Der erste Abend in einer völlig anderen Welt

1. Tag (Montag, 30.11.98)
Mit knapp 20 Minuten Verspätung startet die Maschine der LTU am Nachmittag mit uns an Bord vom Düsseldorfer Flughafen Richtung Djerba. Von der vor uns liegenden Woche im Süden Tunesiens haben wir, was das Wetter angeht, keine allzu hohen Erwartungen. Schließlich ist es fast Dezember und das Thermometer nähert sich bei uns bedrohlich der Frostgrenze. Wir erhoffen uns von unserem knapp drei Flugstunden entfernten Reiseziel lediglich ein wenig mehr Wärme und vielleicht ein paar mehr Sonnenstunden als bei uns.



Als die Maschine den kleinen Flughafen der Insel ansteuert, ist es bereits fast dunkel, aber wir verlassen bei für unsere Verhältnisse angenehmen 18 Grad die Maschine. Erstaunlicherweise müssen wir nicht lange auf unser Gepäck warten und auch die Pass- und Zollkontrolle geht für südliche Verhältnisse erstaunlich zügig. Schon wenig später sitzen wir im Bus, der uns zu unserem Hotel "Dar Jerba" im Nordosten der Insel bringen soll. Während wir von den Klängen orientalisch angehauchter Musik aus den Buslautsprechern berieselt werden, schauen wir interessiert aus dem Fenster und lassen die ersten Eindrücke auf uns wirken. Da es dunkel ist, die meisten Geschäfte aber noch geöffnet haben, bekommen wir in den kleinen Dörfern, die wir durchfahren, einen ersten flüchtigen Eindruck vom Alltagsleben der Djerbi. Schon nach recht kurzer Fahrt liegt das dörfliche Leben jedoch wieder hinter uns und wir nähern uns der Hotelzone. Der Tourismus auf der gerade einmal rund 30 mal 30 Kilometer messenden Insel beschränkt sich fast ausschließlich auf dieses Gebiet. Glücklicherweise haben die Djerbi beim Bau der Hotelanlagen nicht die Fehler anderer Urlaubsgebiete gemacht, sondern auf Hochhäuser gänzlich verzichtet. Die nicht mehr als zwei- bis dreistöckigen Hotels wurden zudem größtenteils im inseltypischen Baustil errichtet und passen sich damit wenigstens halbwegs ins Landschaftsbild ein.

Das Einchecken in unserem Hotel läuft freundlich und zügig ab, ein Angestellter bringt uns unsere Koffer ins Zimmer und zeigt uns mit knappen Worten die wichtigsten Annehmlichkeiten: "Da Meer", lautet sein Kommentar, während sein Finger Richtung Balkontür hinaus in die Dunkelheit zeigt. "Hier Kühlschrank", erklärt er uns dann mit einem Blick auf die Klimaanlage. Als er schließlich freundlich lächelnd in der Tür stehen bleibt, fällt uns ein, dass wir in diesem orientalischen Land ohne reichlich Münzen in der Tasche nicht weit kommen werden. Glücklicherweise ist er aber unserem deutschen Kleingeld keineswegs abgeneigt. Nachdem wir uns ein wenig frisch gemacht haben, mieten wir zuerst einmal ein Schließfach an der Rezeption und beheben bei dieser Gelegenheit auch gleich unser Geldproblem. Da der Wechselkurs staatlich festgelegt ist (ein Dinar entspricht etwa 1,60 DM bzw. 0,82 EUR), gibt es den Touristensport "Suche nach einer besonders günstigen Bank" in Tunesien nicht. Nach dem Abendessen in dem uns zugewiesenen Hotelrestaurant beschließen wir unseren ersten Tag mit einem kurzen nächtlichen Strandbummel.

Sonne, Strand und erste Eindrücke
2. Tag (Dienstag, 01.12.98)


Der Blick vom Balkon unseres Hotelzimmers übertrifft unsere Erwartungen bei weitem. Wir haben den 1. Dezember, draußen begrüßt uns ein wolkenloser Himmel und die noch tiefstehende Sonne verbreitet bereits jetzt eine angenehme Wärme. Wie wir allerdings später erfahren, hätten wir eine Woche früher weit weniger Glück mit dem Wetter gehabt; auch hier kann es um diese Jahreszeit recht windig und ungemütlich sein. Glücklicherweise waren wir optimistisch genug, ausreichend dünne Kleidung einzupacken. Also ziehen wir uns entsprechend luftig an und brechen nach dem Frühstück zu einer Erkundungstour durch unseren Hotelkomplex auf. Die aus insgesamt drei Hotels bestehende Anlage ist so weitläufig, dass wir hier ohne weiteres die ganze Woche verbringen könnten, ohne einen Fuß vor den Eingang setzen zu müssen. Einen Hauch orientalischer Lebensart bekommen wir schließlich auch hier geboten. Vor den kleinen Boutiquen in den überdachten Einkaufsgassen warten die Verkäufer nur darauf, dass wir einen Blick in ihre Schaufenster werfen, um gleich aus ihren Läden zu stürzen und sich uns in den Weg zu stellen. Für uns Neulinge ist es gar nicht so einfach, der Überredungskunst dieser Händler zu widerstehen, die uns auf englisch, deutsch und französisch ansprechen. Wie wir in den nächsten Tagen oft genug feststellen werden, sind die Händler hier im Hotel allerdings noch einigermaßen zurückhaltend.





