Zitat:
Und alle anderen scheint es nicht zu stören, vor allem glaube ich nicht, dass sich irgendjemand in Tunesien so darüber aufregt wie ihr hier im Forum.
Das ist so nicht ganz richtig.

Verlässt man seine Hotelanlage nicht, so trifft man ganz sicherlich auf Tunesier in ihren Berufen, die mittel- oder auch unmittelbar auf die Touristik Bezug nehmen und diese haben so ihre Erfahrungen. Da alle Berufe in diesen bewußten Hotelregionen überdurchschnittlich entlohnt werden, sind sie überaus attraktiv und gesucht. Das hat aber zur Folge, daß die Arbeitnehmer ihr Möglichstes tun werden, um nicht negativ aufzufallen.
DER gläubige Muslim, der seine Familie ernähren muß, wird dem Touristen IMMER erklären, daß alles völlig in Ordnung ist. Gerade wenn der Boss um die Ecke linst, denn selbst Arbeitsverträge (wenn denn jemand dort überhaupt einen hat!) sind im Nu für ungültig erklärt ....
Aber eben dieser Muslim geht abends heim in den Schoß seiner Familie und erzählt, was er tagsüber so erlebt hat und diese Botschaften gehen weiter und tiefer ins Land, schon weil, ihr kennt das bestimmt, nicht nur in Tunesien JEDER immer irgendwo irgendeinen Cousin oder Onkel hat.

Also selbst der Kellner, der eine betreffende "Dame" am Pool cool und breit angrinst, kann innerlich gleichzeitig eine Übelkeits- oder Wutattacke durchstehen und wenn er denn dann auch noch harsch und unfreundlich angesprochen wird, fällt sein Werturteil über Westler nicht sonderlich gut aus.
Das ist nicht gut.
Dass dem aber tatsächlich so ist, weiß ich durch etliche Gespräche vor Ort; unter anderem mit einem Masseur aus dem Nildelta, den ich in Hurghada traf und mit dem ich mich stundenlang unterhalten habe. DER hat mir (mit anderen!) klar bestätigt, daß die weitaus meisten Kollegen dort genauso empfinden und das viele ihre schlimme Gewissensnot mit ihrem Job haben.

Aber offensichtlich kommt die Botschaft ja an:
Zitat:
vor allem glaube ich nicht , dass sich irgendjemand in Tunesien so darüber aufregt
Funktioniert doch!

Wer das Gefühl, nicht gemocht oder gewollt zu sein, im Urlaub ausbildet, wird dieses Ferienziel demnächst meiden, oder? Und da Tunesien weder ein resourcen-, noch Industriereiches Land ist, dürfte das Bruttosozialprodukt sehr schnell ins Bodenlose sinken, wenn die Touris fortblieben.

Wie sagte mir mal ein Ägypter?

"Wir mögen die Touristen eigentlich nicht. Jedenfalls die wenigsten. Aber wir brauchen sie." - ich fand es klasse, daß er MICH damit nicht meinte, weil er mich nicht als "Tourist", sondern ganz bewußt als "Besucher" bezeichnete. Und er mußte es aufrichtig meinen, denn da ich damals chronisch pleite war, konnte ich Ägypten gar nicht mal viel Geld von zuhause mitbringen! [lachen1]

Man müsste versuchen, die Frage sozusagen ganzheitlich zu sehen ... dann gewinnt sie m.E. durchaus an Brisanz und Größe.

Michael