Die Tanzbewegung Nordafrikas liegt Europa so nah und bleibt uns fern.


«Sie sind Araberin? Dann machen Sie also arabischen Tanz?» Das hört Nawal Skandrani oft. Die Tunesierin hat eine schwedische Mutter, ist großbürgerlicher Herkunft, lebt unverheiratet mit einem Christen und ist erklärte Atheistin. Anstatt in Europa zu leben, entschied sie sich für ihre tunesische Hälfte. Vier Jahre lang leitete sie das Nationalballett in Tunis, NBT. Das wuchs unter ihr zu einer kreativen Kompanie und dem Geburtsort einer zeitgenössischen Tanzszene, der einzigen in der arabischen Welt. Bis vor zehn Jahren der Regierung ein Licht aufging, dass hier nicht die gewünschte Renommierkompanie für politische Kongresse und Auslandsmissionen entstanden war, sondern ein eigenständiges Kunstprojekt.
Heute gibt es, nach Ansicht aller Beteiligten, zwar tunesische Solisten und Duos, aber keine homogene Szene. Erst Les Rencontres Chorégraphiques de Carthage versuchen, das wieder zu ändern. Das Festival, auch als Printemps de la Danse bekannt, ist Treffpunkt der internationalen Tanzgemeinde, von Tero Saarinen bis Germaine Acogny, von Forsythe bis Saporta, von Jean Babilée bis zum Ballet du Grand Théâtre de Genève. Und natürlich bietet es eine Plattform des aktuellen tunesischen Schaffens. Da treten die Gemeinsamkeiten hervor.
Die Rencontres haben sich als Knotenpunkt zwischen den Tanzwelten Nordafrikas, Westafrikas und Europas etabliert. Kulturen, die sich in Tunis täglich auch auf der Straße begegnen. Dass es Karthago im Titel führt, soll das Festival in eine Linie mit den zwei größten Kulturmessen Tunesiens stellen, die Musik, Kino und Theater gewidmet sind. Das sind staatliche Festivals. Die Rencontres sind unabhängig. Und unabhängig ist nicht gerade der Regierung liebstes Adjektiv. Da feiern die Gazetten auf der Titelseite die Pressefreiheit und -pluralität im Land. Doch während der Festivalwoche wird ein Journalist verhaftet, ein anderer verhört. Der dritte zog es vor unterzutauchen. Ihre unabhängige Vereinigung hatte es gewagt, der offiziell rosaroten Brille einen Spiegel vorzuhalten. Bezeichnenderweise arbeitet der Inhaftierte für den TV-Sender Aljazeera, das rote Tuch aller Herrschenden, die die Medien zu kontrollieren suchen, von Bush bis Ben Ali. Ist in tunesischen Medien die Berichterstattung über Tanz schon ästhetisch kontrovers, so ist es kaum noch möglich, auch gesellschaftliche Aspekte einer Kreation zu zeigen. Aber eine Choreografie lässt sich schwer zensieren. Rap dagegen schon. Und das bekommt die Szene auch zu spüren. Der Maulkorb frustriert die Jugend und beraubt das Land jener Vitalität, die es für seine Entwicklung dringend bräuchte. Rund um Tunis werden Büropaläste mit modernen Glasfassaden hochgezogen. Doch wer reflektiert die Perspektivlosigkeit der Jugend in den Provinzstädten? Über die Bedrohung einer der wichtigsten Wirtschaftszweige durch Chinas Textilexporte verliert die Presse kein Wort. Es geht halt ständig bergauf ...
Auf der Flaniermeile Avenue Habib Bourghiba steht der weiße Kolonialbau des Théâtre municipal. An der Kasse in der Seitenstraße lässt man sich seine Gratiskarte für den Abend abstempeln. Die Plätze im Parterre sind nummeriert. Vor dem Theater dröhnt aus Lautsprechertürmen die Werbeschleife. «Wir haben unser Versprechen gehalten. Die bedeutendsten Kompanien des zeitgenössischen Tanzes sind hier!» Die Stimme der dynamischen Sprecherin gehört Festivalleiterin Syhem Belkhodja. Ihre Energie ist nicht zu bremsen. Wenn nötig wacht sie selbst darüber, dass niemand mit hohen Hacken über den Tanzboden stelzt, erzieht das Publikum mit einem «Pssst!» oder ruft letzte Anweisungen aus der offenen Tür des anfahrenden Festivalbusses.


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Im leben gibt es viele Kopien aber nur wenig Originale!
Viva la Tunisie 14.01.2011
kashba.de - Tunesien-News