Um uns von unserem "Schaufensterbummel" zu erholen, verbringen wir den Rest des Tages mit dem Erkunden der Außenanlagen. Rund um das Hallenbad und die beiden von Liegestühlen und Sonnenschirmen gesäumten Außenschwimmbecken tummeln sich sonnengebräunte Urlauber in Badeanzügen. Abgesehen von den tunesischen Kellnern an der Poolbar ist hier von orientalischem Flair nichts mehr zu spüren. Wir könnten uns genauso in einem Hotel auf Mallorca befinden. Bei einigen Hotelgästen können wir uns auch irgendwie des Eindrucks nicht erwehren, dass sie bei ihrer Reise zum Ballermann lediglich den falschen Flieger erwischt haben. Klar, auch wir werden in den nächsten Tagen die eine oder andere Stunde am Pool verbringen; heute entschließen wir uns aber, zum feinsandigen Strand hinunterzugehen, um dort unser erstes Sonnenbad zu nehmen. Am Nachmittag nutzen wir den obligatorischen Empfang durch unseren Reiseleiter dazu, einen Busausflug und eine Jeeptour zu buchen, die uns in den nächsten Tagen in den Süden Tunesiens bringen werden. Eine halbtägige Inselrundfahrt mit einem Minizug soll uns am vorletzten Tag außerdem die Highlights der Insel zeigen. Als wir nach dem Abendessen nochmals durch die Einkaufsgassen der Hotelanlage schlendern, entdeckt Gaby neben der Tür eines Ladens eine braune Lederjacke mit schwarzen Verzierungen. Ihrem Gesicht ist schon anzusehen, dass diese Liebe auf den ersten Blick noch Folgen haben wird...

Ein Tagesausflug zu Speicherburgen, Oasen und Höhlenwohnungen
3. Tag (Mittwoch, 02.12.98)

