|
|
|
|
|
zum Thema Kompromisse & Anpassung
#220342
28/09/2007 22:03
28/09/2007 22:03
|
Joined: Sep 2007
Beiträge: 27 Wien
viridis
OP
Junior Mitglied
|
OP
Junior Mitglied
Joined: Sep 2007
Beiträge: 27
Wien
|
Hallo allerseits, ich verfolge seit langem eure zahlreichen Diskussionen und habe mich nun auch endlich mal angemeldet, weil ich oft und viel darüber nachdenke, mich aber bisher immer nicht dazu äußern konnte.
Ein sehr häufiges und kontrovers diskutiertes Thema ist die Kompromissbereitschaft unserer lieben tunesischen Freunde. Den Frauen wird sehr schnell unterstellt, sie würden sich zu sehr anpassen oder gar unterwerfen. Sinngemäß: sie kochen arabisch, hören arabische Musik, beschäftigen sich mit dem Islam und konvertieren womöglich, machen Ramadan, geben den Kindern arabische Namen und lassen sie beschneiden, und und und... Ich habe selbst einen Tunesier als Freund und mir demzufolge oft den Kopf darüber zerbrochen. Von außen betrachtet ist man schnell dabei, solch eine Frau zu kritisieren, und man selbst ist auch immer auf der Hut, sich nicht unterbuttern zu lassen, doch was ich mich frage ist: WAS IST DENN EIGENTLICH DEUTSCHE IDENTITÄT? Was ist überhaupt wert, gegenüber dem Mann "verteidigt" zu werden? Gibt es Feste, die für einen selbst eine tiefere Bedeutung haben? Hat die Familie/Gesellschaft Traditionen, an denen man hängt? Würde man ohne arabischen Freund seinen Kindern deutsche Namen geben? Hat man überhaupt jemals die deutsche Küche gemocht? Hält man eine Religion für die Wahre und wert sie zu verteidigen? Gefällt einem der Sittenverfall und Werteverlust in dieser Gesellschaft? Ich kann für mich alle diese Fragen getrost mit nein beantworten. Was denkt ihr darüber?
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Re: zum Thema Kompromisse & Anpassung
[Re: viridis]
#220395
28/09/2007 23:54
28/09/2007 23:54
|
Joined: Feb 2005
Beiträge: 2,793 CH
chamla
Mitglied*
|
Mitglied*
Joined: Feb 2005
Beiträge: 2,793
CH
|
hallo viridis,
ich gebe gamra recht, man schätzt die eigene kultur und mentalität schon mehr, wenn man im ausland lebt oder viel dort ist. ich schätze meine schweizer-kultur auch sehr und bin stolz darauf, wie gamra vermisse ich manchmal auch die klaren linien und das "sich-100%-verlassen-können"..bzw. planen können..
aber es gibt auch in der arabischen bzw. tunesischen kultur viele schöne dinge. ich finde man sollte halt von beidem das beste nehmen.
was ich auch gar nicht toll finde ist die entwicklung in unseren breiten.. wie du oben schreibst, der wertezerfall, das enttabuisieren aller themen und halt auch dieses arrogante gehabe.
liebe grüsse
Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen. Aristoteles
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont. (unbekannt)
FYI: bin die alte habebte79.. wechsel musste mal sein*g*
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Re: zum Thema Kompromisse & Anpassung
[Re: chamla]
#224590
28/10/2007 20:50
28/10/2007 20:50
|
Joined: Feb 2007
Beiträge: 214 Österreich
kat4abd
Mitglied
|
Mitglied
Joined: Feb 2007
Beiträge: 214
Österreich
|
Grüß euch, Hallo Virdis! Sich von allem das Beste nehmen klingt ja toll... Leider sind oft, gerade 'schlechte' Angewohnheiten, am tiefsten und meisten verwachsen. Was den Werteverfall betrifft - da steht es einem ja auch als Europäerin die Haare zu Berge. Immer wieder gibt es Diskussionen im Freundeskreis, wie übel die nächsten Generationen heranwachsen. Kein Benehmen, keine Ziele, kein Respekt, etc. Und Achtung: ich bin keine Oma, bin noch keine 30 Jahre. Hab schon Angst, meine eigenen Kinder mal nicht mehr zu vestehen, falls ich mal welche habe. Der Generationskonflikt muss ja irre sein, wenn ich mit den jetzigen Youngsters schon nicht übereinstimme. Nun, eine binationale Beziehung ist ein täglicher Kompromiss irgendwie. Und eine täglicher Gewinn gleichermaßen. Vorher hätt ich nie gewusst, wie toll Couscous schmeckt (kleines Beispiel). Oder der oben angeführte Werteverfall hätte mich vielleicht auch nie so bewusst gestört. Man nimmt das dann halt als gegeben hin, wenn man nicht auch anderen Input hat. Und das gilt für vieles. Es ist halt immer auch eine Frage der Persönlichkeit, wie sehr man sich verbiegen oder vereinnahmen lässt. Aber ich muss schon zugeben, es geht sehr schnell und sehr leicht. Ich glaub, zur TN Mentalität gehört es auch, charmant seinen Vorteil durch zu bringen...
