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Die nie verwundene Niederlage des Islam #47207
18/09/2002 16:59
18/09/2002 16:59
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zabrata Offline OP
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Die nie verwundene Niederlage des Islam
Von Holger Christmann

10. Sep. 2002 Im Mai 2001 kolportierten die arabischen Teilnehmer eines Kongresses in Abu Dhabi ein Gerücht: Die Menschen im Nahen Osten sollten keinesfalls die preiswerten Gürtel mit der Aufschrift „Made in Thailand“ kaufen. Es handele sich in Wahrheit um israelische Ware mit einer Wanze, die eine unheilbare Krankheit verbreite. Nach den Ereignissen vom 11. September 2001 schrieben verschiedene Zeitungen in der islamischen Welt wieder, hinter den Anschlägen stecke der israelische Geheimdienst Mossad.

Angeblich, so das Gerücht, seien 4.000 Juden nicht an ihrem Arbeitsplatz in den Zwillingstürmen gewesen, als die Maschinen ins Ziel einschlugen. Für Abdelwahab Meddeb folgen beide Gerüchte der gleichen Methode, sich der Verantwortung zu entziehen. Meddeb, 56, der in Tunis geboren wurde und in Frankreich lebt, hält sie für den Ausdruck einer tiefen Krise in der islamischen Welt, die er in Anlehnung an eine Formulierung Thomas Manns über Deutschland die „Krankheit des Islam“ nennt. Ursache dieser Krankheit ist demnach, dass die arabische Welt bis heute ihren Niedergang nicht verkraftet hat, schreibt er in einem Buch, das jetzt auf Deutsch erschienen ist.

In Frankreich hat „Die Krankheit des Islam“ für Aufsehen gesorgt. „Le Monde“ feiert sein Buch als „mutig und notwendig“. Die Zeitschrift „Lettre International“ nennt den Autor einen der „großen Kulturvermittler unserer Zeit“. Die Kulturen des Orients und des Okzidents zu vergleichen, das versucht Meddeb auch in seinem neuen Buch.

Wann der Niedergang des Islam begann

Wann geriet nun die islamische Welt gegenüber dem Westen in Rückstand? Über diese Frage diskutieren Orientwissenschaftler seit langem. Bernard Lewis setzt den Zeitpunkt mit Napoleons Ägyptenfeldzug an. Die Erniedrigung bestand nicht nur darin, dass das Osmanische Reich Frankreich nicht aufhalten konnte. Psychologisch noch fataler wirkte sich aus, dass die Vertreibung Napoleons nur mit Hilfe der Briten gelang. Andere glauben, der Niedergang habe mit der Vertreibung des Averroes im 12. Jahrhundert begonnen. Der Jurist und Muslim aus Córdoba forderte die Menschen auf, ihre Vernunft zu gebrauchen. Er wurde von strenggläubigen Muslimen ins Exil vertrieben.

Meddeb setzt den Niedergang der islamischen Welt früher an als Lewis, aber später als die Verfechter der Averroes-Theorie: in das 15. Jahrhundert, als sich der Schwerpunkt des Mittelmeerhandels von der Levante nach Westen verlagerte. Es kam damals zu einem enormen Kapitalabfluss nach Europa, der den östlichen Mittelmeerraum schwächte. Doch auch der Autor stimmt mit Lewis überein, dass der Ägyptenfeldzug der islamischen Welt ihre technische und militärische Unterlegenheit am schmerzlichsten vor Augen führte - ein Trauma, das nie verarbeitet wurde: „Das islamische Subjekt, das für sich in Anspruch nahm, dem westlichen überlegen oder zumindest gleichwertig zu sein, kann nicht verstehen, welcher Prozess es in eine solche Position der Schwäche gebracht hat.“

Allzu wörtliche Auslegung des Koran

Aber was waren die Faktoren für den Niedergang? Meddeb sagt, dass die Versuche, zum Rationalismus und zum wissenschaftlichen Geist der islamischen Frühzeit zurückzukehren, wie er etwa am Hof der Abbassiden in Bagdad kultiviert wurde, Rückschläge erlitten, und zwar durch Kräfte, die den Koran allzu wörtlich auslegten. Als größte Verirrung dieser Art bezeichnet Meddeb den Wahabitismus. Er ist in Saudi-Arabien bestimmend und hat das dortige Rechtssystem geprägt, das es etwa erlaubt, Dieben die Hand abzuschlagen. Der Urheber dieser Doktrin, Ibn' Abd al-Wahab besaß für den Autor „nicht einen Funken Originalität“. Schon zu dessen Lebzeiten gab es Anklagen gegen ihn, er habe den „Weg des Unwissens eröffnet und es unkultivierten Männern gestattet, mit ihrem Atem das göttliche Licht zu löschen“. Dennoch setzte sich der Wahabitismus in Saudi-Arabien durch. Er war auch der Nährboden für den Saudi Usama bin Ladin und die Taliban. Meddeb nennt die Taliban „das lächerliche afghanische Mullah-Regime“.

