@ Uwe:
Sicher ist Tunesien ein Land im Umbruch, man muss abwarten, was in den nächsten Wochen und Monaten passiert. ...
Ja!
... In Tunesien gab es in der Vergangenheit immer schon Kriminalität, wenn ich mich an den Mord an dem Langzeiturlauber und dem Landtagsabgeordneten im letzten oder vorletzten Jahr erinnere. Diese Sachen hat nur nie jemand erfahren. Ich habe das Gefühl, dass manche, auch die Deutschen, die hier leben, in einem Käfig mit der rosaroten Brille gesessen und gedacht haben, Tunesien wäre ein Hort der Glücksseligkeit. ...
Das und einiges anderes habe ich z.B. sehr wohl erfahren. Aus den tunesischen Medien, aus Polizei-Ermittlungen (war wenig spassig, als die Polizei vor der Tür stand, weil irgendjemand behauptet hat, man würde den Mann kennen, den man aber noch nie gesehen hat), aus Erzählungen und Gerüchten - die in Tunesien fast immer einen gewissen Wahrheitsgehalt haben und aus anderen wirklich gut informierten Quellen. Und Einiges an Geschehnissen mehr.
Und, NEIN, ich hatte auch noch nie eine rosarote Brille. Passt einfach nicht zu mir. Aber ich setze sie auch jetzt nicht auf. Und schon gar nicht in Anbetracht der gesamtpolitischen Lage in den arabischen/islamischen Ländern.
... Sicher ist die Kriminalitätsrate in manchen Regionen zur Zeit noch höher, dass ist bei einem Umbruch wie diesem nicht zu vermeiden. Doch man muss dem Land auch eine Chance geben und das erreicht man am besten durch eine schnelle Rückkehr zur Normalität. Wird in den Hotels, Restaurants, Cafés etc. wieder gearbeitet, weil Touristen da sind, kommen wieder einige in Arbeit, die jetzt noch auf der Straße rumlungern und eventuell auf schlechte Gedanken kommen.
...
Danke. Und die "Normalität" die sich da inzwischen in Sachen Kriminalität ergibt, gefällt den meisten Tunesiern nicht.
Sie schliessen ihre Tore und Häuser ab, verteilen die Männer der Familie auf männerlose Haushalte, schlafen bei ihren Tieren, damit sie nicht (wie in den letzten Jahren zu Aid immer normaler) geklaut werden.
Und ich glaube, nur in den seltesten Fällen sind die Hotel-Mitarbeiter diejenigen welche. Die meisten haben bislang Urlaub abgebaut. Zumindest bei uns sind kaum Mitarbeiter entlassen worden. Allerdings ist es gut, wenn sie bald wieder arbeiten können. Wir freuen uns auf die Gäste, die Arbeit, das Geld. Und ich bin sicher, dass sie Alles tun werden, damit den Gästen nichts passiert. Diese sollten aber auch Eigenverantwortung mitbringen.
... Fortschritte sind doch schon zu erkennen, zwar nicht unbedingt in der Politik, aber die Polizei wird zahlenmäßig stärker, hier sind schon so viele, dass zum Leidwesen vieler Autofahrer wieder die Verkehrskontrollen an Kreisverkehren aufgenommen werden konnten. Und das wird sicherlich auch in anderen Regionen bald so sein, in einer früher, in der anderen später. ...
Interessante These. Ich höre nur von Nord bis Süd, dass alle lachen, weil die Polizei neuerdings unglaublich lieb und höflich ist. Hier hält die Polizei noch niemanden an, sondern winkt freundlich jedem zu, der an ihnen vorbei fährt.
Was den Verkehr betrifft, gab es hier ein interessantes Phänomen: die meisten sind langsamer und aggressionsfreier gefahren als vorher. Es gab kaum Unfälle in den letzten Wochen.
... Und wenn ich mir die Meldungen aus Deutschland anschaue:
Anklage wegen doppelten versuchten Raubmord
Juweliergeschäft in der Hagener Innenstadt überfallen
Überfall auf Textilgeschäft in Leipzig
Bad Oldesloe- Bewaffneter Überfall auf Kino
Maschinen-Pistolen-Überfall auf Casino
Mord an 41-jähriger Frau
Schwerer Raub im Obdachlosenheim
Kiel: Schwerer Raub auf Drogeriemarkt
Hinterhof-Raub: 13-Jähriger mit Messer verletzt
... kann ich nur jedem abraten, der mich fragt, ob er nach Deutschland in Urlaub fahren kann. Deutschland ist einfach zu unsicher. ...
Ich halte es für einen fatalen Fehler das gleichzusetzen.
Und ich hoffe von ganzem Herzen, dass das hier nie die Normalität wird, über die man in den Meldungen lapidar hinweg liest. Bislang habe ich mich egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit und egal wo, sicherer gefühlt, als in vielen Grossstädten in D. Allerdings habe ich hier auch noch keine "nächtlichen Bahnhofsviertel" genossen, ist nicht mein Metier.
... Das soll es von mir gewesen sein, jeder hat seine eigene Meinung dazu und muss selbst entscheiden. Ich werde auch zu dem Thema nichts mehr schreiben, da Meldungen der Normalität anscheinend nicht erwünscht sind, selbst wenn diese ausdrücklich nicht pauschalisiert, sondern auf eine bestimmte Region begrenzt sind.
Wenn man genau liest, dann sind es doch nur 3 Personen (laut Hannekind), die das so sehen, also kann man von unerwünschten Meldungen über Normalität kaum sprechen. Allerdings denke ich, dass man die gegenteiligen Meldungen auch nicht einfach unter den Tisch schieben sollte.
In keinem Land auf dieser Welt hat es jemals nach einem solchen Umbruch keine Komplikationen gegeben.
Erstaunlich finde ich Deine Reaktion bzgl. des Überfalls auf Deine Verlobte. Ich hoffe sehr, dass sie den Schock inzwischen halbwegs verarbeitet hat.
Willst Du wirklich sagen, Du bist der Meinung, dass hätte ihr auch früher hier, oder überall auf der Welt passieren können?
Ich finde, diese Art der Kriminalität hat sehr zugenommen, allerdings nicht erst seit der Revolution.
Und gibt es dir nicht zu denken, wenn sie Dir sagt, sie würde TN am liebesten verlassen und in die Türkei oder... (das andere Land fällt mir gerade nicht ein) gehen. Warum will sie das tun? Sprecht Ihr darüber? Wenn Alles ruhig und normal ist, und ihr das jederzeit überall hätte passieren können, warum will sie dann weg?
Das interessiert mich, und ich denke, Ihr sprecht sicher auch darüber. Ich selber führe solche Gespräche am laufenden Band, um möglichst viele Eindrücke und Meinungen zu bekommen, um mir daraus ein Bild machen zu können.
Aber, Uwe, ich gebe Dir Recht: Jeder hat seine Einschätzung, die aus verschiedenen Kontakten und Quellen, Lebensweisen, Informationen etc. resultieren. Dadurch hat jeder seine eigene Realität.
Und ich hoffe sehr, dass aus den verschiedenen Realitäten eine gesunde Mischung herauskommt.
Liebe Grüsse!
