, 2092 El Manar 2
Tel.: 00216/71 88 70 00, Fax: -71 87 10 00
E-Mail: sonede@sonede.com.tn, Internet: http://www.sonede.com.tn
Office National de l'Assainissement (ONAS)
32, rue Hédi Nouira, 1001 Tunis
Tel.: 00216/71 34 32 00, Fax: -71 35 04 11
E-Mail: boc@onas.nat.tn, Internet: http://www.onas.nat.tn

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