Am heutigen Morgen müssen wir so richtig früh aus den Federn, weil wir noch in Ruhe frühstücken wollen, bevor wir um kurz nach 7 Uhr zu unserem gebuchten Busausflug abgeholt werden, der uns in den Süden Tunesiens bringen wird. Nach einer relativ kurzen Fahrt an der Küste entlang überqueren wir den Römerdamm, der im Süden der Insel bei El Kantara beginnt und Djerba mit dem tunesischen Festland verbindet. Diese Verbindung verdankt ihren Namen der Tatsache, dass hier bereits die Römer einen Damm zum Festland gebaut hatten, der bis ins sechzehnte Jahrhundert bestand. Die heutige fast sieben Kilometer lange Dammstraße wurde allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg neu gebaut; parallel dazu verlaufen Rohrleitungen, die in erster Linie die Touristenhotels der Insel mit Süßwasser versorgen.
Unser erstes Ziel ist die Stadt Medenine, in der sich bis in die 50er Jahre hinein die größte Ansammlung der für Südtunesien so charakteristischen Ghorfas befand. Diese meist mehrstöckigen Speicher dienten den Halbnomaden während ihrer Wanderschaft zur sicheren Lagerung ihres Besitzes. Diese Ghorfas sind dabei immer zu ganzen Komplexen zusammengefasst, die dann als Speicherburg oder Ksar bezeichnet werden. Während der bis 1956 dauernden Kolonialzeit ebneten die Franzosen im Zuge falsch verstandener Stadtsanierung fast alle Ghorfas ein, sodass heute in Medenine nur noch ein einziger Ghorfa-Komplex erhalten ist. Leider ist nicht daran zu denken, gemütlich durch dieses Kulturdenkmal zu schlendern, da findige Händler es zu einer Art Einkaufszentrum für Souvenirs umgewandelt haben.
In jeder freien Ecke bieten sie lautstark ihre Teppiche, Tonkrüge, Wandteller und Plüschkamele feil und stürzen sich geradezu auf die Touristen. Und wer nichts zu verkaufen hat, der versucht auf andere Weise die eine oder andere Münze zu verdienen; so wie der alte Tunesier, der fotogen neben einem alten Spinnrad posiert und von jedem Touristen, der ihn fotografieren will, lautstark nach einem Dinar verlangt. Aber selbst in diesem Touristenzentrum lässt sich noch ursprüngliches Leben entdecken, wenn man einmal über eine der Treppen auf die Dächer der Ghorfas hinaufsteigt und in die dahinter liegenden schmalen alten Gassen blickt.
Auf unserer weiteren Fahrt legen wir einen kurzen Zwischenstopp in Mareth ein. Das Einzige, was dieses kleine Straßendorf 36 km nordöstlich von Medenine zu bieten hat, ist ein recht großer Markt, auf dem wir uns unter die einheimische Bevölkerung mischen. In dem engen Gedränge auf den staubigen Wegen steigt uns der Duft von frisch gemahlenen Gewürzen in die Nase. Zwar hört man auch hier den einen oder anderen Marktschreier, aber verglichen mit dem Touristenmarkt in Medenine geht es hier erstaunlich ruhig zu.
Eines der Hauptziele auf unserem heutigen Ausflug ist die Oase Gabès, die den Hauptanziehungspunkt der gleichnamigen größten Stadt Südtunesiens bildet. Diese etwa 1.000 Hektar große Dattelpalmenoase mit mehr als 300.000 Palmen ist in mehrere kleinere Ortschaften eingebettet. Die Erkundung der Oase wird zu einem recht amüsanten und gleichzeitig auch ganz bequemen Erlebnis, da wir sie mit Pferdedroschken vornehmen. Überall an den Straßenrändern warten schon Kinder auf die Kutschen und laufen mit Orangen und anderen Früchten ein ganzes Stück nebenher, um sie für ein paar Millimes zu verkaufen. Ebenfalls am Straßenrand wird der als vorzüglich geltende Palmwein Laghmi angeboten. Zwar hat die Oase weiter keine aufregenden Attraktionen zu bieten, dafür lässt sie uns aber für eine gute halbe Stunde in eine ganz andere Welt eintauchen; die intensive Bewässerung sorgt für eine grüne Landschaft, die man sonst in dieser Region vergeblich sucht.
Um die Mittagszeit erreichen wir eine unterirdische Wohnanlage, die zu einem Hotel mit angeschlossenem Restaurant umgebaut wurde. Das Restaurant besteht dabei aus einem Innenhof mit mehreren unterirdisch angelegten Räumen, in denen lange Tische und Holzbänke stehen. In dieser wirklich urigen Umgebung wird uns ein hervorragendes Couscous mit Rindfleisch serviert. Nach dieser wohlverdienten Pause nähern wir uns dem wohl interessantesten Teil unseres Ausflugs, dem Bergland von Matmata. Als wir diese ungewöhnliche, fast unwirklich erscheinende Kraterlandschaft erblicken, wird uns schnell klar, weshalb sie als Filmkulisse für die Starwars-Trilogie ausgewählt wurde. Dass sie als eines der beliebtesten Ausflugsziele Südtunesiens gilt, liegt aber eher an den Höhlenwohnungen, von denen einige auch heute noch Berbern als Unterkunft dienen. Genauso wie unser Restaurant bestehen auch diese Wohnanlagen aus einem Innenhof, der in einen Hügel oder Hang eingesenkt ist, sowie den angrenzenden unterirdisch angelegten Räumen.
Wir werden die Möglichkeit haben, eine der noch bewohnten Höhlenwohnungen zu besichtigen. Die Bewohner verdienen sich ihren Lebensunterhalt, indem sie zweimal wöchentlich Touristen durch ihre Wohnung strömen lassen. Doch leider führt keine gut ausgebaute Straße zu dieser Vorzeigewohnung, sodass wir unseren bequemen Platz im Bus verlassen müssen, um uns zum Taxistand von Matmata zu begeben. Zwar machen die Dromedare, die dort auf ihre Opfer lauern, auf uns Pauschaltouristen keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck, aber andererseits wollen wir uns dieses Erlebnis keinesfalls entgehen lassen. Dank unseres erfahrenen Dromedarführers gelingt der Start ohne Probleme. Um auf halbem Weg ein paar Fotos von uns beiden auf dem Dromedar schießen zu können, drückt er uns plötzlich die Zügel in die Hand und gibt uns mit einem Grinsen in arabisch angehauchtem französisch ein paar Verhaltensregeln mit auf den Weg. Dass wir unser Ziel trotzdem wohlbehalten erreichen, verdanken wir wohl weniger dieser Kurzausbildung als vielmehr der Gutmütigkeit unseres Dromedars.
Während die Dromedare sich in der prallen Nachmittagssonne ausruhen, steht uns noch ein kurzer Fußmarsch bevor, bis wir die Höhlenwohnung erreichen. Überraschenderweise haben wir hier wirklich die Möglichkeit, uns vollständig eingerichtete und ganz offensichtlich noch bewohnte Räume anzuschauen, ohne von Souvenirhändlern gejagt zu werden. Lediglich das fürchterlich hustende Mütterchen, das am Eingang sitzt und Getreide mahlt, freut sich über ein paar Millimes für ihre Vorführung. Während wir uns durch die meist kargen Einrichtungsgegenstände in eine längst vergangene Epoche zurückversetzt fühlen, holt uns hier und da die Gegenwart in Form von einigen modernen Ausstattungsmerkmalen wieder ein, wie etwa das Bild einer Fußballmannschaft, das an der Wand eines Zimmers hängt. Auf dem Rückweg drückt uns unser freundlicher Dromedarführer mit dem Kommentar "Pour les photos" eine Visitenkarte in die Hand. Ein kurzer Brief mit den Fotos ist inzwischen auf dem Weg zu ihm; wir sind gespannt, ob wir eine Antwort von ihm erhalten.





Inzwischen ist es später Nachmittag und wir machen uns mit dem Bus wieder auf Richtung Djerba. Einen nicht eingeplanten Halt machen wir noch, als in der Halbwüste am Straßenrand eine Dromedarherde auftaucht. Eines der Dromedare hat gerade Nachwuchs bekommen und wir bekommen zu sehen, wie die Dromedarhirten der Mutter ihr Junges auf den Rücken binden, damit sie mit dem Rest der Herde Schritt halten kann. Für die Rückfahrt nach Djerba wählt unser Fahrer nicht den Römerdamm, sondern die Fährverbindung vom Anlegeplatz in Djorf. Da trotz des Dammes die Fährverbindung recht frequentiert ist, haben wir hier genügend Zeit, auf der Terrasse eines Cafés den Tag bei einem Espresso gemütlich ausklingen zu lassen. Als wir bei einbrechender Dämmerung schließlich mit der recht betagten Fähre nach Djerba übersetzen, bekommen wir noch einige Delphine zu sehen, die in der Nähe graziös aus dem Wasser springen.


