20.08.2005:
Interview: Nicht nur auf München beschränkt
Schulschließung in Bayern: IZ-Interview mit dem Leiter der Deutsch-Islamischen Schule

(iz) Im nächsten Jahr soll sie ihr 25-jähriges Jubiläum feiern, die Deutsch-Islamische Schule in München. Nun, zwei Wochen nach Beginn der Schulferien in Bayern, kam die Bildungseinrichtung, die gemeinsam mit der Islamischen Grundschule Berlin die einzige ihrer Art in Deutschland ist, ohne eigenes Zutun durch Negativschlagzeilen in die Medien. Durch einen Beitrag des ZDF-“heute journal“ konnten die Menschen erfahren, dass die Oberbayrische Bezirksregierung der Schule zum 31. Juli die Betriebserlaubnis entzogen und die teilweise Finanzierung der Schule eingestellt habe. Grund hierfür seien angebliche personelle und strukturelle Verbindungen zu „extremistischen Kreisen“ gewesen. Die Islamische Zeitung sprach mit dem Leiter der Deutsch-Islamischen Schule in München, Munir Swais.

Islamische Zeitung: Sehr geehrter Herr Swais, wie fühlt man sich, wenn man nur indirekt von der Schließung seiner Schule erfährt?

Munir Swais: Man fühlt sich natürlich platt, und wir sind aus allen Wolken gefallen, weil ich letzten Endes nur durch den Anruf einer Lehrerin und durch die Medien von der Entscheidung der Bezirksregierung erfahren habe. Ich habe nur durch die Journalisten erfahren, was passiert ist. Erst einen Tag darauf habe ich einen Brief in den Händen gehalten.

Islamische Zeitung: Können Sie uns kurz die Vorgänge aus Ihrer Sicht schildern?

Munir Swais: Aufgrund der bekannten Gründe, die bereits in den Medien und von Herrn Beckstein erwähnt wurden, geht man nun davon aus, dass es sich hier um verfassungsfeindliche Vorgänge handele. Es bedeutet natürlich, dass ab sofort die Schule ihre Betriebsgenehmigung verliert sowie auch ihre finanzielle Unterstützung [die andere Privatschulen auch erhalten] durch die Bezirksregierung Oberbayerns.

Islamische Zeitung: Was wären nun die konkreten Auswirkungen für Ihre Schule und die Schüler?

Munir Swais: Wir sind ab sofort nicht mehr berechtigt, Kinder in unserem Gebäude aufzunehmen und zu unterrichten. Mit anderen Worten handelt es sich hier um eine totale Betriebsschließung. Diese hat sich nun auch auf unseren Kindergarten ausgeweitet. Wir müssen jetzt sehen, inwieweit und wie wir dagegen rechtlich vorgehen können.

Islamische Zeitung: Was sind die konkreten Auswirkungen für die Eltern der betroffenen Kinder?

Munir Swais: Was die Schüler angeht, so sind die so genannten „Sprengelschulen“, das heißt die Grundschulen in Bayern, verpflichtet, die Kinder aufzunehmen. Das heißt, dass die Eltern ihre Kinder in der Grundschule ihres Wohngebietes anmelden müssen. Beim Kindergarten ist es schwieriger, da Kindergarten- und Krippenplätze wie im ganzen Bundesgebiet sehr rar gesät sind.

Islamische Zeitung: Gehen Sie rechtlich gegen den Bescheid der Bezirksregierung vor?

Munir Swais: Wir haben Kontakt zur Bezirksregierung aufgenommen, werden aber auf jeden Fall rechtlich vorgehen und haben bereits den uns zugeschickten Bescheid abgelehnt. Wir werden die uns zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpfen. Gleichzeitig bemühen wir uns um Gespräche mit der Bezirksregierung und der Stadt München, um gewisse Dinge klarer zu sehen.

Islamische Zeitung: Wie sahen die öffentlichen Reaktionen aus?

Munir Swais: In den ersten Tagen wurde der ZDF-Bericht beinahe wortwörtlich in den anderen Medien wiedergegeben. Man versucht, mit uns Kontakt aufzunehmen, da wir am Anfang nicht schnell reagieren konnten, da die Medien uns ja als erste mit der Nachricht vertraut gemacht haben. Wir haben in der Nacht vom Samstag, dem 6. August, eine Presseerklärung unsererseits veröffentlicht. Wir haben dann gemerkt, dass die Medien, die Anfangs nur die offizielle Version wiedergegeben haben, sich verstärkt an uns wandten, um unsere Sicht der Dinge zu erfahren. So gab es offenkundig ein Durcheinander, welches durch die Statements von Herrn Beckstein verursacht sein könnte. Das ging sogar so weit, dass man die Trägerschaft der Schule verwechselte und uns sogar die Finanzierung irgendwelcher militanter Gruppen im Ausland unterstellte. Gerade was die Finanzierung der Schule angeht, sind wir den gleichen Anforderungen wie jede anderen Privatschule unterstellt und müssen über jeden Cent, den wir ausgeben, Rechenschaft ablegen, bevor uns Gelder zur Verfügung gestellt werden. Da hatten wir niemals Schwierigkeiten, da wir ein vertrauensvolles Verhältnis zur Regierung von Oberbayern hatten. Damit steht für uns außer Frage, dass Herr Beckstein auf dem Rücken von Kindergarten- und Grundschulkindern Wahlkampfpolitik betreibt.

Islamische Zeitung: Wie sollten die Muslime reagieren?

Munir Swais: Meiner Meinung nach sollten sich die muslimischen Organisationen an die Regierung von Oberbayern wenden, da die Schließung der Schule ein Rückschlag für die Muslime bedeutet, der sich nicht nur auf München beschränkt. Die Deutsch-Islamische Schule in München ist - ebenso wie die Schule in Berlin - eines der Projekte, welches seit Jahrzehnten für die Integration der Muslime in Deutschland arbeitet. Seit zwei Jahrzehnten legen wir besonderes Augenmerk auf die Spracherziehung sowohl in der Muttersprache als auch in der deutschen Sprache. Wir sehen eine grundlegende muttersprachliche Erziehung als Voraussetzung für einen erfolgreichen Erwerb einer oder mehrerer weiterer Sprache. Die Erkenntnisse der PISA-Studie haben somit unseren Ansatz sogar noch bestätigt. Damit leistet unsere Schule einen großen Beitrag zur Integration und hat in Deutschland Modellcharakter. Eine Schließung dieser Schule wäre für München, Bayern, ganz Deutschland und selbstverständlich für die Muslime eine großer Verlust.

Islamische Zeitung: Sehr geehrter Herr Swais, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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