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Re: zum Thema Kompromisse & Anpassung
[Re: viridis]
#224619
28/10/2007 22:14
28/10/2007 22:14
|
Joined: Apr 2006
Beiträge: 6,893 DE: NW
Frogger
Mitglied*
|
Mitglied*
Joined: Apr 2006
Beiträge: 6,893
DE: NW
|
...WAS IST DENN EIGENTLICH DEUTSCHE IDENTITÄT?...
Ich vermute eimal, daß überhaupt gar nicht darum geht, daß da ein Spiel Tunesien-Deutschland stattfindet, sondern es eher um aktuell-westliches und orientalisch-norafrikanisches Gedankengut geht.
Inwieweit die deutsche Kultur "deutsch" ist, steht ohnehin in Frage, denn mit den munteren Grenzwechseln und großen Migrationsströmen in den letzten Jahrhunderten mal hierhin und mal dorthin ist es schwierig, überhaupt eine eindeutige Aussage zu treffen, was zu einem Zeitpunkt "deutsch" war oder ist, ma die tatsache, daß viele Kultur"errungenschaften" entweder direkt oder durch Beeinflussung von außen her nach Deutschland übernommen und dann nur durch einen "Deutschen" formuliert wurden.
Man könnte die Überlegung also eher breiter anlegen, und grundsätzliche Werte, die z.B. in den Menschenrechten oder im Grundgesetz niedergelegt sind, als Werte, die die Kultur beeinflussen, bestimmen. Hinzu kommen dann überregionale Traditionen aus vielfältiger Quelle (z.B. aus der Religion, aus dem Heidentum, und das meiste davo ist ebenfalls wieder nicht "deutsch", teilweise noch nicht einmal europäisch).
Ohne lange zu überlegen, werden einem da bestimmt Begriffe wie "Freiheit, Gleichheit, Religionsfreiheit, Demokratie, Korruptionsbekämpfung, keine Autoritätshörigkeit, gewaltfreie Problemlösungsstrategien, Medienkompetenz, sexuelle Auklärung und Selbstbestimmung, Kulturtoleranz, Arbeitsschutz, Warenqualität" einfallen - nicht, daß die jedem Deutschen geläufig oder gar von ihnen beherrscht/befolgen würden, doch es sind zweifellos Dinge, die unser tägliches und heutiges Leben prägen und die wir, auch unbewußt, weitgehend verinnerlicht haben. Viele dieser Begriffe spielen aber im orientalischen oder nordafrikanischen Denken nur eine geringe Rolle, dort stehen stattdessen andere Dinge im Vordergrund, die für das Leben in dieser Gesellschaft und unter den aktuellen Lebenbedingungen des größtmöglichen Vorteil versprechen, auch dort vermischt mit Traditionen und teilweise noch allerlei Hokuspokus.
Und selbst wenn wir dies so als gegeben annehmen, dann heißt es immer noch nicht, daß die eine oder andere Seite das "Kommando" übernehmen muß, denn nur einige Werte betrachten wir als universell, andere jedoch nur als lokal, und die lokalen Werte würden entsprechend dem Lebensmittelpunkt bzw. tatsächlichen Aufenthalt aufgegeben werden (müssen, falls denn Integration und "Nichtauffallen" überhaupt beabsichtigt ist).
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Re: zum Thema Kompromisse & Anpassung
[Re: susann]
#224690
29/10/2007 15:59
29/10/2007 15:59
|
Joined: Nov 2004
Beiträge: 338 Berlin
Belly
Mitglied
|
Mitglied
Joined: Nov 2004
Beiträge: 338
Berlin
|
Hallo, interessante Frage, finde ich. Wenn ich an mein Leben denke mit einem Tunesier, und an mein Leben jetzt, wo ich damit gar nichts mehr zu tun habe, wo ich mich mit Menschen und auch Männern wieder auseinandersetzen kann wie vor der "tunesischen Ära" kann ich nur sagen (und dafür gibts gleich sicher wieder furchtbar Haue), wie arm war mein Leben, wie "beschränkt", was habe ich mich beschränken und "ver-rücken" lassen. Wie einseitig war doch alles, wie schwarz und weiß.
Eben weil so vieles aus meiner Kultur, Tradition, Sozialisation meinem Mann unbekannt war, und umgekehrt genau so.
Es sind die vielen Tausend Kleinigkeiten, wo ich mich mit einem dt. Mann manchmal nur angucken muss, und wir grinsen schon. Es fällt ein Wort, und beide wissen genau, was gemeint ist. Ich fange gar nicht mit den großen Themen an, wie Wolf sie benannte, und die ich so unterschreiben würde. Nein, der Teufel liegt im Detail, finde ich. Da ist mein mitteleuropäisches Verständnis, wie Paare ihre Freizeit verbringen, nämlich zum Teil gemeinsam, da ist meine Vorstellung von Kindererziehung, da ist das, was ich gerne Esse oder Trinke, Kultur ist doch nicht nur Museum und Theater, Kultur ist doch die Summe aller Dinge, die mein Leben ausmacht. Wie kann man sagen, man findet nichts an unserer Kultur? Wir alle sind doch Produkte unserer Kultur, so wie Tuinesier Produkte Ihrer Kultur sind. Bei 2 gleichberechtigten Menschen (und damit meine ich sowohl Mann-Frau, als auch ökonomisch, sozial, bildungstechnisch) dürften diese Unterschiede bereichernd sein, bei anderen wird es nicht funktionieren, es sei denn, ein Teil des Paares verbiegt sich mehr als das andere.