Feilschen in Houmt Souk und ein Berberabend im Hotel
4. Tag (Donnerstag, 03.12.98)

Nach dem gestrigen erlebnisreichen Tag können wir es heute etwas geruhsamer angehen lassen. Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir uns auf zum Taxistand vor dem Hotel und lassen uns in die Inselhauptstadt Houmt Souk fahren. Hier stürzen wir uns in das Gewühle der Souks. Diese recht verwinkelten Basare bestehen zu einem großen Teil aus sehr engen, meist überdachten Gassen, in denen reges Treiben herrscht. Die Wege sind von dicht aneinandergereihten, kleinen Geschäften gesäumt, deren gesamte Vorderfront zur Basargasse hin offen ist. Türen oder Schaufenster sind hier völlig unbekannt. Wo man auch hinschaut, überall sieht man Kleidungsstücke, Teppiche, Schuhe, Schmuck und Antiquitäten, aber natürlich auch etliche Dinge, die auf den vermeintlichen Geschmack der Touristen abgestimmt sind.
Lautstark werben die Händler hier um ihre Kunden. Für denjenigen, der etwas erstehen möchte, ist ausgiebiges Feilschen absolute Pflicht. Manche Waren sind zwar bereits mit Preisen ausgezeichnet, allerdings handelt es sich dabei immer um stark überhöhte "Anfangspreise". So darf es nicht wundern, dass die Sandalen, die mit 50 Dinar ausgezeichnet sind, schon nach knapp zwanzigminütiger Verhandlung für ganze drei Dinar den Besitzer wechseln. Aber nicht immer ist der Spielraum so groß; es gehört auch beim Käufer eine gute Portion Gespür dazu, herauszufinden, welchen Preis der Händler wirklich erzielen will. Immer gleich jedoch ist das Ritual aus Komplimenten und übertriebenen Freundschaftsbekundungen bis hin zu anrührendem Gejammer über den bevorstehenden Ruin. Ein solches Verkaufsgespräch kann durchaus hin und wieder zu einer bühnenreifen Aufführung ausarten. Obwohl uns die Grundregeln zum Thema Feilschen theoretisch bekannt sind, haben wir in der Praxis doch hin und wieder so unsere Anfängerschwierigkeiten. Vor allem, einen Händler einfach stehen zu lassen, fällt uns am Anfang nicht immer leicht. Um uns von dem zum Teil wirklich nervtötenden Trubel zu erholen, suchen wir einen Weg heraus aus den verwinkelten Gassen und setzen uns auf einem der Plätze in ein Straßencafé. Bei einem Espresso und einem Café au lait können wir dem geschäftigen Treiben wenigstens aus einer angenehmen Distanz beiwohnen.
Nach ein paar Stunden sind wir regelrecht erschöpft und freuen uns, dass wir wieder im Taxi sitzen, das uns zurück zu unserem Hotel fährt. Den Nachmittag verbringen wir damit, den typischen Urlauber zu spielen, indem wir uns faul am Hotelpool räkeln und ein paar Runden im Hallenbad schwimmen. Nachdem Gaby inzwischen einige Male an "ihrer" Lederjacke stehengeblieben war und sie selbst in Houmt Souk nichts Vergleichbares gesehen hatte, entschließt sie sich, an diesem Abend nach dem Preis für eine Maßanfertigung zu fragen. Der Händler besteht auf 220 Dinar und lässt trotz unserer hartnäckigen Versuche nicht wesentlich mit sich handeln. Wir einigen uns schließlich auf 200 Dinar und die alten Badelatschen, die ich gerade an meinen Füßen habe. Ich gehe auf den vermeintlichen Scherz ein und vertröste ihn auf den Abreisetag, da ich die Latschen schließlich noch ein paar Tage brauche. Nachdem er bei Gaby Maß genommen und uns zugesichert hat, an eine Innentasche mit Reißverschluss zu denken, ist das Geschäft besiegelt. Um eine kleine Anzahlung ärmer verlassen wir den Laden.
Am heutigen Abend findet in einem der Hotelrestaurants ein Berberabend statt, für den wir uns am Abend zuvor angemeldet hatten, da sich das Programm recht interessant anhörte. Neben verschiedenen tunesischen Spezialitäten, deren obligatorischer Höhepunkt Couscous mit Lammfleisch bildet sowie einer Flasche Rotwein bekommen wir auch eine wirklich recht gelungene Show mit tunesischer Musik, Bauchtanz und artistischen Vorführungen geboten. In einigen Darbietungen wird uns erfolgreich bewiesen, dass professionell wirkender Bauchtanz keineswegs eine Frauendomaine ist. Ein eher zweifelhaftes Erlebnis ist dagegen Madame Souza, die von Tisch zu Tisch geht und den Gästen ungefragt in Windeseile "Tatoos" auf die Handrücken malt. Als Gaby ihr für unsere beiden recht lieblos bemalten Hände gerade ein wenig Kleingeld in den bereitstehenden Korb werfen will, lässt sie ein ziemlich bestimmtes "Quatre Dinars" verlauten. Auch in Tunesien hat wahre Kunst ihren Preis.

Mit dem Jeep bis in die Sahara
5. Tag (Freitag, 04.12.98)