„Kein Zwang in der Religion“

Anhand vieler Beispiele zeigt der Autor den Reichtum islamischer Kultur. Als Romancier kennt sich Meddeb vor allem in der Literaturgeschichte gut aus. Und er zeigt, wie früh die islamische Literatur freizügig, ja erotisch war. Die großen Werke der islamischen Literatur waren oft genug sinnlich und provokant - jedenfalls alles andere als bigott. Und was ethisch vertretbar ist, darüber gehen die Ansichten unter muslimischen Theologen und Juristen auseinander. Auch im Koran selbst findet Meddeb pikante Aussagen wie die: „Es gibt keinen Zwang in der Religion.“

Meddeb fordert die islamische Welt auf, sich den Errungenschaften der modernen Zeit nicht länger zu verschließen und vom westlichen Individualismus und Rationalismus zu lernen. Nur so könne der Rückstand aufgeholt werden. Anstatt ihr Ressentiment zu nähren, solle die arabische Welt sich lieber am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Er fordert etwa eine Bildungsreform, wie sie in Tunesien stattgefunden hat. Dort wurde verfügt, dass alle Meinungen aus den Schulbüchern verbannt werden müssten, die den Menschenrechten und den Grundlagen des modernen Staatswesens widersprechen.

Doch auch den Westen ermahnt der Autor. Den Israelis hält er vor, sie hätten anders als die Gründerväter Israels nicht verstanden, was sie den Palästinensern zugefügt hätten. Den Amerikanern wirft er eine einseitige Nahostpolitik vor. Auch ihr Umgang mit Saudi-Arabien sei zu nachsichtig. Hier müsse der Westen seinen Beitrag leisten, um den weitverbreiteten Ressentiments das Wasser abzugraben. Zur Überraschung mancher seiner Leser fordert Meddeb die Amerikaner auch auf, „die Souveränität des Irak wiederherzustellen, indem es Schluss macht mit seinen Machthabern, die das Land mit seinen Menschen und ihrem Hab und Gut als Geiseln nehmen.“ Ein unverhohlener Aufruf zum Sturz Saddam Husseins.

Ein wichtiges Buch

Die „Krankheit des Islam“ ist ein wichtiges Buch. Es ist zwar beileibe nicht der erste Versuch, den wirtschaftlichen Niedergang der islamischen Welt zu erklären. Doch so direkt wie Meddeb hat noch kein Moslem den kollektiven Selbstbetrug der islamischen Welt angeprangert. Er schrieb das Buch direkt nach dem 11. September, und man merkt ihm an, dass Meddeb sich die Wut von der Seele schrieb. Ob es auch die islamische Welt erreichen wird, ist fraglich. Wahrscheinlich ist, dass nur die Eliten es wahrnehmen werden. Die übrigen werden wohl nie davon erfahren.

Abdelwahab Meddeb: Die Krankheit des Islam, Aus dem Französischen von Beate Thill und Hans Thill, Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2002

Re: Die nie verwundene Niederlage des Islam #47208
18/09/2002 20:14
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Claudia Poser-Ben Kahla Offline
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Nicole ich habe dieses Thema in diese Rubrik geschoben.

Claudia

Re: Die nie verwundene Niederlage des Islam #47209
14/12/2002 17:58
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Claudia Poser-Ben Kahla Offline
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Was sagt ihr zu diesem Bericht?

Claudia

Re: Die nie verwundene Niederlage des Islam #47210
14/12/2002 23:01
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Hallo,

also, ich finde dass da ein paar interessante Überlegungen drin stecken, auch wenn ich spontan nicht alles teieln würde, was aufgestellt wird, z. B. glaube ich ich nicht, dass der Sturz Sadam Husseins durch die USa durchgeführt werden sollte. Die GEschichte zeigt, dass nur ein Umsturz, der aus dem eigenen Volk heraus bewegt wird eine wirkliche Wirkung erzielt. Die arabischen Staatne zu Satellitenstaaten des Westens (der USA) zu machen kann ja nicht das Ziel sein.
Aber abschließend kann ich mir keine Meinung dazu bilden, denn ich habe ja nur den Bericht gelsen und nicht die Aussagen des Autors selbst. ICh werde das Buch lesen und dann nochmal was dazu sagen.

Re: Die nie verwundene Niederlage des Islam #47211
15/12/2002 22:19
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Kate ich stimme dir in diesen Punkten genau zu, denn ob man viel mit dem Sturz Saddams erreicht, weiß keiner, wir sehen es ja in Afg. zur Zeit.

Claudia

Re: Die nie verwundene Niederlage des Islam [Re: Claudia Poser-Ben Kahla] #235576
11/02/2008 23:27
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Viele neue Mitglieder, was sagt ihr dazu?

Claudia