29.05.2003:
Prishtina: "Fass ohne Boden ?"
Kosovo ist nach vier Jahren Hilfe noch ein Fass ohne Boden

(dpa)Das Tuckern der Stromgeneratoren auf den Straßen von Pristina ist auch nach vier Jahren internationaler Aufbauhilfe nicht verklungen. Als wohl einzige Großstadt Europas muss die zentrale Kommune der Provinz Kosovo ihre Elektrizitätsversorgung bei täglichen Stromabschaltungen mit Benzin- und Dieselaggregaten sichern. Ein als «Mr. Energy» vorgestellter deutscher Manager hat es nicht richten können. Ein Teil der 500 Millionen Euro Finanzhilfen für die Stromwirtschaft scheint in einem Fass ohne Boden versickert. Der Strommangel gilt Kosovo-Albanern als Zeichen eines Versagens der von den Vereinten Nationen geführten internationalen Verwaltung. Weniger als die Hälfte der Kunden des Kosovo-Elektrizitätswerkes (KEK) zahlen ihre Rechnungen. «Das ist doch eine Voraussetzung für weitere Investitionen in die Technik oder den Stromkauf jenseits der Grenzen», sagt ein ausländischer Fachmann. Doch angesichts der Stromausfälle und einer Arbeitslosigkeit von mindestens 57 Prozent behaupten Stromkunden, die Zahlungen aus gutem Grund zu verweigern.

Der aus München stammende Diplomat Michael Steiner hatte das Amt an der Spitze der UN-Kosovo-Mission (UNMIK) im Februar vergangenen Jahres als Hoffnungsträger für Fortschritte übernommen. Eine wirtschaftliche Entwicklung und Sicherheit für alle Menschen in einer multiethnischen Gesellschaft mit funktionierenden Institutionen bezeichnete er als seine Prioritäten. Und nur wenige Tage nach seinem Arbeitsbeginn wurden ein langer Streit albanischer Parteien um die Bildung der ersten Nachkriegsregierung überwunden.

Doch schon seit Monaten regieren gegenseitige Schuldzuweisungen das Verhältnis zwischen den gewählten Politikern und den entsandten Vertretern internationaler Organisationen, während das Kosovo nicht recht vom Fleck kommt. «Er redet gut. Er verspricht sehr gute Dinge», sagt der Präsident der Parlamentes in Pristina, Nexhat Daci, über Steiner. «Aber am nächsten Tag hat er alles vergessen.» UN-Vertreter kontern, die politischen Führer des Kosovos erfüllten ihren Auftrag nicht und hätten die Lektionen des Konfliktes nicht gelernt. Ihre Institutionen seien oftmals unfähig, politische und ethnische Grenzen zu überwinden.

Tatsächlich stellen aber auch Organisationen wie Amnesty International dem von den Vereinten Nationen verwalteten Kosovo ein schlechtes Zeugnis aus. Angehörige der Minderheiten - Serben oder auch Roma - seien Gefangene in ihren Heimen, denen grundlegende Rechte wie medizinische Versorgung und Bildungschancen verwehrt würden, heißt es in einer im April veröffentlichten Studie. «Mit Straflosigkeit für früheren und andauernden Missbrauch werden Minderheiten im Kosovo die grundlegenden Rechte vorenthalten, die heimisches Gesetz und die auf das Kosovo anzuwendenden internationalen Standards garantieren.»

Während viele Probleme noch ungelöst scheinen, sollen die Kosovo- Institutionen weitere Verantwortung übernehmen. Die internationale Verwaltung wird zugleich viele Stellen abbauen. In der formal zunächst weiter zu Serbien-Montenegro, dem Nachfolgestaat Jugoslawiens, gehörenden Provinz werden internationale Vertreter damit verstärkt eine Beobachterrolle einnehmen.

Steiner, der im Sommer neuer deutscher UN-Botschafter in Genf wird, ist überzeugt, für das Kosovo habe damit womöglich die kritischste und empfindlichste Phase begonnen. Sicherheit im Kosovo diene aber nicht nur den Minderheiten, sagt er. «Es ist grundlegend für die langfristige Stabilität des Balkans und Europas. Um diesen Wechsel zu erreichen müssen wir den Kosovaren helfen, sich europäische Standards anzueigenen.»