Auch heute Morgen müssen wir wieder ziemlich früh aus dem Bett, denn schon um kurz nach 7 Uhr wartet vor dem Hotel unser Jeep, der uns zusammen mit vier weiteren Teilnehmern zu unserem gebuchten Ausflug nach Südtunesien abholt. Das Programm klang vielversprechend: Die Besichtigung von Speicherburgen, ein Abstecher in die Sahara und die Überquerung eines Salzsees. Wir sind gespannt, ob sich unsere Erwartungen an diese Jeep-Tour erfüllen werden. Zwar steht unser Fahrer Ibrahim in typisch arabischem Outfit mit seinem Jeep pünktlich vor der Tür, dafür lassen sich zwei der anderen Fahrgäste reichlich Zeit. So wird es fast halb acht, bis wir an der Hauptstraße die drei anderen Jeeps treffen, mit denen zusammen wir dann endlich Richtung Römerdamm aufbrechen. In einem der anderen Wagen fährt auch unser deutschsprachiger Reiseleiter mit, der zu unserem Leidwesen während der gesamten Tour ein Händchen dafür entwickelt, an möglichst ungemütlich windigen Plätzen einen kurzen Halt einzulegen, um uns dann ein wenig zu ausführlich in einem recht einschläferndem Tonfall über Land und Leute zu informieren. Wesentlich besser getroffen haben wir es da schon mit unserem Fahrer Ibrahim, der zwar nur ein paar Brocken deutsch spricht, es aber dennoch hervorragend versteht, uns trotz der frühen Stunde wachzuhalten.
Unseren ersten längeren Halt machen wir in einem kleinen Ort namens Ben Gardane, der nur 18 Kilometer von der libyschen Grenze entfernt ist. Durch diese Nähe zu Libyen wird auch die einzige Attraktion des Ortes geprägt, nämlich der riesige Markt, auf dem alle nur denkbaren Waren gehandelt werden, von Zigaretten über billiges libysches Benzin bis hin zu den verschiedensten Dingen des täglichen Bedarfs. Obwohl hier ganz offensichtlich der Schwarzhandel blüht, wird diese günstige Einkaufsmöglichkeit von der tunesischen Regierung großzügig toleriert. Es scheint hier doch etwas rauer zuzugehen, als auf einem herkömmlichen Markt, denn während unseres kurzen Besuches werden wir auch gleich Zeugen einer handfesten Rauferei. Da der Markt für uns, abgesehen von diesem Spektakel, nicht viel zu bieten hat, nutzen wir den Rest des Aufenthaltes dazu, uns in einer typisch tunesischen Bar niederzulassen und das Treiben auf der Straße zu beobachen. Dass wir hier fernab der Touristenorte sind, schlägt sich deutlich im Preis nieder; so bezahlen wir für unsere beiden Espresso lediglich einen Dinar. Auch unser Reiseleiter hat offensichtlich ein gutes Geschäft gemacht; jedenfalls verlässt er den Markt mit einem Wagenrad unter dem Arm.
Gaby scheint es unserem Ibrahim irgendwie angetan zu haben; jedenfalls beobachtet er sie während er weiteren Fahrt immer wieder im Rückspiegel; auf einmal nimmt er ihr den Zettel ab, auf dem sie sich hin und wieder Notizen macht und betrachtet interessiert die Rückseite - dort hatte Gaby sich gestern für unsere Postkarten eine Grußformel in arabischer Schrift notiert... Unser zweites Ziel auf der heutigen Tour ist die Speicherburg Beni Menira, die aufgrund ihrer Lage in der wüstenähnlichen Sandlandschaft nur mit dem Jeep zu erreichen ist. Wären da nicht unsere Jeeps und deren Reifenspuren, so würden wir denken, wir wären um etliche Jahre in die Vergangenheit gereist. Dank der schwer zugänglichen Lage, gibt es hier außer unseren Jeep-Besatzungen keine Touristenhorden, mit denen wir den Anblick teilen müssen.
Auf unserer weiteren Fahrt sorgt Ibrahim bei den Besatzungen der übrigen Jeeps immer wieder für Verwirrung, indem er ständig aus der Kolonne ausbricht und die wildesten Abkürzungen fährt. Doch obwohl wir immer wieder verschwunden sind, scheinen die Fahrer der anderen Wagen sich keine größeren Sorgen zu machen; Ibrahims ungewöhnlicher Fahrstil ist ihnen sicherlich nicht unbekannt. Der Ort Ezzahra, unser nächstes Ziel, hat ebenfalls eine alte Speicherburg zu bieten, die noch vollständig in das dörfliche Leben integriert ist. Nicht nur die Ruhe, die hier herrscht, sondern auch der mit einfachsten Mitteln gebaute Viehstall in der Mitte des Platzes, tragen mit dazu bei, dass wir uns hier wirklich in vergangene Jahrhunderte zurückversetzt fühlen. Tatsächlich ist diese Speicherburg noch bewohnt, wie die beiden alte Leute beweisen, die vor einem der Speicher im Schatten sitzen.
Die letzte und sicherlich großartigste Speicherburg dieser Region, die wir auf unser weiteren Fahrt kennenlernen, ist Ksar Oueld Soltane. Auch dieser Komplex befindet sich mitten in einer recht lebhaften Ortschaft. Vor dem Eingang unterhalten Männer sich beim Brettspiel und ein Dromedar wartet auf der Ladefläche eines Wagens geduldig auf seinen Abtransport. Diese Speicherburg unterscheidet sich durch die vorigen dadurch, dass sie aus zwei durch eine Passage miteinander verbundenen Höfen besteht. Obwohl einer der Höfe bereits im 15., der andere dagegen erst im 19. Jahrhundert entstanden sein soll, ist kaum ein Unterschied im Baustil festzustellen. Da der Komplex inmitten der Ortschaft liegt, werden einige der Gewölbe nach wie vor noch als Lagerräume genutzt. Der Grund für den besonders guten Zustand der Gebäude sind umfangreiche Restaurierungsarbeiten, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden. Nur die alten Türen aus verwittertem Palmenholz lassen das wahre Alter der Anlage erahnen.
Unsere weitere Tour Richtung Sahara führt uns um die Mittagszeit zum Hotel Sangho, das rund fünf Kilometer außerhalb von Tataouine liegt. Im Restaurant dieses wunderschön angelegten Hotelkomplexes wartet ein reichhaltiges Mittagsbüffet auf uns, in dessen Mittelpunkt wieder einmal das als tunesisches Nationalgericht unvermeidliche Couscous steht. Nach dieser verdienten Erholungspause fahren wir weiter zum eigentlichen Höhepunkt unser Tour. Nach relativ kurzer Fahrt biegen wir von der asphaltierten Hauptstraße ab und fahren über abenteuerliche Schotterpisten Richtung Sandwüste. Je weiter wir fahren, um so schneller verändert sich die Landschaft, die wir durchqueren. Immer mehr Sand löst die ohnehin spärliche Vegetation zusehends ab. Ibrahim nutzt den schlechten Zustand der Straße mit ihren gewaltigen Schlaglöchern intensiv dazu, uns mit den Möglichkeiten vertraut zu machen, die sein Wagen bietet. So verfliegt die Trägheit, die sich nach dem Mittagessen bei uns eingestellt hatte, recht schnell wieder und die Zeit vergeht rasch. Plötzlich finden wir uns mitten in der Sandwüste wieder. Wohin wir auch blicken, in allen Richtungen sehen wir nichts als gewaltige Sanddünen. Ein kurzer Aufenthalt mit einem Spaziergang durch den rötlichen Wüstensand ist für uns wirklich der Höhepunkt des heutigen Tages.
Ibrahim nutzt die hügelige Sandlandschaft noch für eine rasante Extratour mit seinem Jeep. Als plötzlich die Räder durchdrehen und immer tiefer im Sand versinken, sehen wir unseren Reiseleiter aufgeregt aus dem Wagen hinter uns springen und auf uns zukommen. Aber schon hat Ibrahim sein Gefährt wieder im Griff und es kann weitergehen. Während der anschließenden Rückfahrt Richtung Djerba vergeht die Zeit doch recht langsam; daran kann selbst Ibrahim nichts ändern, an dessen Kunststücke wir inzwischen gewöhnt sind. Einen letzten Halt legen wir nochmals kurz vor Djerba ein, als wir einen Salzsee überqueren und uns mitten auf dem See die Füße vertreten. Nachdem wir schließlich über den Römerdamm wohlbehalten wieder auf unserer kleinen Insel angelangt sind, bringt Ibrahim uns zurück zu unserem Hotel und verabschiedet sich nach einem letzten gemeinsamen Erinnerungsfoto herzlich von uns. Im Hotel wartet zum Abendessen eine ganz besondere kulinarische Köstlichkeit auf uns – es gibt Couscous.

