...Was auch oft ne Rolle spielt für die Männer wenn sie herkommen, finde ich ist es sich daran zu gewöhnen, dass die Frau, die ja im Urlaub im Grunde 24 Std. für ihn Zeit hat, dann auf einmal den halben Tag nicht da ist und arbeiten geht. Andere Menschen, ja auch Männer, trifft. Er aber in der ersten Zeit meist erstmal zuhause hockt und sich evt. langweilt. Denn bis er Arbeit findet gehen ja so im Schnitt schon mal 3 Monate ins Land...

Ich halte eine andere Ursache für viel gravierender, nämlich die, daß das Gesellschaftssystem erheblich anders ist. In Europa ist die Gesellschaft auf Individualisierung abgestellt, während sie in Tunesien auf die Gemeinschaft (der Gläubigen, der Familie, der Männer) abzielt. Jemand, der hier sozusagen ins kalte Wasser geworfen wird, muß zunächst feststellen, daß er die meisten in seinem Leben gelernten Verhaltens- und Denkweisen in die Tonne treten kann, daß Fähigkeiten, die dort etwas galten, hier wertlos sind oder, noch schlimmer, als negativ bewertet werden.

Da gibt es dann also nicht nur das Gefühl der Langeweile, sondern auch das der Nutz- und Wertlosigkeit, und vor diesem Hintergrund bleibt als einziges feststehendes und mit eindeutigen Wert- nd Handlungsanweisungen versehenes Element der Glaube. Ich halte es für eine Fehl-Interpretation wenn gesagt wird, daß sich ein Tunesier früher oder später sowieso dem Glauben zuwenden wird - denn das tut er in Tunesien auch nicht.

Es gibt in Deutschland (wahrscheinlich sogar generell) nur zwei Gruppen, die sich so verhalten, nämlich diejenigen, die sich hier völlig entwurzelt und orientierungslos vorkommen (als haltgebendes und vertrautes Element) und diejenigen, die sich wirtschaftlich und soziologisch mit dem System arrangiert haben (Kinder aus "besseren" Familien) und insofern hier zwar Wurzeln geschlagen haben, die Blätter aber zu einer anderen Kultur wachsen lassen (Mittel und Muße haben).