08.12.2003:
Debatte: "Anti-Terror-Kampf auf Kosten Unschuldiger"
Sind die angewandten Mittel immer verhältnismäßig?

(dpa)Nach dem Tod von neun afghanischen Kindern bei einem US-Bombenangriff auf einen Taliban-Kommandeur hat UN- Generalsekretär Kofi Annan davor gewarnt, den «Anti-Terror-Kampf auf Kosten unschuldiger Menschenleben (zu) führen». Er sei zutiefst erschüttert über die Nachricht und spreche den Familien der jungen Opfer sein herzlichstes Beileid aus, erklärte ein UN-Sprecher am Sonntag (Ortszeit) im Namen des Generalsekretärs. Annan habe eine «umfassende» Untersuchung der Vorgänge gefordert und dafür plädiert, das Ergebnis zu veröffentlichen. «Angesichts der Tatsache, dass dies nicht der erste Fall ist, in dem Unschuldige durch Luftangriffe der Koalition ums Leben gekommen sind, dringt der Generalsekretär (...) auf Maßnahmen, die eine Wiederholung solch tragischer Fehler ausschließen», sagte der Sprecher in New York.

Bereits vor drei Wochen waren bei einem US-Angriff in der südostafghanischen Provinz Paktika sechs Zivilisten getötet worden. Auch unter diesen Opfern waren Kinder. Angesichts des neuen Vorfalls drückte der US-Botschafter in Kabul, Zalmai Khalilzad, am Samstag sein Bedauern aus. «Das ist ein tragischer Verlust von unschuldigem Leben», sagte er. Der Angriff habe dem Taliban-Kommandeur Mullah Wazir gegolten. Nach dem Angriff hätten US-Soldaten den Tod Wazir bestätigt und die Leichen von neun Kindern am Ort des Bombardements entdeckt. Die Untersuchungen des Vorfalls dauerten an.

Unterdessen wurden am Samstag in Kandahar 18 Menschen bei einem Bombenanschlag mutmaßlicher Taliban-Kämpfer verletzt. Der Sprengsatz detonierte in einer belebten Geschäftsstraße der südafghanischen Stadt. Der afghanische Präsident Hamid Karsai bezeichnete den Anschlag als einen Versuch von Terroristen, die verfassungsgebende Große Ratsversammlung zu behindern.

Der ursprünglich für Mittwoch geplante Beginn der Loja Dschirga wurde am Sonntag verschoben. Die Verfassungskommission teilte mit, die 500 Delegierten aus dem ganzen Land würden nicht rechtzeitig in der Hauptstadt Kabul eintreffen. Sie sollen nach 25 Jahren Krieg und Bürgerkrieg eine neue Verfassung für Afghanistan verabschieden.

Seit August haben Angriffe radikal-islamischer Rebellen wie der Taliban besonders im Süden und Osten Afghanistans zugenommen. Seitdem starben bei gewaltsamen Zwischenfällen fast 400 Menschen, darunter Rebellen, afghanische Sicherheitskräfte, ausländische Soldaten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Zivilisten.