Mit dem Fahrrad nach Midoun
6. Tag (Samstag, 05.12.98)

Da wir den heutigen Tag noch nicht verplant haben, entschließen wir uns, ein wenig von der Insel auf eigene Faust zu erkunden. Da Mietwagen in Tunesien aufgrund hoher Einfuhrzölle unverhältnismäßig teuer sind und die Insel für die Erkundung mit dem Auto eigentlich auch recht klein ist, sehen wir uns lieber nach einem anderen Fortbewegungsmittel um. So verschlägt es uns zum Moped- und Fahrradverleih unseres Hotel. Da auch die angebotenen Mopeds uns überteuert erscheinen, entscheiden wir uns dafür, unsere Erkundungstour mit Fahrrädern vorzunehmen. Die sechs Dinar, die wir pro Drahtesel für vier Stunden hinblättern müssen, sind angesichts des Zustandes der Räder sicherlich auch noch ein etwas zu hoher Preis, den wir aber akzeptieren.
So machen wir uns in den rund sieben Kilometer entfernten Ort Midoun auf. Die relativ kurze Strecke kostet uns bereits einen großen Teil des vormittags, da die recht schwergängigen Räder mit den extrem unbequemen Sätteln uns nach jedem gefahrenen Kilometer zu einer Pause zwingen. Am Ortseingang von Midoun stellen wir unsere Räder ab, um uns zu Fuß in das Gewühle zu stürzen. Nachdem wir uns auf der Terrasse einer urigen Bar mit einem unserem Instantkaffee vergleichbaren "Café direkt" gestärkt haben, erkunden wir das Zentrum der kleinen Ortschaft, die sich unverkennbar zu einem touristischen Zentrum entwickelt hat. Ein Souvenirladen reiht sich hier an den anderen. Kennt man das Angebot eines Händlers, kann man sich den Besuch der anderen Läden eigentlich sparen. Überall werden die gleichen Teppiche, Wandteller, Keramiktöpfe und Plüschkamele lautstark angepriesen. Unser Einkauf beschränkt sich auf ein paar getrocknete Datteln und ein Päckchen Curry.

Der Rückweg von Midoun an die Küste kommt uns noch deutlich länger vor als die Hinfahrt. Unser Vorhaben, die Küstenregion näher zu erkunden, verwerfen wir daher recht schnell und sind froh, als wir unsere Räder im Hotel wieder zurückgeben können. Der gleiche Ausflug wäre mit dem Taxi nicht nur deutlich bequemer, sondern wahrscheinlich sogar billiger gewesen. Um uns von den Strapazen des Vormittags zu erholen, verbringen den Rest des Tages am Pool, bis die Sonne sich schließlich zurückzieht. Vor dem Abendessen wollen wir noch Gabys Lederjacke abholen, die heute fertig sein soll. Tatsächlich liegt sie schon bereit und ist auch wirklich gut geworden, wenn man einmal von einem Schönheitsfehler absieht: Die versprochene Innentasche mit Reißverschluss fehlt. Der über unsere hohen Ansprüche ganz und gar nicht erfreute Händler versucht vergeblich, uns mit dem Argument abzuspeisen: "Na und? Wo kriegst Du in Deutschland Jacke für 320 Mark?" Wir geben ihm Zeit bis Montag vormittag, die versprochene Innentasche nachzurüsten und sind schon gespannt, ob Gaby schließlich mit oder ohne Lederjacke den Rückflug antreten wird.

