USA schicken Botschafter nach Libyen
8. September 2008, 02:22 Uhr
Außenministerin Rice leitet mit ihrem Besuch bei Gaddafi nach jahrzehntelanger Feindschaft eine "neue Phase" ein
Tripolis - Nach jahrzehntelanger Feindschaft soll für die USA und Libyen eine neue Ära beginnen. Mit ihrem Besuch beim libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi sei das Verhältnis in eine neue Phase getreten, sagte US-Außenministerin Condoleezza Rice in Tripolis. Sie kündigte die baldige Entsendung eines Botschafters nach Tripolis an. Libyen wurde von den USA lange als "Schurkenstaat" eingestuft. Nach dem Treffen reiste Rice nach Tunesien weiter.
Der Besuch von Rice in dem erdölreichen nordafrikanischen Wüstenstaat war der erste eines hochrangigen US-Regierungsmitgliedes seit 55 Jahren. Zuletzt hatte US-Außenminister John Foster Dulles 1953 in Libyen König Idris besucht, der 1969 von Gaddafi in einem Militärputsch gestürzt worden war. Einen Tiefpunkt hatten die angespannten Beziehungen erreicht, nachdem 1986 die US-Luftwaffe als Vergeltung für einen Anschlag auf die von US-Soldaten besuchte Berliner Diskothek "La Belle" libysche Städte bombardierte (etwa 100 Tote) und 1988 eine vermutlich von libyschen Geheimagenten gelegte Bombe in einem US-Passagierflugzeug über dem schottischen Lockerbie explodierte (270 Tote). 1992 verhängte der Weltsicherheitsrat wegen des Lockerbie-Anschlages Sanktionen gegen Libyen, die erst 2003 wieder aufgehoben wurden, nachdem das Land Entschädigungen für die Angehörigen der Opfer zugesagt hatte.
Nach einem Abendessen mit Gaddafi in seiner Residenz in Tripolis, die 1986 von den USA bombardiert worden war, erklärte Rice jetzt: "Die Beziehungen haben sich schon in den vergangenen Jahren in eine gute Richtung entwickelt. Und ich glaube, dass diese Nacht eine neue Phase markiert." Die Annäherung komme zur rechten Zeit, da es viel zu tun gebe im Maghreb, in Afrika und im Nahen Osten. In einigen konkreten Fragen gebe es bereits Fortschritte. Dazu gehörten Verhandlungen über ein Handels- und Investitionsabkommen sowie Vereinbarungen im Ausbildungs- und Kulturbereich.
Die USA warten nach Auffassung von Beobachtern in Washington mit der Entsendung eines Botschafters nach Tripolis noch ab, bis die libysche Regierung - wie kürzlich vereinbart - ihren Beitrag in einen Fonds eingezahlt hat, aus dem die Angehörigen der Opfer des Lockerbie- und des "La-Belle"-Anschlags sowie des US-Bombardements in Libyen entschädigt werden sollen. Gaddafi hatte nach seiner Begegnung mit Rice gesagt, die USA seien weder Freund noch Feind seines Landes, ein Zwist zwischen beiden Seiten nütze aber niemandem. Bei den Gesprächen ging es nach libyschen Angaben auch darum, wie die wirtschaftliche Zusammenarbeit intensiviert werden kann, vor allem im Ölsektor. Außenminister Abdel Rahman Tschalgham stufte die Visite seiner US-Kollegin als Beweis für das Ende der Konfrontation zwischen beiden Ländern ein. "Die Welt hat sich geändert ... Die Zeit der Konfrontation ist vorbei", sagte er.
Unterschiedliche Meinungen vertraten Rice und Tschalgham beim Thema Menschenrechte. Sie habe mit ihrem libyschen Kollegen das Schicksal des Oppositionellen Fathi al-Dschami erörtert, sagte Rice. Der 66-Jährige sitzt seit 2004 in Haft, weil er die Regierung von Staatschef Gaddafi kritisiert hatte. Es sei wichtig, mit Libyen auch einen Dialog über Menschenrechte zu führen, sagte Rice.
Der Kampf gegen den Terrorismus war auch Thema beim Treffen von Rice mit dem tunesischen Präsidenten Ben Ali. Sie sprach von "guten und intensiven Diskussionen". "Wir haben natürlich über die Sicherheitslage in der Region und den Kampf gegen den Terrorismus gesprochen", sagte Rice in Tunis. Zudem sei es um das Reformtempo in Tunesien gegangen. Der autoritäre Herrscher Ben Ali regiert Tunesien seit 1987 und strebt 2009 eine weitere Amtszeit an. dpa/AFP
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