19.08.2005:
Hintergrund: Übereinkunft gegen Folter ausgehebelt
Abschiebungen am Pranger – Gefangene in Heimatländern gefoltert

(ips)Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat massive Vorwürfe gegen Regierungen erhoben, die Gefangene in Länder abschieben, in denen Menschen gefoltert werden. Die Zusicherungen der Empfängerländer, die Häftlinge human zu behandeln, dienten den ausweisenden Staaten als Feigenblatt, ihre Komplizenschaft mit den repressiven Staaten zu verbergen. Gerade im Verlauf der globalen Terrorismusbekämpfung hat eine zunehmende Zahl von Staaten mutmaßliche Terroristen in Länder wie Ägypten, Jordanien, Syrien, Usbekistan und Jemen abgeschoben, in denen Folter auf der Tagesordnung steht, heißt es in einem neuen HRW-Bericht. Besonders in Europa, das sich mit einem der weltbesten Systeme zum Schutz der Menschenrechte brüste, würden immer häufiger Menschen auf der Basis unglaubwürdiger diplomatischer Zusagen abgeschoben und in den Heimatländern misshandelt.

Veröffentlicht wurde der neue HRW-Bericht im Anschluss an den Vorschlag des britischen Premierministers Tony Blair nach den Terroranschlägen in London, Hassprediger künftig zu deportieren. Mit Jordanien unterschrieb die Regierung am 10. August ein Abkommen, dass die Abschiebung jordanischer Bürger in ihr Heimatland erleichtern soll. Nach Ansicht der in Washington angesiedelten Menschenrechtsorganisation stellt die Vereinbarung den Versuch dar, die Übereinkunft gegen Folter und jede andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung aus dem Jahre 1984 auszuhebeln.

"In Jordanien werden Menschen nach wie vor gefoltert, vor allem wenn sie als Gefahr für die innere Sicherheit betrachtet werden", warnt Joe Stork, Stellvertretender Leiter der HRW-Sektion für den Nahen Osten. "Alle guten Gründe, die bis zum 10. August gegen die Deportation von Häftlingen nach Jordanien sprachen, bleiben unberücksichtigt."

Das jordanische Gericht für Staatssicherheit, das sich aus einem Zivil- und zwei Militärrichtern zusammensetzt, hat 2000 und 2001 zwei in Großbritannien inhaftierte Männer zu 15 Jahren Gefängnis und lebenslang verurteilt. Auch sie sieht HRW in Gefahr, nach ihrer geplanten Ausweisung in Jordanien gefoltert zu werden. Da beide Staaten profitierten – Jordanien erhält Zugriff auf terrorverdächtige Bürger, Großbritannien wird sie los – bestehe kein Interesse, sich mit dem Schicksal der betroffenen Personen nach der Auslieferung auseinander zu setzen.

Dabei gibt es eine Reihe von Fälle, die belegen, dass deportiere Häftlinge in ihren Ländern misshandelt wurden. Für einen Skandal sorgte der Fall zweier Ägypter, die im Dezember 2001 aus Schweden in ihr Heimatland deportiert und dort später schwerst misshandelt wurden. Glaubwürdigen Berichten zufolge sollen die Männer vom US-Geheimdienst aus Schweden nach Ägypten verschleppt worden sein.

"Die Zusagen der Länder sind mit den im Kalten Krieg von den Supermächten entwickelten Polizei-, Militär- und Geheimdienstprogrammen zur Unterweisung von Polizei- und Militärpersonal in Foltermethoden durchaus kompatibel, sagt Beau Grosscup, US-Experte für auswärtige Beziehungen an der Staatlichen Universität von Kalifornien. Seiner Meinung nach steckt hinter der Abschiebung von Menschen in repressive Staaten die Ansicht: "Wir haben für den Folterunterricht bezahlt. Warum soll sich die Investition nicht auszahlen?"

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