Nach dem Abendessen bummeln wir noch ein wenig durch die überdachten Einkaufsgassen des Hotels und fühlen uns irgendwie von den Wasserpfeifen angezogen, von denen ein Händler in seinem Laden eine stattliche Auswahl hat. Als Gaby sich interessiert eine der Pfeifen anschaut, steht auch schon der Händler neben ihr und erklärt ihr ausführlich, dass Wasserpfeifen auch ideal für Frauen sind. Auf Gabys ungläubigen Blick hin erklärt er ihr fachkundig: "Frau raucht nur zuhause!". Als sie noch ungläubiger schaut, ergänzt er: "Apfelaroma, nix Nikotin!" Als wir den Laden des windigen Händlers wieder verlassen wollen, hält er mich energisch fest und bietet mir die Pfeife für unglaublich günstige 80 Dinar an. Als wir es nach einiger Zeit schließlich doch schaffen, uns loszureißen, soll das Prachtstück nur noch 20 Dinar kosten. Eigentlich schade, dass wir gar keine Wasserpfeife brauchen...

Eine Inselrundfahrt mit dem Minizug
7. Tag (Sonntag, 06.12.98)

Der heutige Vormittag ist schon verplant, denn um halb neun soll unsere halbtägige Inselrundfahrt mit dem Minizug starten. In der Hotelzufahrt steht der Zug auch tatsächlich schon bereit, doch weit und breit sind weder der Fahrer noch andere Fahrgäste zu sehen. Um kurz vor neun schlendern wir Richtung Hauptstraße und erspähen eine kleine Gruppe von Leuten, die verzweifelt versuchen, einen Kutscher loszuwerden, der sie zu einer Rundfahrt überreden will. Schnell finden wir heraus, dass auch sie auf den Minizug warten, ihnen jedoch gesagt wurde, er würde sie an der Hauptstraße aufnehmen. Als wir mit der Gruppe den in der Zufahrt versteckten Zug erreichen, schlendert eine Gestalt vom nahegelegenen Taxistand gemütlich auf uns zu und entpuppt sich rasch als unser Fahrer. Unser erstes Ziel auf der verspäteten Rundfahrt ist der Römerdamm. Obwohl wir diese "Attraktion" schon kennen, sind wir froh, aus dem doch recht unbequemen Zug aussteigen und uns die Füße vertreten zu können. Der zuerst etwas reserviert wirkende Fahrer taut ein wenig auf, als er merkt, dass er sich auf französisch mit uns unterhalten kann. So erfahren wir auch, welche Ziele wir als Nächstes ansteuern werden.
Unseren nächsten Halt machen wir im Töpferdorf Guellala, für dessen Bewohner die Töpferkunst schon seit dem letzten Jahrhundert der Haupterwerbszweig ist. So befinden sich entlang der Hauptstraße eine ganze Reihe von Geschäften und Verkaufsausstellungen, in denen die Händler interessierten Besuchern auch die Grundlagen ihres Handwerks erklären. Als wir gerade einen dieser Ausstellungsräume betreten wollen, begrüßt uns freundlich ein Araber in einem dunklen Anzug, der an einem Tisch vor einem nahegelegenen Café sitzt. Erstaunt grüßen wir zurück und betreten den Laden, wo uns ein Junge die Herstellung eines Kruges demonstriert. Plötzlich steht der Mann aus dem Café neben uns und fragt, ob wir ihn nicht mehr kennen. Einen Augenblick später ist uns alles klar: es ist unser Jeepfahrer Ibrahim. Dass er Sonntags sein arabisches Outfit gegen einen Anzug eintauscht, hatten wir nicht erwartet. Seine spontane Einladung zu einem Kaffee nehmen wir gerne an und so sitzen wir schon wenig später mit ihm zusammen vor dem Café. Gaby nutzt die Gelegenheit, ihn zu fragen, ob arabische Frauen tatsächlich Wasserpfeife rauchen. Mit einer verächtlichen Geste erklärt er uns, dass nur schlechte Frauen rauchen oder gar ausgehen und Bars besuchen. Der gute Ibrahim würde an europäischen Frauen sicher keine Freude haben... Nachdem wir uns noch ein paar Minuten nett unterhalten haben, trennen sich unsere Wege wieder, da Ibrahim auf einer Inselrundfahrt mit dem Jeep unterwegs ist und auch unsere Fahrt mit dem Minizug weitergeht.
Das dritte und letzte Ziel unserer Rundfahrt ist die Synagoge La Ghriba in der Nähe der Ortschaft Erriadh. Das Bauwerk in seiner heutigen Form wirkt recht modern, da es erst 1920 entstanden ist, in seinen Ursprüngen reicht es aber viel weiter zurück. So soll der Vorgängerbau bereits von den ersten jüdischen Flüchtlingen errichtet worden sein, die 587 v. Chr. nach der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar nach Djerba geflohen waren. Überhaupt reicht die Geschichte der Juden in Tunesien erstaunlicherweise viel weiter zurück als die der Moslems. Erst nach der Gründung des Staates Israel setzte ab 1948 eine Abwanderung in großem Stil ein, sodass heute auf Djerba nur noch eine winzige Minderheit die lange Tradition der jüdischen Gemeinde weiterhin aufrechterhält.
Ohne Schuhe, dafür aber mit Kopfbedeckung haben wir erfreulicherweise die Möglichkeit, die Synagoge zu betreten und uns in ihrem Innern in Ruhe umzuschauen. Ein alter Jude, der zusammengekauert auf einer Bank sitzt, fordert in recht schroffem Ton einen Dinar von uns. Wir entrichten den Obolus und werden daraufhin auch von ihm in Ruhe gelassen. Erst als wir die Synagoge verlassen wollen, will er einen weiteren Dinar von uns haben. Als wir ihm auf französisch erklären, dass wir bereits bezahlt haben, gibt er sich schließlich auch mit einer Zigarette zufrieden, die er murmelnd zu dem bereits neben ihm liegenden stattlichen Vorrat legt.
Unsere recht kurze Inselrundfahrt ist gegen Mittag nach dem Besuch der Synagoge beendet, so dass wir den Rest des Tages zur freien Verfügung haben. Bei einem Einkaufsbummel erstehe ich für Gaby als Nikolauspräsent ein tunesisches Kochbuch in deutscher Sprache nebst der notwendigen Grundausstattung in Form von zwei Paketen Couscous. Wir werden uns überraschen lassen, ob uns das Nationalgericht bei uns zu Hause genauso gut schmeckt wie hier in südlicher Sonne. Den Rest der Zeit und das traumhafte Wetter nutzen wir dazu, um am Pool noch etwas Sonne zu tanken, da unser Urlaub sich bereits mit raschen Schritten dem Ende entgegen neigt. Nach dem Abendessen entschließen wir uns, dem orientalischen Café des Hotels einen Besuch abzustatten, weil wir am Tag zuvor gehört hatten, dass man hier auch probeweise einmal Wasserpfeife rauchen kann, ohne allzu unangenehm aufzufallen. Zu der Wasserpfeife bestellen wir Pfefferminztee und probieren außerdem Boukha, einen recht starken klaren Feigenschnaps, der nicht ganz unschuldig daran ist, dass wir heute recht früh ins Bett kommen.