Und letztendlich ist da niemand dran schuld, es ist einfach so.
Lieben Gruß Belly
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Re: zum Thema Kompromisse & Anpassung
[Re: Belly]
#224771
30/10/2007 14:50
30/10/2007 14:50
|
Joined: Feb 2004
Beiträge: 198 Ö
susann
Mitglied
|
Mitglied
Joined: Feb 2004
Beiträge: 198
Ö
|
hallo belly!
Ich war in einer ähnlichen situation, ich war drei jahre verheiratet. bin seit märz getrennt und habe mein "altes" leben wieder. wie du es beschreibst. das leben in meiner ehe war so kompliziert, so begrenzt, so mühsam....weil unsere welten so verschieden waren. die einseitigkeit, das "schwarz-weiß" denken, die ungleichheit zwischen mann und frau, der umgang mit problemen...das alles kenne ich sooo gut.
wir haben beide viele kompromisse gemacht, nicht nur ich, haben aber einen hohen preis bezahlt. mein mann mit seiner gesundheit (depression, unerklärliche zustände, herzrhythmusstörungen,...)und ich mit meinem selbstwert.
rückblickend gesehen haben wir einfach nicht wirklich gewusst, auf was wir uns da eingelassen haben.....leider kann man so eine beziehung nicht wirklich vorher "testen", denn jede testsituation (besuche wie auch immer) bleibt eine ausnahmesituation. der alltag zeigt dann erst dir realität.
sind jetzt seit drei wochen geschieden und es geht uns beiden besser. und das ist sehr erleichternd!
bin jetzt nicht wie du wieder in einer beziehung, lebe aber gut und zufrieden. gott sei dank!
wie lange arst du verheiratet?
schick dir viele grüße!
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Re: zum Thema Kompromisse & Anpassung
[Re: susann]
#224779
30/10/2007 15:19
30/10/2007 15:19
|
Joined: Nov 2004
Beiträge: 338 Berlin
Belly
Mitglied
|
Mitglied
Joined: Nov 2004
Beiträge: 338
Berlin
|
Hallo Susann,
bei uns waren es an die 6 Jahre, es waren auch gute Zeiten dabei, ich bereue auch gar nix, weil ich es tun musste. Ich hätte nie im Leben damals die Finger davon gelassen. Die Trennung war auch extrem hart, da haben wir ewig dran rumgekaut, aber seit ein paar Monaten sind wir geschieden und haben so gut wie keinen Kontakt mehr, weil da jetzt erstmal endgültig Gras drüber wachsen muss. Ich bin mir auch sicher, dass mein Ex-Mann viele viele Kröten geschluckt hat, genau so wie ich, und wie gesagt, ich bin wirklich der Meinung, es kann nicht funktionieren, wenn die Frau aus einem normal emanzipierten mitteleuropäischen Umfeld kommt. Inzwischen ist er in seine Kultur zurückgekehrt (das nahm ich ihm anfänglich sehr übel, aber letztendlich ist es folgerichtig), und ich sauge "meine (wiedergewonnene) Kultur" auf. Ich bin richtig ausgehungert nach Gesprächen, auf Wochenenden im Freundeskreis, nach Urlauben außerhalb Tunesiens, etc. Und ich habe mein Selbstverständnis als mitteleuropäische Frau wieder, was mir sehr gut tut. Ich habe meinen Mann sehr geliebt, aber leider überwindet Liebe eben doch nicht alles.
Ich bin auch noch in keiner neuen Beziehung. Ich treffe mich ab und zu mal mit einem Freund, ab und an mal mit einem Arbeitskollegen, weil ich es einfach mal wieder genieße, einen netten schönen Abend mit einem Mann zu verbringen, mit dem ich mich aufgrund der Herkunft gut verstehe. Ob und wann eine neue Beziehung kommt, steht in den Sternen.
Ich finde es sehr schade, dass mein Mann und ich unsere Leben nicht gegenseitig mit der "anderen" Kultur bereichern konnten. Es war wohl eher eine Einbahnstraße, wie bei den meisten mir persönlich bekannten binationalen Paaren, aus der dann eine Sackgasse wurde. Ich bin froh, dass ich aus dem Konglomerat aus roter Sauce, endlosen Diskussionen über Allah und Israel, die Stellung der Frau in Tn. und anderem relativ unbeschadet heraus gekommen bin. Eins jedoch hätte ich so gerne von meinem Mann angenommen: Diese unbändige Lust auf Leben, dieses Im Moment Leben, das hat mich oft sehr glücklich gemacht. Aber das ist halt leider auch nicht alles.
LG Belly
Last edited by Belly; 30/10/2007 15:52.
|
|
|
|
|
|
|
|
|