Nouri Bouzid über „Bezness“:

Der Orient reduziert sich heute auf Verbote. Der Orient ist kein zivilisatorisches Projekt mehr. Was davon an Erscheinungen geblieben ist, sind Trugbilder, Postkarten, Klischees, Produkte für den Verkauf. Ansonsten hat der Okzident die Welt der Erscheinungen im Orient besetzt. Aber es gibt ihn noch. In den Köpfen. Orient ist, was nicht zu sehen ist: das Unsichere, das Tabu, das Verbotene. Nicht-Berühren, das ist der Orient. Das ist die feudale Ideologie, die in den Gehirnen weiterlebt. Roufa ist nach außen modern, westlich, in seinem Denken aber feudal. Man kann aber nicht halb demokratisch und halb feudal sein. Was erklärt denn den Aufstieg der Fundamentalisten in Algerien oder Ägypten oder im Iran, den man für modern gehalten hat? Unter der westlichen Fassade ist der Orient erhalten geblieben. Man will die Frauen in diesem Orient einschließen, für sich behalten(...)
Mein Problem, das sind die Fundamentalisten. Dieses Denken, das die Gesellschaft lähmt und Neuronen der Menschen blockiert, sie hindert zu denken. Mein Projekt, das ist der Krieg gegen den Feudalismus, gegen die ganzen feudalen Filiationen bei uns. Das ist der rote Faden in allen Filmen. Der sozialen Heuchelei, egal ob im religiösen oder patriarchalischen Gewand, den Prozess machen (...) Wenn gleichzeitig in Europa alle "Paris, Texas" beklatschen, heißt das doch nur, dass jede Gesellschaft ihre eigenen. Probleme hat. Man kann aber nur die Probleme angehen, die sich stellen. Meine Rolle ist auch nicht, Lösungen anzubieten, sondern meine Sicht der Dinge zu zeigen und dadurch an der Diskussion teilzunehmen. Wenn die Leute etwas finden; an das sie glauben können, ihre Identität, sich selbst wiederfinden, dann brauchen sie nicht 14 Jahrhunderte zurückgreifen, um den Horror vacui zu bekämpfen. Wenn es Hunderte von Regisseuren und Theaterleuten gäbe, dann ginge es uns schon besser.
(Auszüge aus einem Interview, filmdienst 9/1993)