Houmt Souk am Morgen und Düsseldorf am Abend
8. Tag (Montag, 07.12.98)

Zwar ist heute unser Abreisetag, aber da wir erst gegen 16 Uhr vom Hotel abgeholt werden sollen, haben wir noch eine ganze Menge Zeit zur freien Verfügung. So beschließen wir, nach dem Frühstück nochmals mit dem Taxi in die Hauptstadt Houmt Souk zu fahren. Inzwischen sind wir den orientalischen Trubel gewöhnt, sodass uns der Bummel durch die engen Gassen der Souks längst nicht mehr so anstrengt wie bei unserem ersten Besuch. Beim Betrachten der Gewürze an den zahlreichen Gewürzständen fällt uns der extrem niedrige Preis für das bei uns so teure Safran auf. Nur ein Händler ist jedoch so fair, uns zu erklären, dass es sich dabei keineswegs um reinen Safran, sondern immer um eine Mischung aus Curry, Paprika und nur einem Hauch Safran handelt. Die Zeit vergeht hier in Houmt Souk recht schnell, und so ist es schließlich auch Zeit, zu unserem Hotel zurückzukehren. Auf dem Weg zum Taxistand kommen wir aber glücklicherweise noch an einem Schuster vorbei, der seine aus einer Kiste bestehende "Werkstatt" am Straßenrand aufgebaut hat. An meinem rechten Schuh hat sich die Sohle gelöst und so bitte ich ihn um Hilfe. Während er sich meinen Schuh anschaut, hilft er mir als Ersatz mit einer alten Sandale aus. Dann kramt er eine Familiendose Pattex hervor, streicht die Sohle satt ein und fixiert das Ganze zusätzlich mit ein paar Nägeln. Für den einen Dinar, den diese Reparatur kostet, bekommen wir zwar nicht unbedingt einen Höhepunkt der Handwerkskunst geboten, aber der Schuh sollte zumindest wieder eine ganze Zeit halten.

Zurück im Hotel, erkundigen wir uns zuerst einmal, wie es um Gabys Lederjacke steht. Als der Händler uns kommen sieht, hält er sie uns bereits strahlend entgegen und zeigt uns stolz die Innentasche. Nachdem Gaby einen Scheck über den noch ausstehenden Betrag ausgefüllt und die Jacke in Empfang genommen hat, wollen wir den Laden gerade wieder verlassen, als der Händler uns zurückhält und mich an die Badelatschen erinnert, die ich ihm noch schulde. Was wir eigentlich für einen unbedeutenden Scherz gehalten hatten, war ihm vollkommen ernst.
Gegen 16 Uhr sitzen also Gaby, um eine Lederjacke reicher, und ich, um ein paar Badelatschen ärmer, im Bus, der uns mit unseren bereits am Morgen gepackten Koffern zum Flughafen bringt. Die Abfertigung auf Djerbas kleinem Flughafen läuft zwar wieder mit orientalischer Gelassenheit, aber dennoch zügig und ohne Probleme ab, sodass uns auch sogar genügend Zeit für einen ausgiebigen Bummel durch den Dutyfree-Shop bleibt. Pünktlich um fünf Minuten nach 18 Uhr startet unsere Maschine Richtung Düsseldorf. Die günstigen Windverhältnisse lassen uns bereits eine halbe Stunde früher als erwartet um kurz vor 21 Uhr in Düsseldorf eintreffen, wo wir bereits nach kurzer Zeit unsere Koffer in Empfang nehmen und bei klirrender Kälte das Flughafengebäude verlassen können. "Das ist eine völlig andere Welt", sagte heute Morgen noch ein Händler in Houmt Souk zu uns. Wie recht er doch hat...

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